Dienstag, Oktober 30, 2007

Evelyn ist tot

Ich bin traurig.

Evelyn ist nicht mehr. 65 Jahre ist sie nur geworden.

Eine Frau, die mich in einer sehr langen Ära meines Lebens begleitete und sich tief in mein Herz gefressen hat. Noch heute nerve ich mein Umfeld mit stundenlangem rezitieren von Loriot-Sketchen und -filmen. Und natürlich ist sie meistens Teil davon. Niemand konnte so schön wütend sein wie Renate Lohse, so schön verwirrt bei größtmöglichem Kompetenzerhalt wie Margarethe Tietze, niemand sich so herrlich hanseatisch zurückhaltend dem Liebesakt widmend wie Fräulein Renate Dinkel (Sie machen mich ganz verrückt, Herr Melzer).

Frau Hamann war für mich eines der letzten Bollwerke gegen die Internationalisierung des Deutschen Fernsehens. Es ging in ihren Filmen und Serien nie um Mainstream. Nie um Härterschnellerbesser. Es waren einfache und klare kleine Bonmonts, ohne daß Eingeweide irgendwo herumfliegen, ohne dramatische Musik, ohne diesen lauten Humor. Na gut, als sie in "Evelyn und ihre Männer" mit einem Grünrock im Wald liegt und er ihr anhand des Geschmackes eine Hirschlosung nahebringt, fand ich das auch laut ziemlich komisch. Sie perfektionierte ein bestimmtes Frauenbild, welches irgendwo zwischen alten Werten und überzogener Emanzipation mittig feststeckte und sprach damit bestimmt einer ganzen Generation aus der Seele.

Die grande Dame des leisen Humors ist gestorben. Zurück bleiben die Talkshows, die Comedys, die Bohlens, die Supermodels und Geklontes aus der ganzen Welt.

Nu isse weg. Wie sagte Loriot bei Beckmann: "Liebe Evelyn, Dein Timing war immer perfekt, nur heute hast Du die Reihenfolge nicht eingehalten. Na warte".

Ich habe dem kaum etwas hinzuzufügen. Sie hopst jetzt eben wo sie will. Höchstens noch einen Hinweis Für Petrus Halmackenreuther: "Wenn meine Frau aufwacht, nimmt sie gerne einen Tee und etwas Gebäck". Hoffentlich hat er dran gedacht.

Samstag, Oktober 27, 2007

Einzelgedanken, zusammenhanglos

- Wenn man auf dem Weg zum Edeka seines Vertrauens auf den Boden vor den Füßen schaut, einen Käfer erspäht und dann denkt: "Oh ein Igel", darf man sich bestimmt ernsthafte Gedanken über die Beschaffenheit des eigenen Gehirns machen.

- Ist Euch schon mal aufgefallen, daß man inhouse physikalisch ganz anders läuft als draussen? Bestimmt. Aus keinem anderen Grund kauft man sich ja doch das eine oder andere Mal zu enge oder unbequeme Schuhe. Weil sie beim Inhouseschlendern im Laden nämlich noch super passen, draussen aber wadenkrampffördernd Blasen schubbern. Zu Hause kann ich schon wieder richtig gut laufen. Fast tanzen. Fast. Der Weg zum Edeka meines Vertrauens war heute aber mindestens dreissig Kilometer lang. Ich hatte das Gefühl, ich würde schneller vorankommen, wenn ich rückwärts ginge. Also, draussen wieder krückig.

- Wer eine Flasche guten Kirschwassereierlikör im Kühlschrank stehen hat, darf nicht das Wort "Kühlschrank" denken, weil sich dadurch die Flasche von alleine leert.

- Eierlikör sollte in 2-Liter-Flaschen vertrieben werden. Nicht in den albernen 0,7 l-Kinderflaschen.

- Wenn in einem Rezept steht, man solle drei Eßlöffel Erdnussbutter beifügen, dann schmeckt hinterher das Essen so, als hätte man Erdnussbutter warmgemacht und für die Zähne einfach geschmacksneutrale Brocken von irgendwas beigefügt. Oder Erdnüsse.

- Nächstes Mal geh ich in Badelatschen zum Edeka. Die sind mein Freund.

