Mittwoch, August 30, 2006

Schritt

Eine sehr gern gestellte Frage in irgendwelchen Psychotests ist folgende:

Worauf gucken Sie bei einem Mann/einer Frau zuerst.

Übliche Antworten sind bei Frauen:

- die Hände
- die Augen
- das Lachen
- die Haare
- der Hintern

Übliche Antworten bei Männern:

- die Augen
- der Busen
- der Hintern
- die Haare
- das Lachen

Hände sind Männern ziemlich egal. Frauen nicht. Denn wisse: Nicht die Nase eines Mannes liefert Hinweis auf die Beschaffenheit anderer Körperteile, sondern die Finger. Achtet da mal drauf, Ihr werdet erstaunt sein.

Wenn ich persönlich die Frage wahrheitsgemäß beantworten würde, müsste ich sagen „in den Schritt“. Tatsächlich gucke ich zuerst auf den Hosenstall. Warum?

Ich könnte mir vorstellen, dass der Auslöser dieser kleinen Unart ein Besuch im Ballett war. Wenn irgendjemand in der Lage ist, hüpfenden Männern in enganliegenden Catsuits nicht zwischen die Beine zu gucken und insgeheim ein wenig zu kichern, möge er sich gern melden. Wahrscheinlich wächst ihm, während er grad entrüstet überlegt, dass er selbstverständlich nicht auf die Strumpfhosenbeule glotzt, eine ganz lange Holznase.

Wie auch immer. Ich tu`s halt. Ich finde es interessant zu beobachten, wie Hosen im Schritt sitzen. Hosen sitzen immer sehr unterschiedlich. Guckt mal genau hin. Andere Leute gucken anderen Leuten auf den Pöter, das ist sicher auch sehr interessant und vielseitig. Ich gucke jedoch vorn.

Über diese Pöterspanner habe ich natürlich eine eigene Meinung. Das sind doch verklemmte Heinis. Gucken heimlich. Von hinten. Um nicht gesehen zu werden. Diese Hinterngucker und nach dem Vorbeigehen Umdreher schließen doch bestimmt auch die Klotür ab wenn sie allein in der Wohnung sind und haben diese merkwürdigen, mit Tüchern verhängten Bücherregale im Schlafzimmer.

Nein, ich bin ein ehrlicher Mensch ich komme von vorn, offen, ehrlich und nehme im Kauf, dass mich jemand darauf anspricht, dass ich ihm gefälligst nicht so auf die Mitte gucken soll.

Heute morgen wäre ich froh gewesen, wenn es noch mehr Leute mit dieser Vorliebe in Verbindung mit einem etwas freieren Wesen gäbe. Ich saß nämlich mit offenem Latz in der U-Bahn. Der erste Schreck denkt: Achduscheißehoffentlichhatdaskeinergesehen. Der zweite, schon etwas rationalere Schreck legt nach mit: Natürlich haben das alle gesehen. Es sagt nur keiner etwas. Sagt einem doch nie jemand etwas wichtiges.

Keine Hinweise auf Spinatreste oder Mohnkörner zwischen den Zähnen, oder dass der Pickel, der morgens noch leicht rötlich, mittlerweile eine ziemlich eklige gelbe Färbung angenommen hat, niemand berichtet von dem Undefinierbaren, was irgendwo im Gesicht hängt, garantiert wird euch niemand erzählen, dass euer Partner euch betrügt. Auch wenn es alle wissen.

Das wäre ja nicht höflich.

Na dann – guck ich mir lieber weiter die Hosenställe der Welt an und halte mich von der Höflichkeit fern.

Sie haben da was. Nein, weiter links. Sieht irgendwie aus wie ein Popel.

Dienstag, August 29, 2006

Schussel

Kennt ihr noch von damals aus der Sesamstraße den Professor Hastig? Den nicht mehr ganz so jungen Mann, der so zerstreut war, daß er normalerweise einen Raum von wenigstens drei Quadratmetern einnehmen müßte? Es gibt Tage, da hege ich die dunkle Befürchtung einer Verwandtschaft mit ihm.

Das ist eine zwar nicht beruhigende, aber annehmbare Erklärung dafür, daß ich manches mal offensichtlich ein Sieb mit mir spazieren trage statt eines Hirns. Überlegungen meinerseits haben leider oftmals eine geringe Halbwertzeit. Meistens geht es darum, irgendetwas tun zu wollen. Zum Beispiel Freunde anzurufen und zum Geburtstag gratulieren. Nur als kleines Beispiel. Ich denke dran, wandere los richtung Telefon und dann ist es mit einem Mal ein Uhr nachts, ich sitze auf dem Sofa und mir fällt ein: Ups. Ich wollte doch telefonieren. Also Leute, ich denke an Euch. Aber ich denke leider noch viel mehr und leider auch sehr schnell. Und der siebte Gedanke fällt hinten runter. Ich würde es gern ändern, aber mittlerweile lebe ich schon sehr lange damit.

Während meiner Berufsausbildung mußten sich meine Eltern mit dieser wirklich unangenehmen Schusseligkeit meinerseits auseinandersetzen, als sie eines Tages von meinem - zugegebenermaßen cholerischen - Chef ein vier Seiten langes Schreiben erhielten, welches die Unfähigkeit meiner Person behandelte, Verantwortung auch nur im geringsten Maße zu übernehmen. Der Grund dieses grandiosen Pamphletes war unverzeihlich. Ich hatte vergessen, den Mülleimer zur Leerung an die Straße zu rollen. Mehrfach. Da konnte die erfolgreiche Erreichung des Ausbildungsziels schon einmal ins wackeln geraten.

Normaler Ablauf: Bine, von diversen Leuten bereits mehrfach in Richtung Müll gebrieft, steht oben im ersten Stock im Büro an der Tür und denkt "Bine, roll den Mülleimer nach vorn, rolldenmülleimernachvornmülleimervornvorneimermüllhm".
Bine dreht sich um und schließt die Bürotür ab weil sie eh immer die letzte ist. Dabei denkt sie "Hab ich den Kopierer ausgemacht? Die Kaffeemaschine? Die Kasse abgeschlossen?" Und geht noch einmal kurz rein. Alles in Ordnung. Wieder raus in den Flur. Blick auf die Uhr, ups, Zug fährt gleich, runter und raus zum Bahnhof. Welcher Müll?

