Dienstag, Oktober 31, 2006

Halloween

Was muß ich eben im Radio hören? Heute ist Halloween. Was ist? Halloween? Was ist das? Was muß ich dabei tun? Wäre ich noch ein Kind, wüßte ich es. Genau das gleiche, was ich damals am Neujahrsmorgen tat: Plastiktüten, Kissenbezüge und alle anderen leicht tragbaren Behältnisse schultern und durchs Viertel Süßigkeiten schnorren gehen. Damals hätte ich dies in diesem Umfang auch gern täglich gemacht, aber meine Mutter meinte, das sähe dann doch ein wenig zu sehr nach Bettelei aus. Ich akzeptierte das nach außen zähneknirschend, wohlwissend, daß es in der Straße eine Frau gab, die mir, immer wenn ich dort klingelte, einen Lolli in die Hand drückte. Ich mußte da gar nicht drum bitten, wir verstanden uns wortlos. Also war es auch keine Bettelei. Mein kleines persönliches Halloween. Ich mochte halt Lollis.

Aber was macht man als Erwachsener an diesem Tag? Ich glaube, man kann es in einem kurzen Satz zusammenfassen: Adams-Family spielen und Kürbisse verschimmeln lassen. Klingt einfach. Verschimmeln lassen kann ich gut. Bis gestern hatte ich sogar noch eine bereits etwas obergärige Kürbissuppe in einem meiner legendären Töpfe auf dem Herd stehen. Doch ich habe sie auch schon gestern im Klo versenkt, bevor sie Fell bekommen konnte. Hätte ich das doch bloß nicht getan, dann könnte ich sie jetzt noch ein paar Tage vor die Tür stellen und meine Nachbarn mit meinem kulturellen Zugeständnis erfreuen.

So muß ich mir jetzt etwas anderes einfallen lassen. Grusel ist heut angesagt. Jeder gruselt im Rahmen seiner Möglichkeiten. Da es unschicklich wäre, nur in ein Bettuch gewandet in der Bank zu erscheinen und es zudem nur bedingt gespensterhaft aussähe weil ich nur Spannbettlaken besitze, huldige ich denen, denen heute zu huldigen ist (kann mir mal jemand helfen, ich habe keine Ahnung wer das sein sollte) dergestalt, daß ich mir einfach meine Haare nicht wasche. Fettig sind sie leider noch nicht, stehen aber reizenderweise heute in alle Richtungen ab. Gruselig. Meine Haut gewinnt sowieso schon an herbstlichem Kalkeimercharme, das sieht dann zudem auch noch ganz entzückend leichig aus.

Leider fehlen mir aufgrund des sittsam vor dem DVD-Player verbrachten Abends meine sonst nicht so zimperlichen Augenringe. Doch das darf ich vernachlässigen. Ich werde mir einfach dann und wann intensiv die Äuglein reiben und damit die Wimperntusche auf die Unterseite der Augen befördern. Manchmal lohnt es sich, eine Frau zu sein.

Wenn ich ganz gut drauf bin, spucke ich auch noch ein kleines Stück meines morgendlichen Käsebrötchens auf die Tischplatte, verdrehe dabei die Augen und rede ganz exorzistenlike in fremden Zungen. Soll niemand sagen, ich geb mir keine Mühe.

Und wenn ich Glück habe, schenkt mir jemand einen Lolli.

Sonntag, Oktober 29, 2006

Werd ich alt?

Manchmal merke ich sehr deutlich, daß ich alt werde. Damit meine ich jetzt nicht die Neigung, eher einmal müde zu werden, vorm Fernseher einzuschlafen, oder nach einer durchzechten Nacht auf dem Kiez tatsächlich zwei Tage zu brauchen, um wieder einigermaßen lebenstauglich und kopfschmerzfrei zu sein. Nein, ich merke es daran, daß ich beginne, mich stellvertretend für meine Mitmenschen zu schämen und den deutlichen Wunsch verspüre, hier und dort autoritäre Zurechtweisungen in die Welt zu rufen.

So wie eben in der Bahn. Rechts in der Viererecke neben meiner saß ein jugendliches Etwas. Sehr cool. Dicke Stiefel. AUF dem ihm gegenüberliegenden Sitz. Nachdem ich seiner angesichtig wurde, verengten sich meine Poren ein wenig, ebenso wie meine Augen und ich mußte schwer an mich halten, ihm nicht zu erzählen, daß es mir herzlich leid täte, vorher auf dem Platz gesessen zu haben wo seine Füße jetzt aufhältlich seien und ich meine Schuhe, mit denen ich vorher in einen tüchtigen Hundehaufen getreten wäre, dort abgelegt hätte, wo jetzt sein Hintern sitzt.

Das hätte ich natürlich niemals in echt getan. Ich hätte ihn höchstens in einer etwas unhöflichen Art und Weise angeschnauzt, seine Drecksstiefel gefälligst auf dem Fußboden zu parken, wo sie hingehören. Wenn ich nicht der Meinung gewesen wäre, daß es mich, egal wie es nervt, überhaupt nichts angeht. Ich mußte ja nicht stehen. Ich saß stattdessen da und schämte mich stellvertretend für unsere Jugend.

Vor mir saß eine junge Frau, die neben sich auf dem Sitz zwei Taschen abgestellt hatte. Am Hauptbahnhof füllte sich die Bahn und es war mir schrecklich peinlich, daß diese blöde Tusse nicht auf die Idee kam, ihre Dreckstaschen entweder auf den Boden oder auf den Schoß zu nehmen, um einem anderen Mitfahrer eine Sitzmöglichkeit zu eröffnen. Ich bin sicherlich nicht der höflichste Mensch unter der Sonne. Ich rede auch mal mit vollem Mund, verweigere Smalltalk und sage manchmal üble Dinge wie Drecksmistverdammter oder so, aber ich stehe für ältere Damen in der U-Bahn auf, kratze mir nicht in der Öffentlichkeit im Schritt und rotze nicht auf die Straße. Und ich stelle meine Füße und meine Einkaufstaschen auf den Fußboden, wenn es weniger Sitzplätze als Mitfahrer gibt.

Wenn das so weitergeht, werde ich sicherlich eine dieser blöden Meckerliesen, die ich selbst als Kind und Jugendliche ätzend fand. Diese unentspannten Weiber, die ständig der Meinung waren, sich überall einmischen zu müssen. Die der Meinung waren, Mädchen sollten nicht trampen und sich nicht selbst die Haare schneiden. Und vielleicht einmal kämmen oder adretter anziehen. Wenn meine Mutter etwas schief guckte, wenn ich ihr die Ergebnisse meiner selbst mit der Küchenschere produzierten Eigenfrisierkünste präsentierte, dann durfte sie das. Sie war - nee - ist ja meine Mutter. Aber ansonsten hatten wir die achtziger Jahre. Da sahen doch alle etwas merkwürdig aus. Oder?

Und irgendwelche alten Jungfern hatten mir da gar nichts zu sagen. Wenn ich meine Füße in der Bahn auf den Sitz..... Mist. Seht ihr? Das ist der Grund, warum ich mich derzeit nur schäme und noch nicht mecker. Bis zur gänzlich alten Jungfer habe ich noch mindestens drei Jahre. Hoffe ich. Ich befinde mich sozusagen in einem Borderlinezustand.

Aber wieso schäme ich mich eigentlich für andere Leute. Ich habe viel mehr Grund, mir selbst anständig die Augen aus dem Kopf zu schämen. Für den Zustand, in dem sich mein Auto heute befand, als es abgeholt wurde. Der rote Blitz ist verkauft. Ich bin wieder autolos und habe ein paar Probleme weniger, die da hießen: Karre springt nicht an, Benzinleitung muß entrostet werden, Sicherung springt raus wenn man die Lüftung anmacht und der TÜV ist fällig.

Das Autochen stand jetzt fast drei Monate unangetastet auf dem Parkplatz unter den Linden. Daß er rot ist, konnte man nur noch erahnen unter dem ganzen Dreck. Außerdem ist mir irgendwann eine Dose löslichen Kaffees neben dem Beifahrersitz ausgelaufen und ich habe es nicht rechtzeitig entfernt. Deswegen ist da ein unschöner braunschwarzer klebriger Haufen entstanden, der sich auch nicht mehr so leicht entfernen läßt. Und genau so ist der Wagen heute abgeholt worden. Und ich hab da auch noch Geld für bekommen. Nicht viel, aber immerhin.

Zum Glück konnte ich noch die gelbe Stoffente aus dem Kofferraum entfernen, bevor sich jemand originellen Ideen über meine Vorlieben hingeben konnte. Die Ente gehört der Tochter einer Freundin. Aber das weiß ja der Käufer nicht.