- Alle regen sich über die, zugegebenermaßen auch nicht in meinem bevorzugten Erfahrungshorizont befindlichen Promi-Pilger auf. Aber über sowas motzt noch keiner. Ich finde die Idee sehr schön, daß auf dem Weg Führungskräfte angeblich lernen sollen sich selbst zu führen, während irgendein Hiwi dafür zuständig ist, daß Bigboss abends ein warmes Bettchen gemacht bekommt und sogar dafür, daß er Gesellschaft hat. Ich frag mich jetzt, wie das geht. Ruft Bigboss jeden morgen bei Hiwi an und sagt, wie weit er zu gehen gedenkt, muß er vorher einen Zeitplan ausarbeiten und sich dann dran halten, weil er sonst in die Refugien muss? Kriegt dann der Hiwi Ärger? Das wär ja logisch. Muß er sein Gepäck selbst tragen? Oder muß er es sozusagen als Assessement-Center schaffen, während des Weges ein Team zusammenzustellen, die ihm das Gepäck tragen und wechselweise den Hintern abwischen. Was macht jemanden, der sich auf dem Jakobsweg supporten lassen muss, zu einer besseren Führungskraft? Oh, ein Igel.

- Lustig finde ich auch, daß der Anbieter eine wichtige Führungskraft zu sein scheint. Also zu wollen, äh, scheint, und gleichzeitig so aussieht, als hätte er grad erst die Bundeswehr hinter sich gebracht. Beneidenswert diese Jugend. Natürlich bin ich nur neidisch.

- Bis heute dachte ich immer, "Freelancer" wäre etwas mit Grafik und Computern. Kann man mal sehen. Aber ich dachte ja auch noch bis vor ein paar Jahren, "absorbieren" bedeutet "abstoßen". Es sind ja diese kleinen Unzulänglichkeiten, die liebenswert machen. Nech?

- Ich glaub, ich werfe jetzt meinen Fernseher weg. Nach der englischen Talentsuche, bei welcher dieser Paul Potts, oder wie der hieß, als Tenor eine Arie sang und damit beeindruckte, haben die deutschen Fernsehmacher keine Kosten und Mühen gescheut, auch für "das Supertalent" einen unattraktiven Gutsinger mit Opernanbietionen aufzutreiben. Nur damit es in Deutschland den gleichen Überraschungs(gähn)effekt geben kann. Wie scheiße ist das denn? Macht da bei den Flimmerkisten überhaupt noch jemand was selbst? In Spanien hab ich im Hotelzimmer sogar einen spanischen Stefan Raab gesehen. Da wird einem doch ganz anders. Wir werden in unterschiedlichen Sprachen geklont...

- Aaaargh, auch die Kleine-Mädchen-kann-groß-singen-Nummer kommt jetzt, auch die ist aus England vorbelegt. Dass denen das nicht unangenehm ist. Also Jungs, ich würd mich schämen an eurer Stelle. Ich schalte jetzt um. Ich glaub, es gibt auch noch Scary Movie. Die veräppeln ja wenigstens das Original und kopieren es nicht. Oder ich les den neuen Pratchett.

- Igel sind viel größer als Käfer. Meistens.

Freitag, Oktober 26, 2007

Von der Anfängergruppe in die "alte Herren"

Zunächst vorweg: Iiiiich kaaaaaaann wieder laufen!

Yieeeeha. Zwar noch etwas unrund und Drogen sind auch noch nicht gänzlich vom Speiseplan gestrichen, aber ich komm wieder ohne Krücken zum Klo und lauf nicht mehr wie der Glöckner von Notre Dame. Super. "Mein Camino" darf wohl auch langsam enden.

Apropos Camino und Notre Dame. Falls ihr noch Lust habt auf ein paar Fotos, also, an mir solls nicht liegen. Notre Dame...gehen wir kurz noch einmal zu dem einzigen Regentag zurück. Glöckner, Kamel? Man glaubt ja nicht, was so ein Poncho aus einem Menschen machen kann:









Und hier noch ein kleiner Exkurs in Bines Liebesleben. Nachdem ich Meike meinem Verlobten vorstellte, hat es so sehr zwischen den beiden gefunkt, daß ich ihr zuliebe die Verlobung gelöst habe. Er zieht jetzt in die Schweiz. Ich wünsche beiden nur das beste.

Aber zurück auf den Weg. Ich möchte euch doch gern noch unsere nächste Wandergruppe vorstellen, die uns sozusagen wie gerufen kam. Wie ich schon mal andeutete, flogen zwischen Meike und mir anfänglich durchaus auch mal ein paar Fetzen. Typischer Weiberkram. Jetzt einmal abgesehen von uns zwei Süßen ist wohl allgemein bekannt, daß mit typischem Fetzenweiberkram beschäftigte Weiber dazu neigen, sich sehr intensiv mit der Klärung, der Analyse, dem Übelnehmen und der Definition von Situationen zu beschäftigen, daß sie a) ihrem Umfeld damit ganz schön auf den Sack gehen, b) gar nicht mehr aus diesem Beziehungsohrenkram rauskommen (Das sind diese Momente z.B., wo er sagt: Guten Morgen und sie ihn anbrüllt "Koch deinen Kaffee gefälligst selbst, du Arsch") und c) die Situation in keinster Weise klären, sondern sich in einer Katastrophenspirale immer weiter in den Abgrund drehen. Bis einer heult.