Und diese etwas unangenehme Eigenschaft zieht sich durch mein Leben. Gestern abend kam ich nach Hause und besuchte mein Wasserloch um zu tun, was man auf Toiletten so zu tun pflegt. Dabei legte ich die Zigarettenschachtel, die ich in der Hand hielt, neben mich auf die Fensterbank. Nach getaner Verrichtung wanderte ich ins Wohnzimmer, legte die Zigarettenschachtel auf den Tisch und dann erst fiel mir auf, daß das, was da vor mir lag, nur mit sehr viel Humor und Phantasie als Zigarettenschachtel durchrutschen würde. Eigentlich ähnelte der Gegenstand eher einer blauen Charming-Toilettenpapierrolle. Eigentlich war es eine Toilettenpapierrolle. Na gut, nicht nur eigentlich. Es war Klopapier. Raucht sich nicht gut, das Zeug.

Ich bin schon in Hausschuhen in den Urlaub gefahren, weil ich stumpf vergaß, mir richtige Schuhe anzuziehen. Ich hatte ja welche an. Ich habe in Gesamtdeutschland und der Schweiz bereits ein Heer von Zahnbürsten positioniert, die ich immer wieder vergesse einzupacken nach Besuchen, ich gehe einkaufen um Milch zu holen und stehe irgendwann in meiner Wohnung mit sehr vielen Tüten. Ohne Milch. Mein Bügeleisen und meine Kaffeemaschine sind eigentlich immer an und wenn ihr durch die Bank geht und im Flur auf eine blonde Frau trefft, die anstrengend überlegt, dann bin das wohl ich, die versucht sich daran zu erinnern, warum ich aufgestanden und in den Flur gegangen bin. Ich bin mit zwei unterschiedlich großen Schuhen in die Stadt gewandert, weil mein großer Bruder das gleiche Paar besaß und habe mir Gesichtsreinigungsmilch auf die Zahnbürste gedrückt.

Der Hamburger Verkehrsverbund lebt vom Handel mit meinen Regenschirmen zwei unterschiedliche Socken, meist eine blau und eine schwarz, sind fast ein Markenzeichen und ich warte seit Jahren angstvoll auf den Tag, an dem ich morgens vergesse, mir meine Hosen anzuziehen wenn ich zur Arbeit gehe.

Ihr meint, das kann gar nicht passieren? Habt ihr schon einmal Klopapier geraucht?

Montag, August 28, 2006

Kinderkinder

Zwei Mal elf macht noch nicht zweiundzwanzig. Aber fast. Am vergangenen Wochenende lud ich alte Berufsegoistin mein nunmehr elfjähriges Patenkind ein, mich von Freitag bis Sonntag doch einmal in Hamburg zu besuchen.

Weil meine Erfahrungen hinsichtlich des Entwirrens weiblicher und besonders elfjähriger Gedankengänge und Bedürfnisse nicht nur etwas eingerostet, sondern nahezu kaum vorhanden sind, schlug ich aus Notwehr vor, noch eine Freundin mitzubringen. So hoffte ich, das Risiko des sich gegenseitig Angähnens und Langweilens zu minimieren. Grundlage dieser Überlegung war wieder das Wellensittichsyndrom. Haste einen, mußt du dich ununterbrochen mit ihm beschäftigen. Hast du zwei, sabbeln sie untereinander und du bist raus und mußt nur das Futter oben reintun und hin und wieder ein wenig Spielzeug nachlegen.

Zum Glück sorgen Elfjährige schon selbst für die Sauberkeit ihres Käfigs.

Wenn man den Eltern Glauben schenkt, hatte ich mir mit dieser Einladung zwei präputertäre, renitente und latent schmollige Mädels gefangen. Sie grinsten, die Eltern. Allerdings ein bißchen wehmütig, weil auch dort das Phänomen bekannt ist, daß sich selbst der schwierigste selbstgezüchtete häusliche Mitbewohner außerhalb der eigenen vier Wände in ein Goldstück verwandelt.

Und so war es dann auch. Sämtliche vorherigen Überlegungen meinerseits, ob ich als, wie ich schon sagte "Berufsegoistin", ausreichend Nerven mitbringe, um ein ganzes Wochenende Kinder zu bespaßen, ohne zwischendurch authistische Züge anzunehmen und leicht zitternd den Flachmann unterm Sofa hervorzupuhlen, waren gelinde gesagt überflüssig.

Die Regeln in meinem Haushalt waren recht leicht zu verstehen: Macht was ihr wollt.

Wunderlicherweise wollten sie das gar nicht.Weder rührten sie die Cola an, die ich extra für sie gekauft hatte ("ich trinke Wasser. Das mache ich zu Hause auch immer"), noch hauten sie sich übermäßig Gummibärchen rein und morgens keine Crossaints (mit elf achtet man wohl schon auf seine Figur). Am ersten Abend hielten sie den Wegfall der Sperrstunde tapfer bis halb eins durch, während sie am zweiten Abend freiwillig um elf ohnmächtig wurden.

Na gut, wir sind auch wie die Irren durch die Gegend gelatscht den ganzen Tag. Zuerst - wie es sich für junge Ladies gehört - shoppen. Sechs Stunden H&M, Karstadt, Kaufhof, C&A, P&C und wieder H&M. Und die ganze Zeit kein Murren aus Kindermund. Kein "wir haben Durst", "wir können nicht mehr laufen", "trägst du das". Nein, eher ein "laß mich das tragen, du trägst schon zu viel", "wir gucken noch einmal da hinten bei den Spielsachen", "au ja, noch einmal zu H&M". Hmpf. Was für eine Energie. Ich überlegte schon kurz, ob ich jetzt vielleicht langsam mal anfange zu murren. Eifrige Leser dieses Blogs sind ja über meine Shoppingunlust nur zu ausreichend informiert.

Aber Egoismus war ja nicht angesagt am Wochenende. Also fragte ich die Mädels todesmutig gegen vier, ob sie denn überhaupt noch laufen könnten, dann hätten wir die Möglichkeit, eventuell noch zum Hamburger Dom zu gehen.

Unnötig zu sagen, daß sämtliche vorn auf der Zunge getragenen schmerzenden Oberschenkel und Füße sofort wieder heruntergeschluckt wurden. Auf den Dom. Yeah. Jahrmarkt. Schnell noch die Einkäufe wegbringen und wieder rein ins Vergnügen.