Ach, aber selbst schämen macht nicht halb so viel Spaß. Schämen wir uns lieber wieder für andere.

Besonders schämen kann ich mich für meine Mitmenschen, wenn ich fernsehe. Bei "nur die Liebe zählt" komme ich aus einer latenten Verkrampfung kaum noch heraus. Peinliche schräg gesungene Liebeslieder, tränenzerfurchte Leidensminen mit komm-zurück-Botschaft toppen wirklich jede Nachmittagstalkshow um ein vielfaches. Allein die Vorstellung, daß ich versehentlich irgendwann einmal mit jemandem zu tun bekäme, der glaubt, mir auf diesem Wege die Liebe beweisen zu können, läßt mich prophylaktisch würgen.

Hübsch finde ich dagegen die von Herrn Pflaume organisierten Familienzusammenführungen über tausende von Kilometern. Wiedersehensfreude, gern auch tränenreich, wärmt mein Herz. Trifft meine schon beschriebene Rührseligkeit ins Mark und ich weine völlig schamlos mit.

Aber schluchzende Oberlippenbärte, die ihrer Stufendauerwelle hinterhertrauern, finde ich peinlich.

Ist mir ja auch unangenehm.

Donnerstag, Oktober 26, 2006

Bettgeschichten

Heute ist ein großer Tag. Nicht nur, daß es für diese Jahreszeit außergewöhnlich warm ist, nein, heute wird das dritte organische Wesen in dieser Wohnung ausgemustert. Neben mir und meinem Kühlschrank dürfte sich nämlich auch meine Matratze mittlerweile eines emsigen Eigenlebens erfreuen. Eigentlich mag man da gar nicht drüber nachdenken, was sich da mittlerweile in den fünfzehn Jahren, die ich sie schon beschlafe, angesiedelt hat.

Ich stelle mir das ungefähr so vor wie in dem Buch "Teppichvölker" von Terry Pratchett. An jeder Ecke lebt eine eigene kleine Lebensform, die vom Bergbau an den Federschächten leben und die sich ausgezeichnet auf die nächtlichen Erdbeben eingestellt haben, die dadurch entstehen, daß ich mich auf die Matratze werfe und herumwühle, bis ich die perfekte Einschlafposition gefunden habe. Meine Milben tragen bestimmt Rüstung und Helm. Würde ich ihnen auf alle Fälle zu raten.

Die ultimative Einschlafposition ist gar nicht so leicht zu finden. Zunächst liege ich meist auf dem Rücken. Das macht aber keinen Spaß. Also drehe ich mich auf die Seite und ordne meine Gliedmaßen in etwa so an, wie man es von der stabilen Seitenlage aus den erste-Hilfe-Kursen kennt. Dann wühle ich mich wieder hoch und versuche die gleiche Position auf der linken Körperhälfte. Wieder nichts. Ich beginne also, zwischen all den Kissen und Decken das puschelige Nackenkissen zu suchen, finde es meistens neben dem Bett auf dem Boden, drehe mich wieder nach rechts und habe dabei das Nackenkissen wie einen Teddy im Arm, damit sich mein Kinn darauf stützen kann. Nach etwa einer Minute Einschlafversuch beginne ich, wie irre auf das Kopfkissen einzuschlagen, damit sich dort eine Kuhle bildet und es aufhört, mir den Hals in unnatürlicher Art abzuwinkeln.

Wenn ich es so weit geschafft habe, merke ich, daß irgendwo ein Leck in der Deckenumhüllung ist, wodurch kalte Luft meinen von der Müdigkeit aufgeheizten Leib traktiert. Also beginne ich mit der logistischen Meisterleistung, bei möglichst wenig Bewegung, mittels Fußtritten und leichten Drehbewegungen des Körpers, die Ränder des Deckbettes unter meinen Körper zu stopfen. Und alles für die Katz. Wenn ich morgens aufwache, liege ich meist bettfüllend mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken.

Die Matratze wurde soeben geliefert und von mir bereits mit neuer, frisch duftender Bettwäsche belegt. Am liebsten würde ich mich jetzt hineinkuscheln und schon einmal Probeschlafen.

Leider ist Mittag und ich bin gar nicht müde.

Schade eigentlich.

Mittwoch, Oktober 25, 2006

Das heulen der Stürme

Wenn ich die Frage nach der Herkunft ernsthaft beantworten müßte, würde ich behaupten, ich bin Norddeutsche. Als Schleswig-Holsteiner von Geburt, Niedersachse aus der Jugend und Hamburger in der Gegenwart bin ich laut den jeweiligen Landeshymnen nicht nur sturmfest, erdverwachsen und standhaft in Stürmen, ruhlos schäumend und treu, stattlich und laut dem Hamburg-Song auch vielbegabt, ich bin auch eine blöde Heulsuse. Das steht da aber nirgends drin.

Ich behaupte ja immer, Rührseligkeit ist der Preis für allzu großen Realismus. Ihr dürft prima auf mir herumhacken, böse zu mir sein und und versuchen, mir auf normaler zwischenmenschlicher Ebene eine reinzudrehen. Ich werde allerhöchstens ein wenig gemein in Retour und euch den Rücken kehren, so wie das bei all der Erdverwachsenheit möglich ist, und euch Gelegenheit geben, das Schwein zu sein, welches sich am Baum kratzt. Mich haut doch nix um. Wer ein Mädchen will, soll woanders suchen.

Wenn ich allerdings vor den Fernseher sitze und mich mit amerikanischen Rührstücken füttere, werde ich zwei Tage lang meine zugeschwollenen Augen nicht mehr aufbekommen. Es gibt Filme, da heul ich durch. Entweder kompensiere ich vergangene Stürme, oder ich bin eigentlich doch ein Hormonmonster. An manchen Tagen nimmt meine Rührseligkeit schier überhand, daß ich sogar schluchzend vor der Merci-Werbung hocke weil diese Überdosis an Harmonie (wahrscheinlich eher Hormonie - hö) mich so bewegt.

Es kommt wirklich selten vor, daß ich bei dem Ansehen eines komischen Filmes zum zweiten Mal an den gleichen Stellen lache. Gut, ich gehöre sowieso eher zu den Schmunzlern. Laut lache ich meist über das, worüber man nicht lachen sollte, wenn man zu den Menschen mit dem "richtigen" Humor gehören will. Ich lache also immer, wenn im Film jemand im Fahrstuhl pupst, wenn jemand übel stolpert oder Leslie Nielsen auf dem Flugzeugträger seiner Mütze hinterherstaunt. Aber zeig mir zehn mal hintereinander einen anrührenden Film, ich werde zehn Mal schmelzen.

Natürlich nicht in Gesellschaft. In Gesellschaft wende ich all meine Körperbeherrschung auf, drehe mich zu meiner Couchbegleitung um, zeige mit dem Zeigefinger auf ihn oder sie und grinse höhnisch: "Sach ma, heulst du etwa?"

Fies ne?

Montag, Oktober 23, 2006

Augen auf beim Hosenkauf

Wachsen Jeans eigentlich noch im Gebrauch? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Es kursiert das Gerücht, dass sich diese Allroundhosen um mindestens eine Größe dehnen, sich nach der Wäsche zwar wieder leicht zurückverlaufen, sich wieder dehnen, sich wieder zurückziehen undsoweiterundsofort.

Ob meine Beobachtungen repräsentativ und studientauglich sind, weiß ich nicht. Aber ich behaupte, dass Jeans nicht etwa hinternhältig, sondern einfach nur hinterhältig sind.

Wenn ich nämlich eine Jeanshose kaufe, die im Geschäft genau meiner Passform entspricht, meinem Geschmack entsprechend nicht zu eng sitzt und mir noch Raum bietet, mich zu bewegen, dann kann ich davon ausgehen, dass diese wächst.

Ich könnte ja unter Protest noch damit leben, dass der hintere Bereich ein wenig Beulen schlägt. Ich sehe mich von hinten selten und wenn andere denken "was trägt die denn für eine scheiße sitzende Hose", geht mir das im wahrsten Sinne des Wortes am Arsch vorbei.

Meine Jeans wachsen aber in der Länge. Ich habe die letzte bereits auf die perfekte Länge stutzen lassen und schon wieder trete ich beim laufen ständig mit der Hacke auf den Saum. Dieser Saum wird mit der Zeit unansehnlich, wirklich dreckig, fransig, flusig und ist bei diesem Wetter ständig naß. So laufen doch nur Fünfzehnjährige rum. Eigentlich.