So war das bei Meike und mir natürlich nicht, aber es flogen aus hier nicht näher bezeichneten Gründen die Fetzen. Nein, nicht wegen des Verlobten. Aber wie kommt man aus einer Fetzensituation am besten raus? Indem man sie in eine Ecke stellt und sich erstmal mit Menschen umgibt, die nicht fetzenkompatibel sind, Fetzen noch nicht mal erkennen würden, wenn sie sie sehen, also nichts tun, um die Schraube zu unterstützen. Die "Jungs" waren eine unglaublich hilfreiche, angenehme und lustige Gesellschaft und auch Hilfe auf unserem Weg.

Darf ich vorstellen:



Manfred "ich träum hier immer einen Scheiß zusammen", oder wie ich ihn insgeheim nannte, der Almöhi. Immer vorneweg mit Düsenantrieb und netten Geschichten aus dem Leben.


Ludwig, der Marathonman. Hochleistungssportler, auch mit Düsenantrieb, welcher sich anfänglich jedoch hinter einer Erkältung versteckte. Auskuriert sah man ihn zumeist am Horizont verschwinden.



Jürgen, ein Sonnenschein mit klasse Wortwitz (Gut, wir sind irre. Aber bei normalem Aussehen) und einem schwer vereiterten Zeh, den wir zwischendurch am liebsten irgendwo angebunden hätten um ihn zur Pause zu zwingen. Also Jürgen. Nicht den Zeh. Die wollten sich nicht trennen. Doch solche Mütterlichkeiten kann man sich wohl schenken. Er kam natürlich gut an und ich hoffe, daß es seinem Fuß wieder fabelhaft geht.

Und last, but not least



Jupp "Ich weiß auch nicht warum, Kinder und Hunde kommen ständig zu mir". Mit einer orthopädischen Meisterleistung als Gepäck, der Beharrlichkeit einer Wanderdüne und einem Riesenschalk im Nacken.

Jungs, uns hätte echt nichts besseres passieren können. Das war ne klasse Zeit mit euch. Wie von selbst lösten sich die vorher mit Meike angestoßenen Knoten, wie von selbst hatten wir auf einmal ein gleiches Tempo, wie von selbst war mit einem mal klar was wir wollen und wir hatten völlig unstressig mit einem Mal einfach eine gute Zeit und unglaublich viel Spaß miteinander. Warum? Keine Ahnung. Aber es hat funktioniert.

In diese Zeit fällt übrigens auch der Pfannkuchen, auf den ich ja noch kommen wollte. Meine Wünsche ans Universum verpufften ja zumeist ungehört. Entweder wünsche ich nicht richtig, die falschen Wünsche oder der diensthabende Wunscherfüller ist grad in der Pinkelpause. Bei Meike klappte das dafür umso besser.

Eines morgens beim Frühstück murmelte sie vor sich hin. Hmm, heute hätte ich total Lust, Pfannkuchen zu essen. Gefolgt von resigniertem Seufzen und gemeinschaftlichem Loslatschen.

Gegen Mittag passierten wir eines der weitverbreiteten Kuhscheissedörfer in den Hügeln ("Wer es schafft, heute nicht in Kuhfladen zu treten, hat gewonnen". Es gewann nie jemand. Diese Landminen sind da flächendeckend ausgelegt) . Mit einem mal trat eine kleine Hutzelfrau, die leider nicht fotografiert werden wollte, um die Ecke und trug....geeenau: Einen Teller mit Pfannkuchen und eine Schüttelbuchse mit Zucker.

Das war wirklich kaum zu glauben. Und lecker.

Mittwoch, Oktober 24, 2007

Mobbeltour

Sollte ich übrigens in der Planung für den Jakobsweg solch schnöde weltliche Wünsche wie "Gewichtverlust" irgendwo auf der Prioritätenliste genannt haben, tut mir das leid. ES TUT MIR LAAAHAID, WIR KÖNNEN JETZT AUFHÖREN ZU SPIELEN...

Sollte ich Hoffnungen dahingehend gehegt haben, sind diese in keinster Weise erfüllt worden. Nach zwei Wochen wandern sollte man da wohl nicht allzuviel erwarten. Was? Ihr meint, man kann doch nicht gute 350 km mit allen Umwegen durch Spanien latschen und dabei kein Kilo verlieren? Das meinte ich auch. Geht aber. Eigentlich bin ich sogar gewachsen. Neue Muskulatur schiebt das vorhandene Fettgebimsel hübsch in die äußeren Regionen. Und weil ich jetzt ja fröhlich auf Krücken unterwegs bin, ist ein Halten der Muskulatur, auf dass sie zukünftig tüchtig verbrenne, auch fürn Arsch.