Und das war es. An dieser Stelle sei jedoch verkündet, daß zumindest ich mich nie wieder in die "wilde Maus" setze. Nee, dafür bin ich zu alt. War das schlimm. Aber die Mädels hatten Spaß. Auch wenn ich sie aus Kostengründen an den meisten Fahrgeschäften ein Jahr jünger machte. Kinder unter zehn zahlen nämlich meistens mindestens einen Euro weniger. Nach dem Shaker waren beide sehr froh, daß sie noch nicht gegessen hatten und ich gebe zu, wäre ich da mit reingegangen, hätte ich hinterher auch ein leichtes Brechbedürfnis verspürt, sie rutschten, aßen Zuckerwatte, fuhren Kettenkarussell, wilde Maus, Raumschiff, wir sahen eine Lasershow, aßen Pommes und sie hüpften auf dem Trampolin mit Bungee. Undundund.

Toller Tag. Ich war auch platt.

Für den nächsten Besuch werde ich mir allerdings eine Reitgerte zulegen müssen um die jungverpickelte Bubenschar abzuhalten. Noch sind sie elf und Jungs sind doof. Aber ich schätze, in ein paar Monaten wird der Sprung zwischen "Kind" und "Jugendlicher" geschafft sein.

Ich bin schon mal gespannt.

Mittwoch, August 23, 2006

Glückwunsch

Jaja, so ist das. Sicher ist das auch schon dem einen oder anderen geneigten Leser widerfahren. Da sitzt man - nichtsahnend - irgendwann mitten im Jahr herum, freut sich seines Lebens und mit einem Mal, nur weil es regnet oder irgendetwas nicht wunschgemäß läuft, schwupp, ist man seinem tatsächlichen Alter etwas näher gerutscht. Und so wie Kinder während des Wachstums häufig ein mittelschweres Ziehen in den Knien spüren, spüre ich das Er-Wachsen an dem Ziehen in meinen Socken. So beglückwünsche ich mich recht herzlich. Seit neuestem bin ich also vom Sternzeichen Löwe und seit ein paar Tagen doch schon 31. Immer mal was neues. Sobald ich mein Alter eingeholt habe, mache ich ein richtiges Faß auf.

Altern hat wohl nichts mit den Geburtstagen oder einer Zahlenreihe zu tun. Man ist auch nicht so alt wie man sich anfühlt. Ich persönlich fühle mich nach wie vor wie ein Babypopo an und an die Probleme mit dem Jugendschutzgesetz, die mir bevorstünden, wenn das eine offizielle Aussage wäre, möchte ich gar nicht denken. Allerdings, wenn ich da etwas mehr drüberdenke, wäre ich dann ja auch noch nicht strafmündig. Ach du lieber Himmel. Welche Möglichkeiten würden sich mir eröffnen. Ausschweifungen, Exzesse, Orgien und wenn es drauf ankommt, kann ich die Finger heben und sagen: Ätsch, ich bin mal erst zwei Jahre.

Klingt zu schön um realistisch zu sein. Realistischer dagegen ist die Annahme, daß jeder Mensch ein biologisches Alter hat, welches ihn begleitet. Also nicht wirklich biologisch. Mehr im Kopf. So kenne ich jemanden, den ich, als ich ihn damals kennenlernte, auf "umdievierzig" schätzte. Und der Ärmste war erst fünfundzwanzig. Er ist jetzt um die vierzig und hat sich nicht sonderlich verändert. Gut, der Bauch wuchs, aber das Wesen blieb konstant verkniffen. Und es gibt andersrum Vierzigjährige, denen man grade mal die Überwindung der Pubertät bescheinigen würde.

Ich war ja schon immer dreissig, weswegen mir dieses Frauenschreckkreischund hysteriealter wenig Probleme bereitete. Ich heulte nicht sinnlos, ich kaufte mir keine Katze, ich ging keine Torschlußpanikbeziehungen ein, nein, ich habe mich langsam darauf hingearbeitet und als ich mich dann endlich dort traf, freudig begrüßt und seitdem sind wir fünfeinhalb Jahre schön auf Punkt dreissig getreten.

Wurde Zeit, mal wieder einen Schritt zu machen. Nach vorne.

Nur für den Fall, daß sich bei mir irgendwann ein Schritt im Siebenmeilenstiefel vollzieht und ich von heute auf morgen die Wandlung von Heidi auf Frl. Rottenmeier vollziehe, bitte ich herzlich darum, herzukommen und mir tüchtig den Kopf zu waschen.

Happy birthday.

Dienstag, August 22, 2006

Sockengedanken

Als ich in den letzten Tagen meiner vermeintlichen Midlifecrisis frönte, zunächst ganz wie es sich gehört, mich nicht mehr rasierte oder kämmte,unterschiedliche Socken anzog und versuchte mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß ich wohl Samen streuen muß, da ich mich in Ermangelung einer Familie wohl schlecht zu den Cabrio-Fahrern zählen darf, stieß ich doch das eine oder andere Mal an meine Grenzen.

Zum einen habe ich zugegebenermaßen einen recht eingeschränkten Bartwuchs. Ich mußte also auf theatralische Bartschatten zu dunklen Augenrändern und einen in die Ferne ausgerichteten Blick verzichten. Zum anderen ist es inkonsequent, zwei unterschiedliche schwarze Socken zu tragen.

Inkonsequenz. Was für ein Stichwort. Sofort stand ich vorm Spiegel, dachte mir meinen Bartschatten und probierte die Inszenierung der "Leiden der nicht mehr ganz so jungen B." Mund- und Augenwinkel gehorchen der Schwerkraft, die Pupillen gehen wie bei einem Bluthund groß, feucht und bemitleidenswert nach oben und ich sage: Ich bin ja so inkonsequent. Fhhhffhhhhhhschluchz.

Ja, das ist es. Hurra, ich habe einen Ansatz. Sofort wurde ich bei einigen Freunden vorstellig und probierte die Echtheit meiner Darstellung. Doch was soll ich sagen. Irgendetwas ging schief und statt "Ohh, arme Bine" erhielt ich als Reaktion auf meine wirklich gute Scarlett O`Hara ein "Bine, du bist bekloppt". Na, vielen Dank auch.

Anscheinend zieht die Mitleidsnummer nicht. Was lerne ich daraus? Ich brauche neue Freunde? Nein. Die, die ich habe, sind schon ziemlich gut gelungen. Das krieg ich doch nie wieder so hin. Erst recht nicht mit einem Einstieg als Wimmerlotte.