Die einzige Möglichkeit, dem aus dem Weg zu gehen, ist das Tragen von hochhackigen Schuhen. Eine sackförmig sitzende Jeans zu High-Heels? Ich brauche das nicht zwingend. Außerdem habe ich mir diese Hackenlatschen schon länger abgewöhnt. Ich gehöre zur Fraktion "bequeme Schuhe". Bequeme, nicht "vernünftige Schuhe", diese Fraktion unterscheidet sich von den bequemenSchuhen ungefähr so wie die Volksfront Judäas von der judäischen Volksfront.

Ich sehe also oftmals aus, als würden mir ständig dreckige Lappen am Schuh kleben. Nicht sehr erotisch, hm?

Aber zurück zum Wachstum. Wer glaubt, ALLE Jeans wachsen, hat sich geschnitten. Wenn ich nämlich im Geschäft in weiser Voraussicht eine Hose ordere, die für mich unerträglich eng sitzt, weil ich im Vertrauen auf die Natur der Arbeiterhosen annehme, dass sie nach ein paar Tagen angenehm bequem meine Figur umschmeichelt, dann kann ich eigentlich schon mitSicherheit sagen, dass diese Fasern in keinster Weise nachgeben werden. Formbeständig wird sie mir mein Fleisch zusammenpressen. Egal, wie verzweifelt ich auch versuche, sie auszuleiern um wieder einfacher an Sauerstoff zu kommen.

Sie wird sogar noch hinterhältig schrumpfen bei der nächsten Wäsche. Und sie wird sich nicht weiter dehnen. Sie wird mir die Luft abschnüren und die Blutzirkulation stören. Wobei, diese Thrombosestrümpfe sitzen ähnlich eng. Die Hosenbeine werden sich hochziehen und einen Blick auf die von mir peinlicherweise bevorzugten Ringelsocken in abartigen Farben freimachen.

Man könnte jetzt annehmen, dass die Lösung "kauf doch Stretch" lauten könnte. Glaubt mir, ich habe es versucht. Auch hier verhält sich das Drillich nicht so as ik wohl will. Entweder sie sehen aus wie Reithosen oder legen sich in Falten um Hintern und Oberschenkel.

Ich werde jetzt einfach auf Jogginghosen umsteigen. Oder auf Leggins. Meint ihr, man kann irgendwo noch große rosa-weiss-gestreifte Sweater mit Bärchenmotiv vorne drauf kaufen?

Wennschon dennschon.

Meine Waschmaschine

...ist immer noch kaputt. Dafür habe ich jetzt noch so viel Kuchen im Kühlschrank, daß ich mir ohne Probleme im Laufe dieser Woche mindestens zwei Hosengrößen mehr anfressen kann. Außerdem noch zwanzig Rumkugeln. Wirklich unglaublichst süße Rumkugeln. Ein Rumkugelhochgenuß im ersten Moment, gefolgt von dem Wunsch, nie wieder essen zu müssen. Was deutlich gegen die zwei Hosengrößen mehr spricht. Hatte ich schon einmal angedeutet, daß ich gar nicht der große Kuchenesser bin? Doch, hatte ich.

Dankenswerterweise sind diverse liebe Menschen meinem Aufruf zur Kuchenvernichtung gefolgt. Aber dennoch konnte lediglich die Spitze des Eisberges abgetragen werden. Doch das ist egal. Was zählt ist ja immer der Moment. Der Akt des Kuchenbackens war eine helle Freude. Nein, nicht nackt. Nicht meditativ. Das machen wir das nächste Mal. Ohne Fotoapparat.

Diese Backaktion zeichnete sich durch eine etwas alberne Grundstimmung aus, welche man normalerweise nur bei kichernden fünfzehnjährigen Mädchen beobachten kann.

Ausnahmsweise hier nun als entsprechendes Anschauungsmaterial ein Anschauungsmaterial. Um den hohen Standard unseres Hausfrauenhumors nachvollziehen zu können:



Ansonsten haben wir nebenbei über Philosophie diskutiert und Milch getrunken. Sozusagen.

Ihr wollt mehr? Ich will aber nicht Doppelmoppeln. Deswegen klickt hier.

Freitag, Oktober 20, 2006

Backen mit Alkohol

So sei es denn beschlossen und verkündet. Morgen werden im Hause Bine Ofen und Teigbatzen angefeuert, Duft und meditative Erlebnisse zu verbreiten, in denen man sein Leben wiederfindet. Wie seinerzeit in der Sesamstraße bei der Episode: Toastbrot, das war dein Leben.

Warum "Backen mit Alkohol"? Reine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Da ich heute abend lieben Besuch, mit der man nicht "für gut" weggehen kann, bekomme UND auf dem Kiez zum Geburtstag geladen bin, ist die Wahrscheinlichkeit von Restalkohol am morgigen Tag nicht gering. Möglicherweise werden wir uns die Zeit des Backens nebenbei mit einem hübschen Glas Rotwein vertreiben. Oder aber wir kippen das Zeug in den Teig. Das gefällt mir grad am besten.

So schwebt mir vor, frühkindliche Klackermatscherlebnisse mittels des Baues von Rumkugeln wieder lebendig zu machen. Und für die unbedarfte Zeit des Legospiels durch aufeinandergestapelte Butterkekse den Hund zu kühlen. Um die Zeit der Pubertät zu unterstreichen, müßte ich eigentlich etwas backen, was mit Eckes Edelkirsch Creme zu tun hat, auch wenn sich mir bei dem Gedanken der Magendeckel verkrampft. Vielleicht werde ich einfach so tun, als hätte ich damals mehr Baileys getrunken.

Um die Zeit des Heranreifens und sich-findens zu symbolisieren müßte ein Rotweinkuchen her. Je nach Entwicklungsstand fängt ja jeder Mensch zwischen dreissig und vierzig an, über Nacht zum Weinkenner zu mutieren.

Gar nicht lang danach beginnt dann schon die Zeit der Schwarzwälder Kirschtorten. Aber hier werde ich in meinem und eurem Interesse die Finger von lassen. Meine feinmotorischen Fähigkeiten sind in keinster Weise geeignet, eine akkurate Torte zu bauen, sondern beschränken sich darauf, Teigbatzen in Formen zu stopfen.

Deswegen wird diese Zeit hier eher weiblich durch einen Eierlikörkuchen dargestellt.

Aber was machen wir für den Lebensabend? Mir fällt nichts ein. Zur Not werden wir halt einfach einen rappeltrockenen Rührkuchen, einer von der Sorte, nach dem man zwei Stunden staubig ausatmet, bis unter den
Rand in Asbach Uralt oder noch Furchtbarerem, Fernet Menta oder so, tränken. Und dann werden wir den Kuchen feierlich im Garten beerdigen.

Nette Idee, aber ein büschn viel Kuchen für jemanden, der eigentlich kaum Kuchen ißt. Also, helft mir. Am Sonntag wird das, was wir morgen tatsächlich aus dem Ofen ziehen, zum freien Verzehr angeboten. Wer Lust hat, mit uns Kindergeburtstagskaffee zu spielen, ist herzlich eingeladen. Ernsthafte Anfragen nach der Adresse (Mailaddy im Profil) werden beantwortet und hierdurch möglicherweise animierte Stalker seien gleich darauf hingewiesen, daß ich in dem Fach Psychoterror deutlich bessere Noten erzielen würde. Der Spieß würde umgedreht und der Kuchen würde euch im Halse steckenbleiben.

Alsdann. Laßt mich nicht auf dem Gekrümel sitzen.

Prost.

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Bonbon aus Wurst

Wißt ihr noch was ihr werden wolltet als ihr klein wart? Ich muß jetzt wirklich ein wenig überlegen, denn das war nicht wenig. Keine Garantie abgebend für die korrekte Chronologie vermute ich, daß meine erste Vorstellung sicher eine große Tierarztphantasie war. Nee. Falsch. Das kam erst später. Eigentlich wollte ich, glaube ich, Fleischereifachverkäuferin werden. Die korrekte Berufsbezeichnung ging mir damals natürlich total ab. Für mich waren das die Frauen die Wurst verkauften. Und ich stand bei jedem Aufschnittkauf grün vor Neid vor der Theke und starrte begehrlich dieses Metallmonstrum an, mit dem die Damen damals wie heute den Bon an die Wursttüte tackerten.