Diesen hier nämlich:


Eigentlich wollten wir den täglich fotografieren und dann ein Daumenkino daraus basteln. Zum Glück haben wir das nicht gemacht. Sonst würde ich jetzt nämlich zusätzlich zu den ganzen Diclos, die ich in mich reinschaufel, auch noch Antidepressiva benötigen.

Auf dem Weg aus Leon raus haben Meike und ich also die korrekte Überschrift für unsere kleine Wanderung bereits gesehen:



Naja, ich bin in dick zum Glück auch toll.

Apropos "toll": Gestern hatte ich die seltene Gelegenheit, im morgendlichen Achtuhrflieger von Hamburg nach Frankfurt sitzen zu dürfen. Alter Schwede, da ist ja vielleicht eine heilige Schlipsstimmung drin. Manman. Alle wichtig, alle am Laptoppen was das Zeug hält, alle stylisch...und ich dazwischen mit Krücken, Jeans und Terry Pratchett. Ich kam mir vor wie ein Türkeiurlauber, der sich verlaufen hat.

Achtuhrfrankfurtflieger bestellen sich übrigens auch keinen Tomatensaft, sondern einen Kaffee und ein "stilles Wasser". Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wieso mich dieses "stille Wasser" so amüsiert. Aber ich bin schon wieder am kichern. Ich glaube, außer öffentlich häkeln gibt es kaum etwas unmännlicheres, als "stilles Wasser" bestellen.

Falls ich jetzt jemandem auf den Schlips trat, der kann mich auch mal. Siehe oben.

Montag, Oktober 22, 2007

Schön was?

Meistens habe ich beim wandern schon den Blick auf die zwei Quadrameter vor meinen Füßen geheftet. Ist nämlich ziemlich steinig da unten in Spanien. Und ich wollte ungern umknicken oder irgendwo runterfallen. Dass man sich den Fuß auch durch bloßen Gebrauch ruinieren kann, hätte ich da noch nicht erwartet. Doch zurück zum Blick: Manchmal zwischendurch, wenn ich die Augenlider anlüpfte, zum Glück doch recht oft, hätte ich mich auf der Stelle hinsetzen und nur noch mit offenem Mund staunen können. Hier ein paar Beispiele.












Samstag, Oktober 20, 2007

Anker in den Bergen

Wie schnell einen die Zivilisation und das normale Leben doch wieder einholt. In meiner Wohnung stehen überall leere Bierdosen und Esspappen vom Chinamann. Wann sind die denn gewachsen?
Ich hab gut und lange geschlafen und sitze jetzt - wie an einem ganz normalen Samstag auch - kaffeetrinkenderweise vorm PC.

Ein Anker. Ich brauche einen Anker, damit sich der Jakobsweg nicht allzu schnell wieder verflüchtigt. Mit einem Mal ist alles wieder normal und man denkt nur noch beiläufig an einen reizenden Wanderurlaub? Naja gut, so eilig ist das noch gar nicht. Diese sympatisch schrullige Eigenart, an Krücken zu laufen, habe ich mir ja auch von dort mitgebracht. Und so wie es sich anfühlt, werde ich das wohl auch noch ein paar Tage durchziehen.

Und für den Fall, dass mich der Alltag irgendwann einholt, habe ich mir ein paar Kacheln mitgebracht, auf denen die Richtungspfeile und die Richtungsmuschel zu sehen sind. Wie ich schon mal schrieb, wer ein solches Symbol auf dem Weg vor sich sieht, der weiss, dass er auf dem richtigen Weg ist, dass er sich nicht verlaufen hat, dass er nicht verlorenging. Ich halte dieses Gefühl für ein außergewöhnlich beruhigendes und werde das auch gerne weiter haben, wenn ich die kleinen Kachelchen anschau.

Die Schmetterlinge, die Hape als typisch für den richtigen Weg (stimmt übrigens) sieht, sind mir im Gepäck nämlich alle zerbröselt.

Nein liebe Kinder, ich habe mir natürlich keine Schmetterlinge aus Spanien mitgebracht. Die sind ja nicht sehr handzahm die Biester. Realistischer wäre die Mitnahme von Wanzen oder Flöhen gewesen. Hier sehen wir zum Beispiel Meike auf einem Bett, welches sie zu der Zeit bereits ohne ihr Wissen mit Wanzen teilte:


So sah ihr Bein zumindest hinterher aus. Ein wenig gepunktet. Und Mitschläfer hatten am nächsten Morgen ähnliche Muster vorzuweisen. Ich hatte Glück und blieb verschont. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt auch schon genug damit zu tun, daß ich an allen Ecken kaputtging. Das wär gemein gewesen, mich auch noch mit Wanzen zu überziehen.