Insofern fällt auch leider mein nächster Geistesblitz, eine Karriere als Hypochonder, dem Papierkorb anheim. Dabei ist so eine Karriere, einmal ernsthaft überlegt, durchaus eine wirklich angemessene Reaktion auf die vermeintliche Sinnlosigkeit des Lebens. Wann bekommt man sonst die Chance, immer ein kritisches Auge auf sich zu haben, immer ein wenig zu leiden, Gelegenheit zu bekommen, den einen oder anderen Arzt auszuprobieren, Mitleid einzusammeln wo es nur geht und trotzdem gesund und munter zu sein?

Aber was mache ich jetzt mit der schönen Midlife Crisis? Gar nichts. Behalten.

Ich bin wirklich zu bedauern. Nicht wahr?

Donnerstag, August 17, 2006

Meine Socke

Als ich eben meine Socken anzog, mußte ich spontan an mein derzeitiges Leben denken. Die Socken sind schon alt und mittlerweile beginnt der Fuß an ziemlich vielen Stellen gleichzeitig durchzuscheinen. Möglicherweise braucht es nur noch ein etwas aggressiveres Schuhanziehen, dann reißt der Mist und mein Fuß steht nackig da. Natürlich, ich nehm dann die Socken, werf sie weg und ziehe ein heiles Paar an. Aber wer wird mich dann mit einem neuen heilen Dasein versorgen? Wo kann man das kaufen?

Häh? Was ist das denn? Midlife-Crisis? Mit fünfunddreissig? Sollte ich vielleicht mal meine Testosteronwerte überprüfen lassen? Ich dachte, sowas bekommen nur Männer. Und ich dachte, das einzige, was dann auftritt, ist der unterschwellige Drang bei Familienvätern, sich ein Cabrio und eine junge Freundin zuzulegen und bei Nicht-Familienvätern, unbedingt ihre Samen zu streuen und einen Apfelbaum zu pflanzen.

Zugegeben möchte ich weder eine junge Freundin haben, noch steht mir derzeit der Sinn danach, irgendeinen hormonellen Supergau auszutoben. Samen streuen kann ich eh nicht. Außerdem habe ich viel zu wenig Haare auf der Brust. Ich möchte also bitte keine Midlife-Crisis haben....oh mein Gott, krieg ich etwa Hitzewallungen? ....Nein. Auch diesbezüglich scheint alles in Ordnung zu sein. Puh, das wäre auch wirklich etwas früh.

Nur meine metamorphorische Socke, die zwickt mich. Die wird zu klein. Das ist sicher nicht schlimm, aber es nervt ein wenig. So wie eine Socke eben nervt, wenn sie im Schuh eine Falte schlägt und dann anfängt fröhlich und unerkannt eine Blase zu rubbeln.

Aber es rubbelt nix. Keine Blase macht sich bemerkbar. Da blutet nix.

Kann man das auch positiv sehen? Irgendwie schon. Durch das brüchige Gewebe kommt endlich mal ein wenig Licht in die Socke und der Blick nach außen ist auch nicht mehr versperrt. Das ist doch klasse, endlich siehste mal ein wenig mehr vom Leben.

Und spätestens jetzt ist klar, daß ich nicht ausgeglichen bin. Esoterikgequatsche am frühen morgen? Von mir? Nu aber mal zack den Kopf ins kalte Wasser: Kaputte Socke ist kaputte Socke. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ende aus Nikolaus.

Meine Güte, wenn ich mich jedes Mal so fühlen muß, nur weil ich mal überlegt habe, ob ich nicht vielleicht doch seit fünfzehn Jahren den falschen Beruf hab und ob ich nicht doch vielleicht mal den Mut haben sollte, etwas ganz neues auszuprobieren, laß ich mir glaube ich doch noch den Stirnlappen absaugen. Das hält ja keiner aus.

Und jetzt geh ich erstmal neue Socken kaufen. Nur so zur Sicherheit.

Montag, August 14, 2006

Regen

Als ich heute morgen durch das blasenregnende Ungewetter zur U-Bahn stapfte, fiel mir ein altes Kinderlied ein, welches ich unbewußt vor mich hinsummte. Irgendwann hörte ich genauer hin und mir fiel zum ersten Mal auf, was ich da eigentlich seit - naja - mal mindestens 33 Jahren unbewußt vor mich hinsumme wenn es regnet:


Es regnet ohne Unterlass,
es regnet immerzu,
die Schmetterlinge werden nass,
die Blümchen gehen zu.
Roter, roter Falter,
komm, ach komm zu mir,
aber deinem Brüderlein,
schließ ich zu die Tür.


"Deinem Brüderlein schließ ich zu die Tür"? Kann mir jemand mal die sozialpädagogischen Hintergründe dieses Liedes erklären? Warum läßt man Kinder so etwas singen? Damit sie zukünftig nur eingeschränkt Gutes tun? Damit das Haus nicht voll ist mit Insektengeviech? Und warum bin ich selbst nie auf den Gedanken gekommen, zu fragen, warum ich nur rote Falter reinlassen darf. Ich persönlich habe übrigens noch nie einen roten Falter gesehen.

.....Ach so.

Ich beginne zu begreifen...was für ein Potential. Denkt da noch jemand drüber nach, was man Kinder singen läßt? Da werde ich mich doch demnächst einmal etwas intensiver mit den Liedern meiner Kindheit auseinandersetzen. Also mit den offiziellen. Nicht mit so einem Underdog-Kram wie "HSV, dumme Sau, steckt den Piller in`n Kakao" oder so. Das haben wir auch gar nicht so oft gesungen. Glaube ich. Mehr so der Plumpsack, der die Hucke vollkriegt wenn er sich umdreht oder lacht.

Benzini

So wie diese reizende Figur aus "einer flog übers Kuckucksnest", so fühl ich mich: "Ich bin müde, schrecklich müde". An Einzelheiten erinnere ich mich zwar nicht, aber nur für den Fall, daß Benzini sich bereits im Nach-Lobotomie-Stadium befand, ich besitze noch meine Stirnlappen, und sie produzieren zwar langsam, aber stetig. Müde. Ich bin so müde.

Dem Wetter gehts genauso. Normalerweise mecker ich nicht über das Wetter. Aber ich bin müde. Ist doch egal, was ich normalerweise mache. Draußen ist Herbst. Regen und 14 Grad. Müde sein UND frieren ist keine gute Kombination. Das Wetter ist dazu geeignet, den nicht vorhandenen Kamin anzuzünden, Kerzen anzumachen, Tee zu kochen, ein gutes Buch zu greifen und allgemeine Behaglichkeit herzustellen. Es ist nicht dazu geeignet, müde und grummelnd im Kleiderschrank nach den hintenliegenden dicken Pullovern zu wühlen und sich dann zur Arbeit zu bibbern.