Herrjeh wollte ich sowas haben. Ich wollte unbedingt auch mit diesem Inbegriff der Macht über Schnitzel und Sülze, diesem Symbol dafür, endlich erwachsen zu sein, Bons an Tüten tackern, einfach so Wurstscheiben an Kinder verteilen und "Schöön´ Tach noch" schmettern. Ja. Das wollte ich. Zum Glück habe ich diesen Wunsch nicht verfolgt. Wir haben nämlich einen solchen Wursttütentacker im Büro für die kleinen Hefterchen, und ich gebe zu, der Spaß ist schnell Ernüchterung gewichen.

Stempeln fand ich auch geil. Bei der Post hätte ich auch gern gearbeitet. Aber das war nur kurz.

Aber dann kam die Nummer mit dem Tierarzt. Das bot sich sozusagen von Haus aus an. Zwar waren wir genetisch nicht tierärztlich vorbelastet, dafür hatten wir immer viel Geviech. In erster Linie Hunde. Mindestens zwei, meistens drei. Und Vögel und Katzen und Meerschweinchen auch. Die aber nur so lange, bis uns schließlich unser letztes, Houdini war sein Name, aus dem Käfig, den wir zusätzlich mit einer großen Glasscheibe gesichert in die Sonne gestellt hatten, flüchtete und verschwand. Nomen est omen. Seit vorsichtig, welche Namen ihr euren Kindern gebt...

Durch die Tiere und dadurch, daß wir alle ein bis zwei Jahre eine Horde Welpen im Haus herumlaufen hatten, war ich damals häufiger beim Tierarzt als beim Kinderarzt. Das prägt. Der Tierarzt hatte einen Beo. Einen dieser unglaublich sprachgewandten Biester, der, wenn die Welpen zu irgendwelchen frühkindlichen Aktionen beim Doc vorstellig waren, deren Gewinsel so täuschend echt nachmachte, daß die Mutterhündin, die mit mir im Wartezimmer bleiben mußte, dieses erst einmal gepflegt auseinandernahm aus Sorge um ihre Brut.

Leider muß ich zugeben, daß ich für den Beruf des Tierarztes in keinster Weise geeignet war. Ich hätte nicht einmal eine Zecke aus dem Fell eines Hundes ziehen können ohne ohnmächtig zu werden. Außerdem taten mir die Biester immer leid. Ich hatte auch nie gern Spritzen bekommen. Und mochte das den Viechern auch nicht zumuten. Und wenn denn tatsächlich mal der schwere Tag kam, an dem wir uns von einem Hund auf nicht ganz natürlichem Weg verabschieden mußten weil er litt, dann wollte ich auch nicht in seiner Haut sein. In der des Tierarztes meine ich.

Also, Tierarzt war nix für mich. Tierärztin auch nicht.

Danach folgten die unausweichlichen depressiven pubertären Phantasien. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, schwebte mir damals vor, Biologin zu werden. Und die Verhaltensweisen von Pinguinen in der Arktis zu erforschen. Ga-ha-hnz allei-schluchz-ne. In einer Forscherhütte im Eis. Ohne Menschen. Viel Landschaft, ein paar Tiere und ich. Gottchen, was tat ich mir damals leid.

Als ich älter wurde, wollte ich unbedingt Journalistin werden. In Deutsch war ich meistens gut. Im Gegensatz zu diesem Landkartenunterricht oder "Werte und Normen". Wah. Also Journalist. Was macht man, wenn man in einer Kleinstadt Journalist werden möchte? Man macht ein Praktikum beim örtlichen Käseblatt. Das tat ich auch und war kuriert. Mein Leben lang über die örtlichen Karnickelzüchtervereinsjahresversammlungen (was für ein Wort) berichten, da stand ich ja gar nicht drauf. Kritik an meinen Texten? Das ging gar nicht. Wenn ich etwas für gut befinde, dann ist das gut. Punkt.

Also wurde ich immer älter und irgendwann kam ich auch an den Punkt, wo ich mir über die tatsächliche Berufswahl gedanken machen mußte. Und was machte ich dummes postpubertierendes Huhn? Ich dachte mir: Hey, alle fragen dich, was du jetzt beruflich machst. Und dann sagt man: Rate mal. Also, mußte ich, um den Spaß für mich in optimiertem Rahmen zu halten, etwas lernen, wo nieeeemals jemand drauf kommt. Und machte das auch. Jugendlichen sollte man verbieten, eigene Entscheidungen zu treffen..

Ich überlegte also, was wohl ein Beruf wäre, den mir niemand zutrauen würde, und begann eine Lehre bei einem Rechtsanwalt. Da lernte ich dann alles mögliche, unter anderem "viel arbeiten für wenig Geld". Da genau diese Qualität bei Banken damals gern genommen war, landete ich da, wo ich jetzt bin. Also, nicht ganz. Ein paar Abteilungen hab ich schon durchlaufen und ich verdiene auch nicht mehr so viel wie bei dem Anwalt, eher mehr, aber diese alberne Jugendsünde hat meinen Weg gezeichnet.

Dabei wollte ich doch eigentlich nur Wurst verkaufen.

Dienstag, Oktober 17, 2006

Sonntagnachmittags

Ich schau ja gern meiner Waschmaschine beim arbeiten zu. Wenn ich grade sonst nichts anderes zu tun habe und auch im Fernsehen nichts läuft, was irgendwie stimulierend auf meine Gehirnzellen wirkt. Und ich bin da eigentlich wirklich nicht anspruchsvoll. Abgesehen von "das Geständnis", so es das immer noch gibt und dieser GZSZ-Scheiße und den ganzen anderen ähnlichen Formaten, laß ich mich von so ziemlich allem gutmütig berieseln, was da so verbrochen wurde.

Aber, wenn der Fernsehschirm nur Testbildqualitäten auswirft, ist in meiner Waschmaschine deutlich mehr los. Man kann die Trommellbilder genießen, indem man sich einfach mit hypnotischem Blick davorsetzt und seine Gedanken meditativ fließen lässt. Am Ende hat man tatsächlich auch noch etwas für seine geistige Gesundheit getan. Meditieren soll ja gesund sein.

Als ich noch jung war und offen für alles, habe ich mich unter anderem dann und wann auch mit dem gruppendynamischen Besuch irgendwelcher Kulturinitiativetreffen erfreut. Diese fanden stets auf einer Burg in Hessen statt und man konnte herrlich destruktiv mit Waldorflehrern über irgendwelchen Unfug diskutieren, sich abends heimlich die Weinflaschen im Kaminzimmer reinzimmern und Meditationsworkshops sprengen.

Nein, das war keine Absicht. Ich wußte damals noch nicht, daß ich zwangsläufig aufsteigende Heiterkeit bekämpfen muß, wenn ich mit einer Horde bunt zusammengewürfelter Menschen mit merkwürdigen Klamotten in Taschenmesserhaltung in einem Raum stehen muß, um dann ganz bewußt einzuatmen, mich dabei aufzurichten, und dann die eingesaugte Luft mittels eines lauten AAA-OOOO-UUUUU-HHH wieder hinauszulassen und dabei wieder wie eine fallengelassene Marionette in mich zusammensinken soll.

Die Vorstellung, ähnliche Übungen anschließend im Wald, wo auch normale Leute spazierengehen, durchzuführen, ließ mich so lachen, daß ich mich von dem entspannenden Effekt immer weiter entfernte, weil ich einen unglaublichen Muskelkater im Bauch bekam.

Da ging ich doch lieber zum Märchenerzählerworkshop, nicht, weil ich mir gerne Märchen ausdenke um diese dann mittels gesamtem Körpereinsatz zu erzählen, sondern weil ein paar frühkindliche Zellen von mir dabei gern zuhören. Irgendwann widerstand ich auch dem Drang, mich auf den Boden zu legen und am Daumen zu lutschen. Alles was einen weiterbringt, ist gut. Jetzt müßte ich mir nur noch abgewöhnen, beim Vorlesen ständig einzuschlafen. Doch mir liest ja keiner mehr vor.

Aber zurück zu meiner Waschmaschine. Wenn die Zeit nicht geeignet ist, um entspannt und apathisch vor der Trommel zu sitzen und sich einfach durch die Eintönigkeit noch mehr beruhigen zu lassen, als man eh schon ist, kann man auch einzelne Kleidungsstücke fokussieren und raten, wann sie das nächste mal vorne an der Glasscheibe auftauchen. Man kann eine rote Socke mit in die Weißwäsche stecken und beobachten, wie sich der gesamte Trommelinhalt langsam aber sicher rosa verfärbt. Was ein Spaß.

So kriegt man einen regnerischen Nachmittag gut rum.