Da denkt man doch direkt an Tucholsky:

Ich geh mit meinen Wanzen schlafen,
rotbraun und platt.
Quartiert bin ich bei einem Grafen,
der viele hat.

Des Nachts, wenn alle Sterne funkeln,
dann ziehen still
die fleißigen Scharen hin im Dunkeln
wie Gott es will.

Sie kommen aus den schmalen Ritzen,
aus dem Parkett;
die feinern aber fastend sitzen
des Tags im Bett.

Sie pieken mich. Es schwillt zu riesigen
Fleischklümpchen an, was sie gepackt;
das macht die Beißekunst der Hiesigen -
die sind exakt.

Sie pieken mich. Es juckt. Zum Glück
ist morgen alles wieder rein.
Und wenn ich eine sanft zerdrücke,
gedenk ich dein.


Reizend nicht? Wie auch immer. Wir hörten dann und wann von Problemen mit derlei Tierchen. Die Alberguen wurden dann auch geschlossen und gereinigt wenn es bekannt wurde. Vielleicht nicht jede, aber wir hörten von welchen. Ansonsten muß ich jetzt mal eine Lanze brechen. Wir hatten eigentlich am Anfang des Urlaubs vor, auch eher Hostels und Pensionen zu nutzen, weil überall so furchtbare Geschichten über die Refugien kursieren. Und wir haben uns umentschlossen. Einzwei Luxushoteltage haben wir uns gegönnt, aber ansonsten waren wir mit der Herde im Stall.

Die meisten Refugien in denen wir waren, waren angenehm. Nicht hygienisch rein, nicht luxuriös, aber guter Jugendherbergsstandard, manchmal weit drüberliegend, manchmal leicht drunter. So richtige Kotznächte hatten wir nicht. Natürlich gab es auch mal Refugien, in denen man - meist überraschenderweise - sein Klopapier selbst mitbringen musste, und auch welche, in denen eine schöne, große saubere Küche vorhanden war, in deren Schränken allerdings gar nix lag. Kein Geschirr, kein Besteck, keine Töpfe. Das hätte wohl die Ordnung gestört und die Pilger zum kochen gereizt. Gehtjanicht.

Aber all das war gut zu ertragen. Auch die Schnarcherei des Nachts. Oropax ist toll und wenn man aus Notwehr selbst beginnt zu schnarchen, wie ich es tat wie man mir sagte, schläft man gut durch. Vom eigenen schnarchen wacht man ja nicht auf. Knickknack, weissbescheid?

Apropos knickknack...da kann einem schon ganz schön das Adrenalin hinter die Ohren schießen, wenn man in einem unteren Stockbett liegt, welches knarrt wie ein Seelenverkäufer kurz vorm sinken, über einem im Bett liegt ein nahezu zwei Meter großer Norbert, und dann sieht man, daß diverse Lattenrostbretter unter seinem Po schon längst von anderen Pilgern durchgebrochen wurden. Wenn man dann morgens gesund und munter auffwacht, rückt man gleich ein wenig näher an den Glauben ran.

So, und jetzt noch ein paar Fotos von den nächsten Tagen. Langsam sieht man schon, daß sich die langweilige Landschaft etwas sanfter hügeliger gestaltete. Und spätestens nach dem Cruz de Ferro war es so unsagbar schön, dass mir immer noch der Atem stockt wenn ich nur die Bilder sehe. Ich fang erstmal an:



Mit Schneewittchen vor den sieben Bergen. Ohne Zwerge.

Überall am ganzen Weg finden sich Trinkwasserbrunnen. Gut, nicht überall, aber in ausreichender Menge. Wer auf dem Weg austrocknet, ist ein Depp.


Das Ziel am Tag Nr. 3. Kurz vorm Cruz de Ferro, zu dem es von Foncebadon nur noch eine knappe halbe Stunde Aufstieg sind. Wir gingen zum Sonnenaufgang. Hier ein erster Eindruck, mehr dann in einem nächsten Artikel.

Freitag, Oktober 19, 2007

Darf ich vorstellen...Tag 1 und 2

Darf ich zunächst einmal vorstellen: Mein neuer Freund. Er lebt in Leon, aber sobald er kann, wird er nach Deutschland kommen und wir werden heiraten.


Da er mich leider nicht begleiten konnte, gingen Meike und ich erst alleine weiter. Ungefähr acht Kilometer. Dann bildete sich bereits unsere Anfängergruppe. Die beste Anfängergruppe, die man sich vorstellen kann. Wir trafen uns beim Apfelklau und zogen und schoben uns ab dort, kurz nach Leon, gegenseitig bis Astorga, wo wir uns leider wieder lassen mussten. "Eine gute Zeit und Nudelsalat" könnte man sagen, würde man mit Nicolson reden. Gute Gespräche, viel Spass, das finden eines Tritts und - für mich sehr wichtig - das gegenseitige kompensieren des Gefühles, "neu" zu sein. "Neu" in eine Klasse zu kommen. In eine Klasse, die bereits seit 500 KM zusammen läuft. Mädels, das war klasse.