Müde, frierend UND grummelnd. Das sind ja drei Wünsche auf einmal. Das geht nun wirklich nicht. Also los. Gegenoffensive. Der dicke Pulli ist am Körper, der Kaffeebecher ist gefüllt, der Oldi-Sender im Hintergrund brüllt "Summer of 69" und eben erreicht mich die Nachricht, daß meine liebe Freundin Netti am gestrigen Sonnen-Sonntag ihren dicken Bauch auf natürliche Weise losgeworden ist und der Krümel jetzt auch ein Geschlecht und einen Namen hat. Herzlich willkommen Leah. Möge das Leben freundlich zu dir sein.

Ich laß mir doch von dem Wetter und dem Wochentag nicht vorschreiben, was für eine Laune ich zu haben habe. Das wäre ja noch schöner. Schön ist es übrigens auch, am Wochenende quer durch die Republik zu reisen um mit lieben Menschen ein gehöriges Fass zu öffnen. Zwar könnte ich auf leicht verkaterte ewige Zugfahrten auch verzichten, aber so ist das, keine Rose ohne Dornen, auf Regen folgt Sonnenschein und was mutt, dat mutt.

Basta.

Mittwoch, August 09, 2006

Frauenleiden

Heute war es wieder so weit. Wie schreibt Terry Pratchett immer so hübsch: Da rasen tausende von Inspirationspartikeln ständig kreuz und quer und wenn man Pech hat, dann treffen sie einen. Heute wurde ich
getroffen. Ich saß an meinem Schreibtisch, nixahnend, vertieft in irgendetwas Unbeachtliches, und mit einem Mal - zonk - schaute ich hoch und wußte: Ich muß zum Friseur. Sofort. Basta und keine Widerrede.

Wenn ich einmal in diesen Zustand gerate, tritt die gesamte Welt einen Schritt zurück und vor meinem geistigen Auge flimmert nur der in vielen Friseurgeschäften angebrachte Superwerbeslogan: "Was Friseure können, können nur Friseure". Jawohl. Recht haben sie. Und zwar jetzt.

Nun ist es gar nicht so einfach, spontan einen Salon ausfindig zu machen, der Laufkundschaft nimmt und nicht zu den amtlich anerkannten Schafscherern gehört. Aber eine unsichtbare Energie treibt mich zu Höchstleistungen und leicht apatisch klappere ich dann sämtliche Geschäfte in Laufnähe ab. Irgendeiner wird mich schon wollen. Oder mein Geld.

Während ich die Geschäfte abklappere, bin ich getrieben von der großen Meg-Ryan-Phantasie. So einen entzückenden Strubbelkopf hätte ich ja gern. "Mal was anderes" Eine totale "Typveränderung". Aber so etwas würde ich mich ja nie trauen zu sagen. Wenn ich mir vorstelle, daß ich da reingehe und sage: "Einmal Mey Ryan" aber zackzack, würde mir die Frisette mit Sicherheit und mit Recht ins Gesicht lachen.

So trolle ich mich also, wenn ich einen entsprechenden Laden gefunden habe, brav auf meinen Platz und order - wie immer - einmal waschenschneidenföhnen (ohne zackzack). Und ab da bin ich wieder fünf und lege mein Leben mehr oder minder vertrauensvoll in die Hände des Scherenmeisters oder der Scherenmeisterin. Gar nicht mal, weil ich so viel Vertrauen habe, sondern weil ich mir stumpf kein Bild machen kann von dem, was mir vorgeschlagen wird. Wenn die Schere sagt: "Aber hinten machen wir keine so große Stufe, nicht wahr, und vorne nehme ich das Gezippel weg - Oder?", dann hoffe ich, dass es sich um eine rethorische Frage handelt. Was weiß ich, wie das hinterher aussieht. Seh ich aus wie ein Friseur? Nein, ich sehe zwei Wochen nach einem Besuch dort wieder aus wie immer. Egal wieviel Stufe oder Gezippel sie wegnehmen oder dranlassen.

Die einzige schüchterne Anweisung von mir ist eigentlich nur soweit, daß ich in keinster Weise Lust habe, mit irgendwelchen Rundbürsten zu hantieren und ob man vielleicht vorne, also beim nicht vorhandenen Pony, vielleicht mal irgendwas anderes machen kann. Also, äh, keinen Pony. Aber irgendwie anders. Danke für die Aufmerksamkeit...

Aber dann kommt der grandioseste Grund um sich die Haare schneiden zu lassen: das Waschen. Niemals würde ich auf die Idee kommen, mir einen Trockenschnitt verpassen zu lassen. Keine Kopfmassage, kein albernes Gekicher weil ich an der Stirn kitzelig bin und kein mit geschlossenen Augen Entspannen während die Kur einwirkt? Niemals. Allein dafür lohnen sich die hinterher abzudrückenden Unsummen. Außerdem kann man in den Wartezeiten zwischendurch die Zeitschriften lesen, die man NIE lesen würde. Gala und so. Gut, ich schäm mich auch.

Doch die schönste Kopfmassage ist irgendwann vorbei. Und ab da leide ich. Nirgendwo sieht man sich selbst so dermaßen bescheuert wie beim Friseur. Mit nassen platten Haaren, gehüllt in einen schwarzen Sack, der dazu führt, daß die Gesichtshaut irgendwie blaßbläulich wirkt, angestrahlt von hellem Licht, da bekommt doch selbst der schönste Mensch den Wunsch danach, sich selbst zu enthaupten oder den Sack bis zur Stirn hochzuschieben.

Mey-Ryan-Phantasien treten dann maulend in den Hintergrund. Ohne ein neues Gesicht wird das nix. Also gut, vielleicht kriegt diejenige, der ich jetzt ausgeliefert bin, etwas fetziges hin. Ein gültiges Axiom ist leider, daß beim föhnen IMMER die Rundbürste gegriffen wird. Egal wie deutlich man darauf hingewiesen hat, daß man so etwas ablehnt. Ganz egal. Erst am nächsten Tag darf man sehen, wie man eigentlich aussieht, wenn man sich selbst überlassen ist.

Worauf dann die nächste Erkenntnis folgt: Nur andere gehen fetzig gestylt bei ihrem Friseur raus. Bei mir nennt man das wohl eher "nett onduliert". Da frage ich mich wirklich manchmal, welche Außenwirkung ich auf diese
"Typgerechten-Styling-Typen" habe. Ich finde, ich habe in meiner Art wenig von Mutter Beimar. Aber der Durschnittsfriseur scheint das anders zu sehen.