Um einen ähnlichen Effekt zu erzielen und dabei noch mehr Sinne anzusprechen, backe man einen Kuchen. Dann rutsche man auf dem Fußboden einen Meter nach rechts, drehe sich um, und beobachte den Teigbatzen, wie er sich langsam in einen Kuchen verwandelt. Wie er aufgeht, ich bräunt und teuflisch gut riecht. Das hat was von Naturfilmen im Zeitraffer, wenn man beobachten kann, wie eine Pflanze wächst und aufblüht.

Ich werde in nächster Zeit viel Kuchen backen müssen, obwohl ich kaum welchen esse. Meine Waschmaschine ist nämlich kaputt.

Möchtet ihr ein Stück?

Samstag, Oktober 14, 2006

Höhlenbautrieb im Herbst

Ich habe es in den Knochen. Es wird Herbst. Ja, auch draußen. Aber auch hier, drinnen, bei mir. Es kribbelt langsam durch den großen Zeh das Bein hoch und ich gucke interessiert an mir herunter und frage mich, wann dieses Kribbeln auch meinen Kopf erreicht hat.

Ich spüre, es wird Zeit für den Winterschlaf. Es wird Zeit für eine warme und gemütliche Höhle, in die man gerne, sicher und behaglich die dunkle Jahreszeit an sich vorbeiziehen läßt. In dieser Höhe sollten angenehme Farben vorherrschen, es sollte einem das Herz aufgehen, wenn man sie betritt um sich nach dem draußen herrschenden Gewetter aufzuwärmen.

Es sollten nicht in allen Ecken leere Weinflaschen herumstehen, die zwar von geselligen Abenden zeugen, aber am nächsten Tag den Charme eines bis unter den Rand gefüllten Aschenbechers im faden Licht eines bewölkten Morgens verbreiten. Mit entsprechendem Geruch. Es sollten auch nicht alle in den letzten Wochen getragenen Jacken statt auf der Garderobe über sämtliche Eßzimmerstühle gehängt sein. Und die ganzen kleinen Fliegen, die sich stets aus dem Nichts bereits tot auf der Fensterbank materialisieren, die gehören beerdigt. Die lagen da jetzt auch lange genug herum.

Der Berg Altpapier könnte der Abholung zugeführt werden und das Fahrrad wieder von seinem angestammten Platz im Flur in den Keller umziehen. Machen wir uns nichts vor. Benutzen werde ich es dieses Jahr nicht mehr.

Außerdem sollten Tine Wittler und die Maiglöckchen-Ernie bestellt werden und die gesamte Wohnung neu einrichten. Nee, Stopp. Halt. Auftragsstorno. Ich mag es zwar hübsch, aber möchte ich wirklich in einer Musterwohnung von Ikea leben? Mit erbsensuppenfarbenen Streifen an der Wand?

Ich hab das mal probiert. Als ich in diese Wohnung zog. Ohne die Erbsensuppe. Stylish minimalistische Einrichtung im Eßzimmer. Klare Linien und klare Farben. Hei fand ich das schick. Es hielt drei Monate. Bis ich fünf Wochen in Berlin arbeitete und dort in einem ähnlich minimalistisch (aber deutlich langweiliger) eingerichteten Apartement lebte. Wieder zu Hause stand mir der Sinn nach einem Zuhause. Ich wollte leben wo ich wohne. Und das wollte ich auch sehen. Diese klare Ordnung ist ja sowas von hübsch. Und sowas von unpersönlich.

Also, nicht übertreiben mit dem Höhlebautrieb. Aber die leeren Flaschen müssen weg.

Ich muß jetzt schließen. Mein Staubsauger steht neben mir und fordert mich zum Tanz.

Donnerstag, Oktober 12, 2006

Holy Gift

Es wird Weihnachten. Soeben habe ich die feierlichen drei Monate eingeläutet und hocke nun hier vor dem Bildschirm mit einem Schüsselchen voll mit geleegefüllten Lebkuchenherzen. Ich habe Kerzen angezündet und die Heizung läuft. In der Küche wartet ein Paket Dominosteine darauf, eröffnet und verschmaust zu werden. Wenn ich das allerdings heute noch machte, würde mir schlecht. Das spar ich mir also noch auf.

Jetzt fehlt eigentlich nur noch Schnee, die Winterdepression und der Moment, an dem mir - wie immer - einfällt, daß ja - huch - schon wieder Weihnachten ist. So plötzlich. Jedes Jahr kommt es so plötzlich, daß ich an den Tagen vor Heiligabend hektisch durch die Chaoscity renne und versuche mich daran zu erinnern, wem man mit was eine Freude machen könnte. Üblicherweise kaufe ich dann ganz viele Sachen, die mir selbst eine Freude bereiten würden und teile sie dann wahllos auf.

Was? Aufhören mit dem Konsumscheiß? Einfach keine Geschenke mehr machen? Tolle Idee Leute, und was passiert dann? Ich bekomme auch keine mehr. Super. Neenee. Diese Einstellung ist mir zu populär. Von populären Ansichten habe ich noch nie etwas gehalten. Ich bekomme gern etwas geschenkt. Und ich finde es erbaulich, wenn die von mir Beschenkten keine akute Gesichtslähmung bekommen nach dem Auspacken und stammeln: "Oh. Schön. Ähem. Ja wirklich, vielen Dank." Gefolgt von einer weiteren Krampfattacke, die ein Lächeln darstellen soll. Nein, ich mag es, wenn sich von mir Beschenkte freuen. Deswegen gibt es neben den Hauptgeschenken auch immer eine Menge Nutzlosigkeiten, die lediglich der Stimmungsmache dienen. So wie aufziehbare laufende Pillermänner und geschmacklose Tonfiguren für einen Euro.

Ich mag Geschenke. In alle Richtungen. Ich mag auch die viel umnaserümpften Julklaps an Weihnachtsfeiern. Am besten noch Schrottklaps mit lauter Zeugs, was wirklich keiner braucht. Das ist besser als Sperrmüll. Gern erinnere ich mich noch an eine solche Feier, an der ich eine von meinen Eltern erbeutete Vase, welche mit nackerten Frauen, sogenannten Fruchtbarkeitsgöttinnen, verziert war, auf den Markt warf. Hei war das eine Freude. Nach allgemeiner Belustigung war diese Vase hart umkämpft. Ein Symbol für den Gewinner. Und gleichzeitig sowas von scheußlich. Das ergab richtig Sinn.

Besser als im Jahr davor, als der erbittertste Kampf um eine Klobürste in Gansform mit goldenem Schnabel entbrannte. Also wirklich. Sowas will doch keiner wirklich. Ein echter Notnagel äh -bürste. Wobei man natürlich auch hier bei einiger Überlegung die Symbolik findet. Das will ich jetzt aber nicht schreiben, weil mir sowieso schon viel zu viel Fäkalismus nachgesagt wird. Scheiße aber auch.

Wer Geschenke ablehnt, ist in meinen Augen entweder ein fauler Sack oder jemand, der sich sowieso über nix freut. Schön finde ich auch die Ansagen, daß "man doch lieber dann etwas schenkt wenn man möchte, aber sich da von Weihnachten nicht zwingen lassen will". Wenn Ihr so einen Satz schon mal gesagt habt - und rein statistisch haben von euch mindestens die Hälfte schon einmal solch eine cerebrale diarrhoe abgelassen - macht ihr das wirklich? Also wie viele von euch haben tatsächlich schon einmal aus dem Nichts heraus einen lieben Menschen mit einem Geschenk erfreut, weil ihr da grad Lust zu hattet. Na? Mal ehrlich. Das passiert doch wenn überhaupt höchstens so häufig wie Weihnachten. Und dann kann man das auch gleich in feierlicher Stimmung mit viel Wein und gerührten Tränen und Weihnachtsbaum und lecker Essensgeruch im Hintergrund machen.

Bei euch ist das nicht so? Oh. Das tut mir leid. Möchtet ihr mit uns feiern? Ich sag euch aber gleich, daß meine Mutter bei Gesellschaftsspielen, die an Weihnachten auch regelmäßig ausgepackt werden, immer schummelt. Wenn sie nicht schummeln kann, klaut sie den Mitspielern ihr Geld. Ich wollte euch nur warnen. Nicht, daß ihr hinterher heult.

Allerdings, wenn ihr mir vorher schon etwas schenken möchtet, tut euch keinen Zwang an. Falls ihr noch einen Anlaß braucht, ich hab dieses Jahr noch Geburtstag. Wie krieg ich hier bloß die Wunschliste von Amazon hier rein...