Hier nun also Martha, welcher hoffentlich bereits Füße nachgewachsen sind. Auf dem Bild mal als Zenzi.



Dann die Frau, bei derem Anblick ich sofort an Gitte Haenning in jünger denken musste. Zum einen wegen der Haare und wegen der sehr ähnlichen Gesichtszüge, und zum anderen wegen der herzlichen fröhlichen Art. Darf ich vorstellen, Christine:



Und natürlich, last, but not least, für diejenigen, die sie noch nicht kennen, hier mein liebes Schwesterlein. Auch ein Foto aus der Anfängergruppe. Da sie ein bevorzugtes Motiv war von mir, taucht sie sicher später noch diverse Male auf:



Und natürlich nicht zu vergessen, Schneewittchen, wie sie auf unseren letzten Schritten als Beginner kurz vor Astorga manifestierte.



Mit der Tüte voll von Äpfeln, wie es sich gehört.

Hier nun noch ein paar Impressionen vom Weg. Der zweite Tag war übrigens der einzige, an dem es während der ganzen Zeit geregnet hat.


Ein typischer Kirchturm in Spanien. Genauer gesagt in Villar de Mazarife. Störche hats da ne Menge. Allerdings war "Sex auf dem Jakobsweg" nicht unser Thema, deswegen konnten sie uns nichts anhaben.



Das ist ein typischer Wegweiser. Wer einen solchen Stein vor sich sieht, ist nicht verlorengegangen.



Hier Meikes Nieselregenausrüstung. Topaktuell und leicht in der Handhabung.



Hier die gleiche Meike mit einem neuen Freund, der am Wegesrand stand. Dieses Mal gekleidet in die hochaktuelle Kameloptik. Das Wetter hat uns übrigens ziemlich gepfoppt an dem Tag. Erst regnete es. Ein wenig. Wir ignorierten das Wasser von oben. Dann wurde es mehr. Wir pfriemelten die Ponchos heraus, kleideten uns umständlich an, und - zack - hörte es auf zu regnen. Wir kleideten uns umständlich wieder aus.... und - zack - fing es wieder an. Undsoweiterundsofort. Wir hätten den ganzen Tag mit be- und entkleiden zubringen können. Und im Grunde war es völlig schippe, ob wir die Regenkleidung trugen. Gut, der Rucksack blieb trocken. Das war wichtig. Aber wir selbst haben in der Klamotte so dermaßen geschwitzt, daß es drinnen nasser war als draussen.

Nächstes Mal gibts einfach nur eine Rucksackhülle und einen Regenhut. Auf der Wanderung gab es jetzt kein zweites Mal. Das Wetter blieb uns ab dort gewogen.



Kreuze sind auf dem Weg keine Seltenheit.



Ortschaften manchmal schon eher. Diese hier war wirklich schön. Hospital d Orbigo. Oder so. Da ich keinen Reiseführer besitze, habe ich bislang glaube ich jeden Ortsnamen falsch geschrieben. Aber wurst. Grob werde ihr das auf einer Karte finden können. Betrachtet es einfach als Herausforderung.




Hier nun die landschaftliche Entsprechung von Zilles "Jejend, nüscht wie Jejend". Wenn ihr genau hinschaut, seht ihr am Horizont schon die Hügelchen, über die wir noch klettern mussten. Dazu dann aber später.


Kurz vor Astorga. Ziel erreicht, Versetzung nicht gefährdet. Danke, Mädels, war klasse.

Donnerstag, Oktober 18, 2007

Positiv denken!

Als ich heulend in der Kirche saß, habe ich natürlich nach alter Manier versucht, mich mittels neutraler oder wenig melancholischer Gedanken von der Heulerei abzubringen. Das hat leider nicht geklappt, weil der Wasserhahn hinter den Augen ausnahmsweise nicht gedankensteuerbar war. Allerdings mußte ich bei zwei Gelegenheiten trotz des Geflennes zusätzlich kräftig lachen. Nämlich, als ich zum einen anfing, mir die Messe, von der ich ja kein Wort verstand (spanisch, nech?), simultan übersetzte mit: "Und dann nehmen sie zwei Eier und schlagen diese mit etwas Butter schaumig", und zum anderen, als ich mir vorstellte, wie ich nach der Messe vor der Kathedrale meine Krücken von mir werfe und brülle "Ich kann wieder sehen!"