Heute habe ich mit Schrecken festgestellt, daß ich seit einiger Zeit eine Frisur trage, die ich bei meiner lieben Freundin Tina vor Jahren immer mit "nimm mal den Helm ab" kommentierte.

Ich bin halt meiner Zeit voraus. Irgendwann bin ich alt genug für mein Haar.

Bwürg

Wer mich persönlich kennt weiss: "Die Bine, jaa. Die packt an. Die krempelt sich die Ärmel hoch und ist sich für nichts zu schade. Patentpatent. Aber so ist sie halt. Was muss, das muss."

Wer mich noch genauer kennt weiss, daß ich in den meisten Fällen einfach zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin um herumumosern. Ich habe nämlich eine Ekelgrenze, die ungefähr auf Kniehöhe angesiedelt ist. Sind widerliche Dinge zu erledigen, wie z.B. ein Waschbecken putzen, welches so aussieht, als hätte jemand da reingeschnoddert, seht Ihr, hier, dieser Fleck da links, das könnte doch ein Popel sein, wie eeeeekelhaft, brauche ich alle Energie dafür, meine in Aufruhr geratene Speiseröhrenmuskulatur zu beruhigen.

Natürlich gibt es ein Ekelranking. Aber das Ergebnis ist stets das gleiche. Bine will brechen. So wie grade als ich aus dem Urlaub kam. Als schlechte Hausfrau habe ich selbstverständlich im Zuge der Abreise einen Becher, halb gefüllt mit Kaffee, in der Wohnung herumstehen lassen und nicht direkt weggekippt. Während der Woche wuchs auf dem braunen Zeug ein Teppich. Nachdem ich das Zeug ins Waschbecken kippte und der Teppich sich dann, statt sofort im Abfluß zu verschwinden, über die Löcher legte und diesen verstopfte, lief ich, ob der Vorstellung, das Zeug anfassen zu müssen, fünf Minuten leicht gekrümmt durch die Wohnung und gab Geräusche von mir, die man sonst nur von Hunden kennt, die zu viel Gras gefressen haben.

Das ist übrigens eine tolle Sache mit den Hunden und könnte eine Entscheidungshilfe bei der Wahl eines Haustieres darstellen. Katzen kotzen einfach spontan überall hin und sehen davon ab, einen zu warnen, während ein Hund sich langsam mittels Bewegungsmuster und Akustik darauf hinarbeitet. Während man also bei einem Hund immer noch die Warnsignale erkennend aufspringen und den Köter bis zum Finale vor die Tür befördern kann, kann man bei Katzen nur versehentlich in die Hinterlassenschaften treten und sich dann mit seinem eigenen rebellierenden Magendeckel auseinandersetzen.

Allerdings macht diese Ekelgrenze nicht nur bei Tieren Halt. Ich habe auch schon tränenden Auges in einer Eisdiele gesessen und versucht, die Kontrolle über meine Bauchmuskulatur wiederzuerlangen, nachdem ich beobachtete, wie eine junge Mutter ihrem entzückenden Sproß mit einem Q-Tip Popel aus der Nase zog.

Allein die Erinnerung...moment, hoooooh Bäuchlein, ganz ruhig. Du hast doch heute noch gar nix gegessen.

Die Folgen dieser niedrigen Ekelgrenze sind ziemlich weitreichend. So habe ich aus Selbstschutz noch niemals ein Kind gewickelt. Und auch keines bekommen. Die Vorstellung, daß ein Spross von mir so wie ich damals in seinem Bettchen hockt und dieses fröhlich vollreihert, macht mir Angst. Oder daß ich mit nem Q-Tip....wah.

Wahrscheinlich ist das eine Allergie. Ein Katzenhaarallergiker reagiert ja auch schon mit Geniese und Gepickel, sobald er des Fotos einer Katze ansichtig wird. Ich kann meine Pumpfunktion schon dadurch auslösen, indem ich mir vorstelle, daß in meinem Frühstücksei das Eiweiß noch herumglibbert. Es muß gar nicht glibbern. Ich muß es mir nur denken. Was habe ich für eine kranke Phantasie.

Aber betrachten wir das mal positiv. Durch diese Macke habe ich eine ausgesprochen gut trainierte Bauchmuskulatur. Das ist doch auch was.

Dienstag, August 08, 2006

Knack

Das war die Lanze die ich brach. Für die Schweiz. Wenn wir jetzt einmal alle Unken brav aus den Eimern gesammelt und über die Straße getragen haben, muß ich aus den tiefsten Tiefen meines Herzens eingestehen: ich mag sie. Die Schweiz. Leider vermag ich gar nicht sehr viel touristisches Geschwärme von mir zu geben, da mir dort noch wenig touristisches widerfahren ist. Abgesehen von dem großäugigen Berge-anstaunen, bei welchem ich mich immer wieder überrasche.

Als Tourist durfte ich mich bislang erst einmal fühlen, als ich die Eintrittskarte zu so einer Drachenhöhle kaufte. Ansonsten vertrieb ich mir die Zeit bisher damit, an dem Leben meiner Schwester teilzuhaben. Falls irgendwann eine Touristenattraktion angeboten wird, die "beim Umzug von Freunden helfen und danach viele Stangen trinken" heißt, sagt gern bescheid. Dann revidiere ich und behaupte das Gegenteil.

Bei höchstens zwei Besuchen im Jahr ist es schwer, sich mit der Sprache auseinanderzusetzen. Hilfreich erschien mir bislang, vor dem Besuch in der Schweiz ein paar Tage im tiefsten Schwarzwald zu verbringen. Dort verstehe ich genauso wenig und gewöhne mich daher schon langsam an einen leicht verständnislosen Gesichtsausdruck und die Nutzung von Gebärdensprache.

Den Spickzettel von Phipu habe ich ausgedruckt und aufgehängt. Brav. "Grüessach" geht mir tatsächlich besser von den Lippen als "Gruezi". Ohne irgendjemandem zu nahe treten zu wollen, gefällt mir das Berner Oberland übrigens schon besser als der Aargau. Ob das allerdings etwas mit der Sprache zu tun hat oder mit den Bergen? Ich weiß es nicht. Bei dem sinnieren und üben fiel mir dann auch schließlich ein, warum es mir so schwerfällt, diese Sprache auch anzuwenden:

Habt Ihr schon einmal gehört, wie albern es klingt, wenn ein Norddeutscher versucht, in Bayern Bayerisch zu sprechen? Oder wenn ein Süddeutscher versucht, die Norddeutsche Breite in die Sprache zu bringen? So ist das mit den Dialekten in Deutschland. Jedem Tierchen sein Plaisierchen. Der Nenner, auf den es im Endeffekt hinausläuft, ist Hochdeutsch. Ein falsch gesprochener Dialekt ist ein schlechter Dialekt. Ganz oder gar nicht.