Montag, Oktober 09, 2006

Die goldene Mitte

Da Markus reizenderweise nicht nur meine Wohnzimmerlampe aufhängte, sondern mich auch mit einem sagenhaften Counter ausstattete, weiß ich jetzt, wer nach was gegoogled hat, bevor er auf meiner Seite landete. Dankeschön Markus. Und natürlich auch dank an die Leserschar, die sich herverirrt, auch wenn ich einige Erwartungen nicht erfülle weil ich keine Artikel zu bieten habe, die das Thema "Dingsbumserfahrung mit Tieren" behandeln oder so. Aber abgesehen von dem, was sonst so dringend gesucht wird im großen weiten Netz, fällt mir eines auf: Einer der Hauptgooglepunkte ist originellerweise das Wort "Frauenbauch".

Nach diesem Wort wurde in Saudi Arabien ebenso gesucht wie in den Vereinigten Staaten. Vielleicht haben wir hier einen Konsens zum Weltfrieden gefunden. Wenn es schon mit der Religion nicht hinhaut und auch nicht in der Wirtschaft, die Geschmäcker, was die Figuren der Frauen angeht, scheinen ähnlich gelagert zu sein. Lustigerweise in deutscher Sprache. Aber auch wir liegen ja irgendwie immer in der Mitte.

Was schlußfolgern wir daraus? Frau Merkel muß lediglich ihre Garderobe im nächsten Sommer etwas knapper halten, als globales Zugeständnis. Sozusagen.

Und alles wird gut. Die einfachsten Lösungen sind die besten.

Sonntag, Oktober 08, 2006

Am besten lese ich in der U-Bahn

Ich lese viel und gern. Wenn ich in meinem Wohnzimmer lungere, finde ich leider üblicherweise nie die Richtige Haltung auf der Couch, die es zuläßt, mich vollständig von einem Buch gefangennehmen zu lassen. Ich ruckel ein wenig hier an den Kissen, und schüttel ein wenig dort, lege die Beine wechselweise auf die Couch und auf den Wohnzimmertisch, versuche vielleicht den Rattansessel, in dem ich nie sitze, und auf dem ich mich leicht deplaziert fühle, eben weil ich ihn nie benutze, ebenso wie den weissen Cocktailsessel. Auch dieser entbehrt - finde ich - dieser tief hineinrutschenden Gemütlichkeit, die ich beim Lesen gern hab. Also wieder zurück auf die Couch.

Ärgerlicherweise lasse ich mich leicht ablenken. Am ehesten, wenn ich alleine in meiner Wohnung sitze. Ich werde abgelenkt durch die Nachbarn im Haus gegenüber, die machen, daß ich doch bei zunehmender Dunkelheit meine halbwegs bequeme Situation verlasse und das Rollo hinunterlasse. Ich werde abgelenkt durch den Riesenstapel CD`s und DVD`s, weil ich ein zurück-in-die-Hülle-pack-Problem habe. Ich folge also dem Zwang, stehe kurz auf und sortiere diesen Berg zwar nicht korrekt wieder zusammen, doch zumindest einmal auf einen akkuraten Haufen.

Während ich auf dem Boden in dem Multimediastapel hocke, läßt sich mein Blick von den Kerzenhalter auf der Heizung fangen und wandert dann weiter zu dem alten Buffet aus dem Gelsenkirchner Barock (das gibt es wirklich), in welchem die Portweinflasche der Leerung harrt. Dabei bekomme ich einen Anflug von Gemütlichkeitswahn. Schön mit einem Buch herumsitzen, ein Gläschen Portwein trinken - in Kerzenschein - diese Vorstellung bereitet mir ein warmes Gefühl. Gemütlichkeit. Das schwebte mir vor. Also lasse ich mein Buch weiterhin links liegen und suche zunächst einmal die Kerzen.

Oh, in der eben aufgezogenen Schublade liegt mein Taschenofen. Ein ganz tolles Ding auf Basis von Feuerzeugbenzin, der mir in der letzten Saison bei den Pauli-Spielen mit Schnee waagerecht von vorne, schon gute Dienste leistete. Und hey, hier ist ja auch mein altes Handy, dieses blöde Samsung-Teil, bei dem innerhalb von einem Jahr zwei Mal das Display starb. Aber, ich wollte lesen. Ich wollte gemütlich schmökern. Ich habe ein gutes Buch am Start, das macht Spaß. Also, wo sind sie. Diese Hundertertüte Teelichter vom Ikea kann sich ja nicht einfach verstecken. Bei den Ausmaßen.

Ach so, die hatte ich ja in der Küche deponiert. Ich wandere also in die Küche, beseelt von der mir bevorstehenden gemütlichen Glücksseeligkeit, die nur noch getoppt werden kann durch den Geruch von frisch gebackenen Keksen. Mein Glück und Glück für mein Buch, daß ich keine Backutensilien im Haus habe. Ich hätte mich sonst hinreissen lassen. Also, die Kerzen. Ich bin wieder auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer, als mir einfällt, daß ich ja auch gleich ein Glas für den Portwein hätte mitnehmen können. Also wieder die ganze Bowlingbahn zurück. Mein Flur ist mindestens achtzig Meter lang.

Dort angekommen sortiere ich noch schnell den Kaffeebecher von heute morgen und das Glas von vorhin in die Spülemma. Der Herd könnte auch mal wieder geputzt...nein, ich möchte lesen. Der Herd kann warten. Aber vielleicht könnte ich noch schnell den Aschenbecher leeren. Ich laufe also ins Wohnzimmer und hole diesen. Also zurück. Mist, ich habe das Glas stehenlassen. Ein Hirn wie ein Sieb.

So, nun stehe ich wieder im Wohnzimmer. Der Aschenbecher ist leer, das Glas gefüllt, die Kerzen entzündet. Hach wie schön. Ich werfe mich wieder auf die Couch und versuche erneut, die korrekte Position zu finden.

Das Glas steht zu weit weg. Der Aschenbecher auch. Ich ziehe den Wohnzimmertisch näher an die Couch. Das sieht zwar blöde aus, erfüllt aber seinen Zweck. Ich greife mein Buch und aus den Augenwinkeln sehe ich die Fernbedienung des Fernsehers. Ist ja schon kurz nach acht. Hm, ich könnte ja noch kurz gucken was kommt. Irgendwie ist mir die Lust auf das Lesevergnügen vergangen.

Ich zappe also unmotiviert ein wenig durch die Kanäle, gucke wie üblich drei Filme gleichzeitig und wünsche mir einmal mehr den Fernsehsessel zurück, den ich einst in einer Zusammenlebbeziehung als meinen angenommen hatte. Er war groß und unförmig, er konnte schaukeln und er hatte eine herausklappbare Fußstütze. Er war aus irgendeinem unschönen blaugrauen Lederimitat aber man konnte darin versinken. Auf der voluminösen Lehne hatte alles Platz was ich brauchte und er war so bequem, daß ich gar nicht auf die Idee kam, mich ablenken zu lassen.

Ich möchte sowas wieder. Und bis dahin werde ich wohl weiterhin im Bett lesen bis mir die Augen zufallen. Und in der U-Bahn. In der U-Bahn lese ich am besten. Dort lasse ich mich merkwürdigerweise auch durch nichts ablenken. Vielleicht sollte ich mich abends einfach in die U-Bahn fallen lassen und so lange von Endstation zu Endstation zu meiner Station fahren bis das Buch fertig ist.

Gute Idee. Ihr findet mich beim Hamburger Verkehrsverbund.

Freitag, Oktober 06, 2006

Längst vergangene Tage

Ich bin fünfunddreissig. Und das ist gut so. Ich wäre ungern noch einmal jünger. Na gut, dreissig, das würde ich mir grad noch so gefallen lassen. Aber würde das was ändern? Nichts. Also, ich bin gerne wer ich bin und wo ich bin. Wenn man mich wie in der Fielmann-Werbung fragte: Und? Was würdest du anders machen? Mir würde nichts einfallen. Na gut. Vielleicht hätte ich gern einen anderen Beruf gewählt. Vielleicht hätte ich zwischendrin mal heiraten können oder Weltreisen gemacht. Aber eine ernsthafte Frage, die ich mir dann stelle ist: Würde ich mich, wäre mein Leben anders verlaufen, heute auch so sympathisch finden? Wer wäre ich dann? Weiß ich nicht. Ist auch gut so. Es reicht, wenn andere mich für eine blöde Arschmöhre halten. Ich finde mich dann doch lieber nett. So wie heute. War schon alles ganz okay.