Ja, da mußte ich wirklich lachen. Positiv denken hilft. Wünsche ans Universum halfen bei mir nämlich nur bedingt. Eigentlich nur ein Mal. Als ich nämlich morgens in der Albergue saß und verschlafen vor mich hinmurmelte: Ich wünschte, ich wüßte, wo mein zweiter Socken ist.
Und zack lag er da. Superwunsch.

Ich bin übrigens auch wieder da. Das Laufen geht noch nicht so ganz gut, ich lahme noch, und sollte ich wider Erwarten abgenommen haben, was ich gar nicht glaube, ich habe jetzt nämlich Waden wie ein Brauereipferd, von den Oberschenkeln mal gar nicht zu reden, wird das ganze in den nächsten vier Tagen wieder zur Erledigung kommen, weil ein lieber Geist vor meiner Haustür einen Riesenkarton Süßigkeiten und Pferdesalbe abgestellt hat.

Wie passend.

Dienstag, Oktober 16, 2007

Santiago

Nun sind wir in Santiago. Naja, "nun" ist ein wenig falsch ausgedrueckt. Eigentlich sind wir bereits seit Sonntag mittag hier. Und Binschn latscht jetzt an Kruecken von wegen der Schonung. Knapp 60 Kilometer mit einer ansteigenden Entzuendung im Fuss laufen, ist nicht unbedingt gesundheitsfoerdernd, aber mit Apothekendrogen bis unter die Augen durchaus machbar.

Natuerlich habe ich jeden morgen mit dem Gedanken gespielt, den Bus zu nehmen. Auch am Sonntag frueh haderte ich, ob ich die letzten 24 Kilometer fahre. Aber ich gehe doch nicht 300 Kilometer durch Spanien um dann die letzten Meter den Bus zu nehmen. Das ging nicht. Und der Fuss sah das auch ein und liess sich einlaufen. Er durfte keine Pause machen, weil er schlecht wieder ausm Quark kam, aber er hat mitgespielt. Und ich bin den ganzen Weg gelaufen.

Natuerlich ist er jetzt ein wenig boese mit mir und hat ziemlich klare Ideen geaeussert, was das wandern nach Finistera angeht. Eine selbsterzwungene Pause? Vielleicht aber auch die letzte Moeglichkeit des Koerpers, dem Weg entsprechend mal ein wenig langsamer zu machen und tatsaechlich auch die Anstrengung wirken zu lassen. Sowohl die koerperliche, als auch die mentale. Mental hatte ich wohl vordergruendig zu viel Spass.

Der gesamte Weg war ein Heidenspass. Egal ob religioes oder nicht. Einzelheiten folgen, aber wie bereits gesagt, ich kann hier nur situativ.

Also, ein religioeser Heidenspass? Egal wie. Ich wuerde sagen, dass ich grundsaetzlich schon im Normalleben sehr viel Spass habe. In den letzten zwei Wochen habe ich dennoch so viel lachen muessen wie schon lange nicht mehr. Und die logische Quittung dafuer bekam ich dann gestern in der Pilgermesse. Als wir in der Messe in dieser riesigen Kathedrale sassen mit tausend anderen Leuten, von denen mir eine grosse Zahl vom Weg her vertraut waren, war es, als drueckten mit einmal all die Gefuehle aller Anwesenden, die Freude, hier zu sein, der Stolz, es geschafft zu haben, die Dankbarkeit fuer all die Hilfsbereitschaft und Offenheit, die uns auf dem gesamten Weg begleitet hat, auch Trauer und Schmerzen und Sehnsucht auf mich runter und gleichzeitig fiel auf mir drueckendes runter oder ging in diesem emotionalen Gemisch auf.

Und ich habe die ganze Messe lang geweint. Ich konnte ueberhaupt nichts dagegen tun. Es ging ein Hahn auf und es lief und lief und lief. Schaetze, das musste sein.

Als Zwischenfazit, jetzt, wo ich noch zwei Tage lang Krueckentourist in Santiago spiele bleibt festzuhalten, dass die Idee, den Jakobsweg zu laufen, eine gaenzlich phantastische war. Meike und ich haben irgendwelche altschwesterlichen Bruecken gebrochen und uns, nachdem wir uns durchaus am Anfang quer durch irgendwelche Ortschaften anbruellten, wie von allein neu angenaehert und sind jetzt ein prima Team ohne falsche Beziehungsohren.

Und ein weiteres Zwischenfazit ist, dass gleich schon wieder die gemietete Zeit im Internetcafe vorbei ist und ich ausserdem in zehn Minuten mit Herdenteilen verabredet bin. Sobald ich die Bilder runterladen kann, naemlich zu Hause, stell ich euch alle mal vor.

Alsdann. Buen Camino. Das war eine schoene Zeit. Pilgern macht Laune.

