Dienstag, Mai 23, 2006

Kinderkinder

In Hamburg in der U-Bahn sagen seit einiger Zeit im Stadtgebiet Kinderstimmen die Haltestellen an. Los gehts am Stephansplatz. "Nächster Halt..." "Iiiieeeghitt, schon wieder diese Gören, ich glaub ich muß sofort aussteigen, mir wird schlecht". Hupsi? Wo kommt das denn her? Da, sitzt doch nur ein gemütliches Grüppchen älterer Damen. Die neigen doch normalerweise zum Gurren und Quieken wenn Kinder auftauchen. Jetzt lacht die nächste wissend: "Na Oma Ingrid, kannst keine Kinder mehr sehen, was?". Oma Ingrid lächelt leider nur gequält. Gerne hätte ich ein wenig ausführlicher von ihrem Schicksal erfahren, denn in ihren Augen spiegelt sich das Leid der Welt.

Das Schicksal der Großstadtomas. Während ihre Gegenstücke auf dem Lande im besten Fall damit rechnen können, daß die eigene Brut irgendwann auf der Suche nach Ruhm und Arbeit die heimischen Halden verläßt und in ferne Städte zieht, müssen Großstadtomas damit rechnen, daß die Kinder in Reichweite bleiben. Oder die Oma. Je nachdem, aus welcher Position man guckt.

Alle Omas möchten sich, nachdem das Enkelchen geboren wurde, am liebsten am Kinderbett festketten und das süße schlafende Geschöpf einfach nur angucken und vor Stolz bersten. Sie möchten stündlich Fotos machen und diese riesen Haufen dann ununterbrochen ihren Freundinnen zeigen, um zu hören, wie entzückend das kleine Kerlchen doch ist, dem Opa wie aus dem Gesicht geschnitten. Jaja.

Die Landomi ist zuerst natürlich im Nachteil. Sie fährt nicht einfach nur eine halbe Stunde mit der U-Bahn um das Wonnepröppchen zu sehen, sondern sieht es - mit Chance - am Wochenende. Oder seltener. Auf Besuch. Sicherlich hadert die eine oder andere ein wenig mit dem Schicksal, oder vertreibt sich ihre Zeit mit dem, was Mütter und Omas am allerbesten können: Schlechtes Gewissen verbreiten. Hilft aber nix. Den Eltern des Enkels kann ja auch nicht zugemutet werden, ständig mit dem Kind durch die Gegend zu gurken. Das sieht die Omi ein, nimmt prophylaktisch noch ein wenig übel und geht dann irgendwann dazu über, sich über die nicht häufigen aber regelmäßigen Besuche zu freuen.

Großstadtomis haben dafür die Möglichkeit, immer und jederzeit im Haus der Sprößlinge einzufallen, um als Alibifunktion ein wenig im Haushalt zu helfen und aktiv an der Früherziehung des Enkels teilzuhaben.

Irgendwann macht das Kind dann größere Haufen in die Windel und probiert die erste Trotzphase. Spätestens dann findet das elternzeitlebende Elternteil des Kindes, daß es zur Erhaltung der Lebensqualität und um ein wenig unter die Leute zu kommen, arbeiten gehen möchte. Durchaus verständlich.

Jetzt bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Eine Tagesmutti, die ist sehr teuer, eine Freundin die auch ein Kind hat, aber die hat auch nicht immer Zeit und stellt sich an, der Partner, der seine Arbeitszeit reduziert, oder, für Großstadtfamilien: Hey, "Oma". Mensch, die hat den Kleinen doch so gern. Und es ist ja auch gar keine Mühe hierher zu kommen. Dann kann sie nebenbei auch gleich Fenster putzen. Das hat sie doch sowieso schon immer gemacht." Das macht Dir doch nix aus Mutti, ne? Und du weißt ja, wie man mit Kindern umgeht. Die werden dir schon nicht auf der Nase herumtanzen".

Wie geil. Kostenlose Kinderbetreuung für ne Tasse Kaffee, die auch gleich die Betten macht und die Küche aufräumt. Wer wünscht sich das nicht? Ein Babysitter, mit dem man noch so richtig streiten kann. Einer, der nicht wegläuft. Supersache. Superomi.

Und während die Großstadtomis jetzt zähneknirschend ihre pädagogische Pflicht erfüllen, nicht mehr zu ihren Treffen im Park kommen, weil die Kinder nicht stillsitzen können, ihren eigenen Haushalt nachts um eins erledigen (naja, als alter Mensch schläft man ja nicht mehr viel)und sich die Sprüche anhören dürfen, die normalerweise von Kindern an Eltern gerichtet werden (ich wünschte, du würdest bald sterben), können Landomis weiterhin die Enkel auf den Wochenendbesuchen mit Süßigkeiten vollstopfen, sie den ganzen Tag nackig rumlaufen lassen und ihnen regelmäßig pädagogisch Wertvolles schenken wie Blechtrommeln und Schleudern. Die nimmt das Kind ja mit nach Hause. Welch Freude. Immer schön bei Omi.
Wenn ich groß bin und Kinder im enkelfähigen Alter haben sollte, ziehe ich aufs Land.

Übrigens ist es süß, wenn Kinderstimmen sagen: "please change here for exhibition-hall". Bis die Kinder das angesagt haben, ist mir noch nie aufgefallen, wie pervers die Übersetzung für "Messehalle" ist.

1 Kommentar :

Bob hat gesagt…

Die Brut! Ich finde es sollte verboten werden unter 12 zu sein. Harhar. Onkel Bob...