Der innere Schweinehund heißt also hier "Dialekt". Fremde Dialekte werden in Deutchland gern umgangen, weil sie den "nativen Spiekern" vorbehalten sind. Aber uppsi, Schweizerdeutsch ist eine richtige Sprache. Gut, es gibt keine Grammatikbücher und eigentlich weist in der grunddeutschen Logik alles darauf hin, daß es sich um einen Dialekt handelt. Aber es ist eine Sprache und soll auch als solche behandelt werden. Deswegen ist es sicher ein Gebot der Höflichkeit, wie auch in allen anderen Ländern, Grussformeln zumindest in der Landessprache zu beherrschen. Iccch weerrde aalso üüüben.

Auf wiiederluagen.

Übrigens klingt es total witzig, wenn eine Holländerin, die kein Hochdeutsch, sondern nur Schweizerdeutsch spricht, versucht, einem etwas in Deutsch zu erklären.

Montag, August 07, 2006

Zu Hause

ist es doch am schönsten.

26 Grad und Sonne sind, wenn man grade eine Woche mit durchschnittlich 15 Grad und Regen verbracht hat, eine wahre Wonne. Auch wenn ich jetzt etwas lüge. Zwar wolkte es in der Schweiz gehörig, aber wenn dieses Gewölk einmal aufriss, war es auch dort hübsch warm. Leider passierte das nicht zu oft. Aber so richtig ärgerlich ist das auch nicht. Ich habe mir trotzdem beim Spazieren am Thuner See einen Sonnenbrand gefangen. Das ist doch schon mal was.

Das schlimmste an der Rückkehr aus dem Urlaub ist, dass ich jetzt morgens wieder bügeln muss. Nicht, dass ich im Urlaub meine äussere Erscheinung vernachlässige, aber im Urlaub neige ich doch ein wenig dazu, meine äussere Erscheinung zu vernachlässigen. Neinnein, ich baue keinen körpereigenen Schutzpanzer aus Schmutz und Schweiss gegen aufdringliche Urlaubslandbewohner auf, aber frisch in der Tasche Geknittertes streife ich mir mit frohem Lächeln über. Haarbürsten vergesse ich sowieso immer und - na gut - Spachtel kommt mir eh nicht ins Gesicht. Jetzt heißt es wieder Zugeständnisse machen. Lange Zugeständnisse. An einem T-Shirt plätte ich unmotiviert schon mindestens zehn Minuten herum, um anschließend mit der aktuellen Rundumbügelfalte, aber vordergründig geglättet, in die Bank zu wandern.

Das Servicepersonal im Easyjet trägt glaube ich knitterfrei und scheint sich ununterbrochen im Urlaub zu befinden. Die armen Hascherl. Derjenige, der die Farben grau und orange für die Bekleidung wählte, ist bestimmt mittlerweile irgendwo unauffindbar in der Südsee untergetaucht. Das haben sich die Leute sicher nicht gedacht, als sie den Beruf der Saftschubse ergriffen, dass sie, statt hübsch geschminkt mit Kostümchen den Gästen kleine Dosen mit Tomatensaft anreichen, auf zwanzig Meter Entfernung nicht von einem Mitglied des Flughafenreinigungspersonals zu unterscheiden sind. Keine Goldknöpfe, nur Rundhals-T-shirts in wenig aktueller Müllmannoptik. Tomatensaft trinkt auch keiner. Der scheint nur obligatorisch zu sein, wenn er umsonst ist.

Aber abgesehen von unwichtigen Äußerlichkeiten und der Tatsache, dass das Stewardessenballett und die Ansagen eher hölzern kommen, bin ich ein grosser Fan von Easyjet. Jawohl. Easyjet ist toll! Für das Geld, für welches mich die Deutsche Bundesbahn gerade mal nach Frankfurt bringt (nur Hinfahrt), fliegt mich Easyjet nach Basel und bringt mich auch wieder nach Hause. Mit einer geschickten Buchung kann man schon für fünfzig Euro hin und herfliegen. Das ist noch viel schöner als das schlimme Interrailticket von früher.

Gibt es das eigentlich noch? Nee ne? Heute fährt die Jugend nicht mehr mit modernden Rucksäcken quer durch Europa. Auch getrampt wird gar nicht mehr. Heute nimmt die Jugend Papas Geldbörse und macht sich auf, die ersten Drogen- und Sexerfahrungen auf Ibiza oder in Australien zu sammeln. Hach, früher war doch alles besser.

Nie werden sie das wundervolle Gefühl kennenlernen das sich einstellt, wenn man einsehen muß, dass eine lange Nacht auf dem Rasthof Kassel bevorsteht, weil die Wahrscheinlichkeit mit vorrückender Uhrzeit sinkt, daß sich Menschen ohne kranke Phantasie als Chauffeur zur Verfügung stellen.

Obwohl, kann man auch drauf verzichten.

Freitag, August 04, 2006

Uhrlaup macht dof

Unglaublich. Alter Schwede. Urlaub macht doof. Allein die Vorstellung, sich hinzusetzen, um Geistreiches zu produzieren, löst in mir eigentlich grad ein Gefühl aus wie damals, als ich in der Schule von meiner Deutschlehrerin, Frau Hein, an die Tafel zitiert wurde, um den dort von ihr niedergeschriebenen Satz nach allen Regeln der Grammatikkunst zu zergliedern, zermürben, zerfleischen und zu definieren. Lieber Himmel, was war noch einmal ne Präposition? Ach ja, Adverben gabs ja nur in Latein.

Die ganze Klasse sass kichernd hinter mir. Jeder für sich erleichtert, dass es ihn oder sie nicht getroffen hat. Was eine Präposition ist, habe ich direkt wieder vergessen. Ansonsten bin ich Frau Hein aber heute noch dankbar, dass sie mir, wenn auch etwas autoritär, die deutsche Sprache eingebleut hat. In Gedenken an diese ältere, aufrechte und höchstpreussische Dame, werde ich auch davon absehen, die neuen Rechtschreibregeln zu lernen. Ausser, sie gefallen mir. Wir werden sehen.