Selbstverständlich habe ich mir im Laufe des Lebens die eine oder andere tüchtige Schelle eingefangen, auf die ich in dem Moment hundertprozentig gern verzichtet hätte, aber im Nachhinein ist doch alles meist mal gar nicht so schlimm. Der Spruch "Und in zwei Jahren lachen wir drüber", entbehrt nicht nur einer gewissen Weisheit, sondern entspricht durchaus meiner Erfahrung. Verkneifen sollte man sich den Spruch, wie ich einmal in einem Cartoon sah, jedoch, wenn man Pastor wäre und tröstende Worte für die Witwe finden möchte. Aber ansonsten kann man sich den ziemlich groß über die Haustür pinnen.

Ich muß jetzt schon grinsen, wenn ich daran denke, worüber ich in zwei Jahren alles zu lachen habe.

Wenn ich jedoch versuche, mich an das zu erinnern, was vor zwei Jahren war, bekomme ich ein Problem. Mein Zeitgefühl ist ein außerordentlich schlechtes. Ich bin schon froh, wenn ich mich daran erinnern kann, was ich vor drei Tagen abends gemacht habe. Oder gestern zum Mittag aß. Also, ich erinnere mich durchaus an das Geschehene, ich kann es nur schwer Tagen, Wochen oder gar Jahren zuordnen. Wenn mich eine Erinnerung überrollt, ist es wurscht, wann es sich tatsächlich ereignete. Es war gestern. Höchstens. Eigentlich wäre ich die perfekte Ehefrau. In dem Vergessen von Geburts- und Hochzeitstagen würde ich einem Mann locker den Rang ablaufen.

Mein Gestern ist also mindestens 32 Jahre lang. An das, was vorher war, erinnere ich mich nun wirklich nicht mehr. Schade eigentlich. An meine Geburt könnte ich mich bestimmt ohne neurosenbildende Traumata erinnern. Im Gegensatz zu heute war ich damals nämlich ziemlich klein. So klein, daß meine Mutter nach erfolgreicher Herauspressung meinte: "Das war leicht, das könnte ich gleich noch einmal machen". Ich wachte also gestern mit drei Jahren irgendwann auf und mußte feststellen, daß ich einen großen Bruder hatte der draußen spielte, während ich im Eßsaal des Kindergartens hockte und schmollte, während irgendwelche Nonnen mich mittels eines hartnäckigen "Du bleibst sitzen bis dein Teller leer ist" durch den gesamten Nachmittag geleiteten. Ob das wirklich meine erste Erinnerung ist? Keine Ahnung. Auf alle Fälle bin ich aus der Kirche ausgetreten sobald ich konnte. Dabei war ich nicht einmal katholisch. Im Gegensatz zu den Nonnen. Wundert mich heute noch, daß man mich prostestantisches Wechselbalg dort betreute.

Heute bin ich knapp irgendwas zwischen 1.68 m und 1.71 m (Ich bin irgendwie immer größer, wenn mir ein Mann erzählt, er wäre 1.75 m und ich mich immer wundere, warum ich ihm direkt in die Augen gucken kann. Männer schummeln mit ihrer Körperlänge öfters. Oder ist das nur mein Empfinden?) und zum Glück will niemand mehr, daß ich meinen Teller leeresse.

Worauf ich eigentlich herauswollte, als ich diesen Artikel ansetzte und dann einmal wieder abschweifte, war eigentlich Musik. Im Hintergrund läuft grad Bellmann. "Wir sterben an Liebe und leben vom Wein". Wenn ich Musik höre, die mich bewegt, bewegt sie mich über Jahre hinweg. Es tauchen Erinnerungen aus ganz unterschiedlichen Zeiten auf. Mit allem, was mich zu den jeweiligen Zeiten bewegte. Ein Cocktail der Erinnerungen und Empfindungen. Positiv und negativ. Ein mentaler Geschmack wie zum Beispiel der gestern von meiner lieben Freundin Katrin für mich bereitete Tomaten-Feigen Salat mit Zitronen-Honig-Sauce und Ziegenkäse. Zarte Süße, gepaart mit herbem Geschmack. Ein Gedicht. Alles auf einmal.

So soll Leben sein. Oder?

Donnerstag, Oktober 05, 2006

Haarspaltereien

Als ich gestern früh in der U-Bahn saß und Richtung Innenstadt fuhr, sah ich in den Sitzen eine unserer türkischen Mitbürgerinnen mit Kopftuch. Und war neidisch. Sowas von neidisch. Ich selbst sah aus dem Kopf nämlich wieder einmal aus wie ein schlecht gebügeltes Vogelnest mit ein wenig übergarten Spaghetti hier und ein wenig Watte dort. Direkt nach dem Aufstehen sorgten die Kissenfalten im Gesicht noch für ein harmonisches Gesamtbild, aber diese waren schon der frischen Herbstluft gewichen.

Die Damen, die, gleich aus welchem Grund, morgens ein Tuch um den Kopf schlingen, müssen sich niemals Gedanken darüber machen, ob die Haare am Hinterkopf aufgeschrubbelt und verknotet sind, weil sie sich in etwas hitzigeren Träumen wälzten, sie müssen nicht kritisch am Morgen prüfen, ob die Haare am Ansatz schon nachfetten oder sich im Stirnbereich durch die trockene Heizungsluft verdoppeln, weil splitten. Splissen? Spotz.
Kein ewiges Geschmiere mit irgendwelchen sauteuren Pflegeprodukten, kein hier auffluffen mit der Rundbürste und dort glattziehen.

Wenn mir ein Kopftuch auch nur im mindesten stehen würde, ich hätte es schon längst für mich in Anspruch genommen. Leider stehe ich damit aus wie eine pommersche Gänseliesel. Ich fürchte mich davor, in der Bank deswegen ausgelacht zu werden. An meinen Strohkopf hat man sich dort zum Glück längst gewöhnt.

Und jetzt kommt die größte Ungerechtigkeit: Die Damen, die sich dieser Kopftuchmode befleißigen, haben all diese Überlegungen in keinster Weise nötig. Habt ihr euch schon einmal die Haare eines türkischen Mitbürgers genau angesehen? Ebenso wie die meisten aus dem arabischen Raum stammenden Personen, haben sie dickes, volles, dunkles und glänzendes Haar. Das sieht annährend immer hübsch aus und bedarf in keinster Weise der kritischen Blicke, die ich meiner Haarpracht, die zumeist aussieht, als wäre mein Kopf ein Kissen und der Bewuchs das herausquellende Innenleben, nachdem man den Hund ein wenig zu lange allein gelassen hat, zukommen lasse.

Zum Glück kommt nun der Winter. Anders als dämliche Popleute trage ich Mützen nämlich nur in der kühleren Jahreszeit. Woistdiebloß....meint ihr, ich kann die Pauli-Mütze mit dem Totenkopf vorne drauf in die Bank anziehen? Ja, kann ich. Ich arbeite nämlich mit Insolvenzen. Das passt doch. Und dann singe ich dazu "Und immer immer wieder geht die Sonne auf". Welch freudige Vorstellung.

Ja, ich weiß, wenn ich die Mütze absetze, sehe ich am allerschlimmsten aus. Aber dann kann ich immer noch fröhlich die Kopfbedeckung schwenken und sagen "Ihr wisst ja wie das ist, einmal Mütze, alles platt". Oder "wer sich ziert, der friert". Vielleicht aber auch mit dem Hinweis eines Freundes aufwarten, der irgendwann sehr treffend bemerkte: "Innen gut, außen mit Hut".

Aber was ich niemals aufsetzen werde, ist so ein alberner Fahrradhelm.

Mittwoch, Oktober 04, 2006

In Portugal gibts Graubrot

Es ist vorbei. Leider. Vollbracht und wieder hergebracht. Ein Urlaub wie ein Buch. Ich meine wie ein richtiges Buch, keinen Comic oder so. Ein echtes Buch mit dem Prädikat "Kultur".

Wer jetzt glaubt, ich meine mit "Kultur" die Besichtigung von alten Steinen mit beflissenem und anerkennendem Gemurmel, der irrt. Zumindest zu ungefähr 80 %. Ein paar alte Steine gab es schon zu sehen. Aber sie waren für das Gelingen dieser Woche, die mir vorkommt wie eine Ewigkeit, von geringerer Bedeutung.

Aber folgt mir doch ein wenig in meinen Gedanken zurück. Hier entlang. Von Lissabon etwas südöstlich nach einer der wahnsinnigen Brücken über den Tejo. Ja, genau, kommt weiter. Dies ist das Dörfchen Azeitao. Aber wir fahren noch ein Stück weiter. Die Quinta, wo wir hinmöchten, liegt zwar offiziell dort, aber ein wenig versteckt, oben auf dem Berg. Es sieht nur aus wie ein Feldweg. Er führt tatsächlich irgendwo hin. Hier müssen wir links. Bei der Hausnummer 109. Hättet ihr es übersehen? Das wunderte mich nicht. Es liegt wirklich abseits. Jetzt noch nach dem Tor ungefähr 200 Meter durch die alte Olivenbaumplantage seht ihr vorne die drei zum Anwesen gehörenden Häuser.