Wie bei Frau Hein an der Tafel fühle ich mich nicht nur, weil mein Gehirn grad auf Urlaub ist, sondern auch, sobald ich in der Schweiz ein Geschäft betrete. Ich kann es nicht. Ich kann es wirklich nicht. Ich weiss, dass es sicher höflich wäre , aber ich kriege kein "Gruezie miteinand" über die Lippen. Ich finde es schön, wenn andere es sagen. Und furchtbar, wenn dieses Wort meinen Mund verlässt. Deshalb flüstere ich beim hineinkommen stets verschämt: .....hallo....hmmm und hoffe, dass mir keine Fragen gestellt werden, die ich nicht verstehe.

Die Grussformel beim rausgehen habe ich jetzt doch tatsächlich vergessen. Ich sage genauso verschämt wie beim hineingehen das ....hallo...hm... dann ......schüss.....räusper. Herrjeh. Wie sagt man da noch hier in der Schweiz? Ach, egal. Ich werd es sicher noch wieder zu hören bekommen.

Ansonsten gibt es gar nicht so viel zu berichten. Die Schweiz hat mich so willkommen geheissen, wie man einen Norddeutschen am besten willkommen heisst. Mit durchschnittlich 15 Grad und Regen. Sehr erfrischend nach den schwülen Wochen der letzten Monate. Vielleicht nicht gerade DAS Urlaubswetter, aber ich bin da nicht sehr anspruchsvoll. Immerhin muss ich bei diesem Wetter nicht in der Aare schwimmen und riskieren, wegen der unglaublichen Strömung an irgendwelchen Hauswänden zu zerschellen. Ich gebe zu, ich hatte vor dieser mir angedrohten Freizeitbespassung echt Angst.

Meine letzte grosse Freizeitbespassung in der Schweiz, bei meinem letzten Besuch im Januar, ging auch volle Möhre in die Hose. Die Ankündigung: "Bine, wir gehen jetzt Skifahren", nahm ich ja noch einigermassen stoisch entgegen. Als ich dann mit den Riesenbotten an den Füssen im Lift sass, wurde mir schon ein wenig mulmig, als ich auf die diversen Steilhänge in der überschwebten Piste guckte, wurde mir ein wenig schlecht, und als ich das erste Mal auf Skiern stand, knallte ich hin. Als ich das zweite Mal auf den gleichen Skiern stand, fuhren diese mit mir in einem Affentempo auf einen Abgrund zu, so dass ich lieber hinknallte. Nach 200 Metern im Pflug mit einem wohlmeinenden Freund als Bremser hintendran, war ich bis auf die Unterwäsche durchgeschwitzt, hatte Krämpfe in allen Muskeln der Beine und im Kopf nur noch einen Gedanken: NEIN!

Die erste Kneipe an der Piste war meine, wo ich mir dann erstmal Mittags Schnaps in den Kaffee goss, und dann entschied, dass wandern auch Spass macht. Ich lief also ins Tal. Und was soll ich sagen? Es war wundervoll. Man kann auch mit kleinen Dingen zufrieden sein.

Also, kein Stromschnellengeschwimme für Bine. Hurra.

Was mich übrigens wundert ist, dass es in der Schweiz gar nicht so viele dicke Leute gibt wie Süssigkeitengeschäfte. Sind die nur für Touristen?

Mittwoch, August 02, 2006

Bine goes Schweiz

Wieder einmal habe ich das Flugzeug bestiegen, um allen meinen sonstigen Unregelmässigkeiten zum Trotz in die Schweiz zu fliegen. Egal was in Hamburg alles so auf dem Zettel steht, wenn die kleine Schwester Geburtstag hat, dann hat sie Geburtstag. Und dann wächst in meinem Brustkorb ein fetter Magnet, der mich herzieht.

Und so sitze ich wieder einmal in Thun, blicke aus dem Garten über die Dächer der Stadt auf die Berge, während hinter mir ein Schloss aufragt, welches mit Sicherheit zu dem Märchen mit Rapunzel Pate stand und gerate so langsam in diese spezielle Form von Urlaubsentspannung, die mich dazu veranlasst, den ganzen Tag leicht debil lächelnd in der Gegend umherzuschauen und einfach alles schön zu finden.

Schwer beschäftigt hat mich seit ich herflog die Frage, ob es tatsächlich stimmt, dass die Schweizer die Deutschen eigentlich gar nicht mögen. Hartnäckig habe ich daher bisher jeden Schweizer, der mir vor die Nase kam, direkt darauf angesprochen. "Hey, ich hab gehört, du hast was gegen mich?" Und was soll ich sagen: Nach der ersten Schrecksekunde wurde mir durchgehend versichert, dass ich die vollste Sympathie der jeweiligen Schweizer besitze und mir keine Gedanken machen solle. Da bin ich jetzt aber wirklich beruhigt.

Nur die Schaffnerin aus dem Zug, die im übrigen aussah wie eine Akteurin aus der Augsburger Puppenkiste, guckte mich mit ihren grossen vorstehenden Zähnen und der riesen Knubbelnase verständnislos an und ging dann grusslos weiter.

Etwas ernster nachgefragt war die durchgehende Antwort eigentlich immer: "Die Schweizer mögen die Deutschen nicht? Naja, es gibt in jedem Land Idioten. Die darfst du nicht verallgemeinern."

Eigentlich ist es doch wirklich merkwürdig, einem ganzen Land eine Meinung unterschieben zu wollen. Oder? Ich wette, dass ein Land, würde man es nach seiner Meinung fragen, eher sagen würde: Wah, Leute, die ihre Kühlschränke im Wald verklappen, die kann ich überhaupt nicht ab, und könntet ihr vielleicht mal mit dieser ständigen unnützen Autofahrerei aufhören. Guckt euch doch mal meine Wälder an, die haben schon ganz gespaltene Spitzen. Und müsst ihr überall euren Müll liegen lassen und alles zubetonieren? Ihr dürft euch doch nicht über Überflutungen beschweren, wenn ihr alles kanalisiert, ihr Dussel.

Ja, ich glaube, so etwas würde ein Land sagen wenn man es liesse.

Und jetzt werde ich mich aufmachen und es darauf anlegen, die Schweizer etwas besser zu verstehen. Derzeit verstehe ich nämlich höchstens 20 % auf Anhieb, weitere 10 % durch kombinieren von Zusammenhängen und 70 % gar nicht.