Die Hunde? Ja, die hören sich gefährlich an. Die bellen aber immer so. Die tun gar nix. Die tun nur so. Ihr könnt ohne Schwierigkeiten aussteigen. Doch, wirklich. Seht nur, jetzt freuen sie sich. Die große Hündin, sie heißt Malu, zieht, wenn sie sich freut, immer die Mundwinkel nach oben. Das sieht bedrohlich aus. Ja. Aber bei ihr heißt das merkwürdigerweise, daß sie sich freut.

Und da kommt Wanda. Unsere Gastgeberin, die uns so großherzig einlud, die Ferien bei ihr zu verbringen. Ups, ich vergaß, darf ich noch kurz meine Beifahrerin vorstellen: Janina. Sie ist mit Wanda befreundet. Das erscheint auf den ersten Blick ein wenig pittoresk (ein ungehöriges Wort zur Beschreibung von touristischen Sehenswürdigkeiten, aber hier passt es), weil Wanda doch im Alter schon etwas näher an der achtzig als an der siebzig ist, aber Janina und ich sind auch knapp neun Jahre im Alter auseinander, das fällt irgendwann wirklich nicht mehr ins Gewicht. Genauso, wie es fünfundzwanzigjährige gibt, die sozusagen schon mit Hut Auto fahren, gibt es auch fünfundsiebzigjährige mit dem Herz einer Vierzigjährigen.

Wanda kommt uns fröhlich vom Haupthaus her entgegen. Sie humpelt ein wenig, was sie einer etwas unangenehmen Fußoperation zu verdanken hat, ist aber in keinster Weise eine "Oma". Schick gewandet begrüßt sie auch mich mit einer Herzlichkeit, die normalerweise nicht für einen Wildfremden ausgepackt wird. Aber sie ist so. Und Janinas Freunde sind ihre Freunde. Ich hoffe, ich bin dem Vorschußvertrauen gerecht geworden.

Wanda war Doktorin für Anthropologie und ich glaube Archäologie. Sie hat nach Knochen gebuddelt. In Syrien und so. Wenn ihr Glück habt, erzählt sie euch von der Zeit damals. Sie ist Engländerin über Umwege. Die Geschichte ihres Lebens wäre einen ganzen Roman wert. Wanda spricht diverse Sprachen ziemlich perfekt, unter anderem natürlich Portugiesisch, Polnisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Rumänisch. Sicher noch mehr, aber nur die habe ich während des Urlaubs hören können. Na gut. Polnisch nicht, aber da sie dort geboren wurde, setze ich das voraus.

Sie weist uns zwei hübsche Ferienwohnungen zu. Zwei von vieren. Das Haus unten ist gerade an ein englisches Professorenpärchen vermietet, die andere Möglichkeit ist das Haupthaus selbst. Wanda? Oh, Wanda schläft in einem kleinen Apartement unter einer der kleineren Ferienwohnungen. Wegen der Hunde, die immer bei ihr sind und die sonst im Haupthaus nicht nur ihre Haare in den Teppichen hinterlassen, sondern auch die dort stehenden Antiquitäten anfressen würden. Und die Bücher. Die sind so. Die Kanaillen. (O-Ton).

Sagte ich schon, daß wir eingeladen sind? So ungewöhnlich das auch für mich klang, doch. Nicht nur Logis, auch Kost wird uns gewährt. Nein, nicht jedem, sie ist ja nicht Sklavin ihrer Küche, aber uns bekocht sie gern. Und gut. Sehr gut. Und sehr selbstverständlich. Ein Herz wie der Grand Canon die Dame. Die Küche Portugals ist nicht wirklich der Rede wert. Die Küche von Wanda schon. Schneidet mal Bananen in einen Feldsalat mit Vinaigrette. Erstaunlich lecker! Ich helfe ihr im Gegenzug damit, die Hunde zur Schlafenszeit in ihre Kemenate zu befördern, weil diese wie kleine Kinder wenn sie ins Bett müssen renitent werden, und lieber noch ein wenig auf das riesige Grundstück flüchten um ein wenig die Nacht und die weit entfernten Nachbarhunde zu bebellen. Und Gottchen, was man halt sonst so macht als Gast. Selbstverständlich gehen wir ihr auch ein wenig zur Hand, das ist ja selbstverständlich. Aber am allerliebsten ist ihr, wenn wir gemeinsam etwas unternehmen.

Und so fahren wir gemeinsam nach Setubal, nach Obidos, nach Sesimbra, nach Alcadingsbumssera oder wie das heißt. Wir gehen bummeln in der Stadt und über den Markt. Sie weiß, welche Geschäfte nicht nur günstige, sondern auch gute Sachen verkaufen, wir begutachteten Klöster und wandeln in Sesimbra an der Strandpromenade.

Hier fällt mir ein altes Lied von Reinhard Mey ein, der einst sang: "Ich liebe das Ende der Saison". Ja, das tu ich auch. Es sind kaum Touristen unterwegs. Der Strand ist leer. Trotz fast dreissig Grad. Selbst in Sesimbra, wo man in der Saison gerade mal einen Platz für sein Handtuch ergattern kann, indem man andere Leute mit Sand bewirft und vertreibt, herrscht nur ein angenehmer und sehr urban angehauchter Verkehr.

In Setubal müßt ihr aufpassen. Mir ist beim Bummeln ein Gebiss auf den Kopf gefallen. Aus einem oberen Fenster. Ob jetzt ein Kind Omma ärgern wollte und die Zähne ausnahmsweise mal durch das Fenster entsorgte statt in die Toilettenschüssel, bleibt wegen unserer mangelnden Portugiesischkenntnisse auf ewig ein Geheimnis.
Zum Glück haben sich die Zähne nicht an mir festgebissen, sondern sich selbst an mir aus. Deswegen gestikulierten wir auch höflich, versöhnlich und wild, als oben am Fenster das suchende Gesicht einer jungen Frau erschien, und paßten brav auf die Zähne auf, bis sie sie wieder einsammeln konnte. Nee, ihre waren es nicht. Ich hab da extra drauf geachtet.

Das Stück von Portugal, welches wir sahen, ist in groben Zügen schon sehr europäisch. Die Großstädte - ja, natürlich waren wir auch in Lissabon - natürlich mehr, als die Kleinstädte. Kein Wunder. Und es gibt Graubrot. Und Wurst. Diese mir aus anderen Urlauben bekannte Gier nach Schwarzbrot mit Leberwurst bei Rückkehr, blieb aus. Dieses süße Zeug, welches dort natürlich auch geläufig ist, muß zum Glück nicht gegessen werden. Natürlich ist es eine interessante Erfahrung, süßes Brot mit Eiersalat zu essen, aber wie mein Papa mir schon früh auf den Weg gab: Bine, man muß nicht alle Erfahrungen selbst machen. Macht ihr es, wenn ihr wollt. Und berichtet.

Alles in allem ein runder Urlaub, vielleicht stelle ich euch irgendwann noch Seka vor, den Mann, der bei Wanda die Reparaturen am Haus macht, und der seine Frau einen Kuchen für uns backen ließ, weil Wandas Freunde seine Freunde sind, oder Emile, das Neolithikum, welcher hoffte, sich parasitär bei Wanda einnisten zu können, Wanda, die so viel auf Kultur zählt, und der bei einem Klavierkonzert anmerkte: oh, was für schöne Trompeten, oder Jane und Alan, die Professoren aus England, die schon viel zu früh wieder abgereist sind. Und natürlich Reggie. Der englische Millionär, der ein Anwesen auf dem nächsten Berg sein eigen nennt und mit seinen 84 Jahren den dicken Geländewagen auch noch vollständig betrunken nach einem netten Abend mit uns heil den Weg zu seinem Haus steuerte, auf dem ich mit dem kleinen Mietwagen schon Schweißausbrüche bekam vor Angst, bei der kleinsten Unachtsamkeit den Abhang hinunterzurutschen.

Ich ende mit einem Satz von Wanda, die sagte: Du kannst im Urlaub unendlich viele Bauwerke ansehen und unendlich viel Landschaft bewundern. Das, woran du dich erinnerst, sind immer die Menschen, die dir begegnen.

Recht hat sie.