Montag, Oktober 08, 2007

Bergab ist scheisse

Hallo miteinander. Wieder einmal ein kurzer Zwischenbericht. Ich werde hinterher noch einiges nachlegen, zum Beispiel das Cruz de Ferro, welches wirklich zauberhaft war und wo ich fuer so viele gute Wuensche und Steine niederlegte. Aber derzeit kann ich einfach nur situativ.

Hinter mir im gleichen Raum sitzen sieben weitere Leute und hauen sich den Rotwein ins Turmzimmer. Auf den Scheitelpunkt. Auf dass die hoechste Hoehe geschafft ist. Meike und ich haben uns auf 1330 m den Djerbas gegoennt. Und uns dann an den Abstieg gewagt. Alter Schwede.

Wenn ich vorher schon dachte, der Aufstieg nach La Faba war schlimm. Und er war schlimm. Und der weitere Aufstieg nach O Cerebreiro waere noch schlimmer. War er nicht, habe ich einfach mal wieder nicht mit dem Abstieg gerechnet. Es war die Hoelle. Hoellehoellehoelle. Ich haette alles versprochen, alles zugesagt, alles verschenkt, fuer ein wenig bergauf laufen. 700 Meter in kurzer Zeit runter. Wah!

In La Faba haben wir uns spaetestens unsere derzeitige Reisegruppe gefangen. Die alten Herren haben wir nach Meikes Niederschlag zufaellig wiedergetroffen und wieder adoptiert. Hinzu kommen "Die hilfreichen Zwo", ein Moench (uebrigens: auch Moenche koennen Arschloecher sein....wenn sie oben weinselig aus dem Fenster haengen waehrend man grad fertig as best ankommt und grinsen: na, welchen Bus habt ihr denn genommen?) und ein Arzt. Wenn irgendwas schiefgeht, kann er uns immer noch in Narkose versetzen.

Vorhin mit deutlich viel weniger Wein im Kopf fiel mir auch noch viel mehr ein was ich schreiben wollte, aber ich schaetze, die Feinheiten muessen warten bis zu meiner Rueckkehr.

Wenn wir so weiterrennen, werden wir uebrigens schon am Samstag in Santiago ankommen und werden dann noch nach Finisterra weiterlatschen. Dort wird Meike ihre Schuhe verbrennen. Ich freu mich drauf.

Bis dahin "lui nooooo", oder was immer unsere Herbergsmutter im Hintergrund versucht uns zu erklaeren.

Ich sag einfach mal "Prost" und gehe zurueck an den Wein.

Boerps. Uebrigens. Drei Blasen derzeit. Ich hab Meike den dicken Fuss gegeben. Apropos, erinnert mich an das Stichwort "Pfannkuchen". Das ist wichtig und lustig.

Zum Wohl.

Samstag, Oktober 06, 2007

Zwischenbericht. Eher muede

Astorga war wirklich der Hammer. Regen, kalt und abends, nach dem Pilgermenue bin ich stumpf ins Bett gekippt. Uebel war mir auch. Und die Albergue war zwar insgesamt reizend, hatte auch eine Waschmaschine, eine Kueche und einen Trockner, aber die Betten waren irgendwie ein wenig ueberladen. Wenn ihr alte Jugendherbergserinnerungen mal walten lasst, hattet ihr moeglicherweise in einem Raum von fuenfzehn Quadratmetern vier Stockbetten. In dieser Albergue gab es auf diese Quadratmeterzahl ungefaehr hundert. Fast jeder Zentimeter war mit Bett ausgefuellt. Kaum Platz fuer den Rucksack geschweige denn einen Fuss.

Wenn man einigermassen ueberanstrengt in ein solches Zimmer kommt und sich zudem noch jedes Mal, wenn man sich aufsetzt, den Kopf an dem Lattenrost von oben stoesst, ist das nicht sehr erholsam. Aber es ging. Am naechsten Tag konnte ich weiter.

Heute hat es Meike erwischt. In der Zwischenzeit sind ja ein paar Tage vergangen. Wir sind jetzt in Villafranca angekommen.

Fangen wir aber wieder in Astorga an. Immer schoen in der Reihenfolge bleiben. Am morgen, nachdem ich zum Gluck (danke Michi, der Fuss wirkt) erholt und ausgeschlafen war, wanderten wir, leider ohne Christine und Martha, die mit uns die Anfaengergruppe gebildet haben, weiter. Martha hatte unglaublich wehe Fuesse und die Zeit, die da noch zur Verfuegung stand, ist kuerzer als die, die wir noch haben. Also fuhren die beiden mit dem Bus ein Stueck.

Jetzt muss ich doch noch einmal ein wenig in die Vergangenheit ausholen. Auf dem Weg gibt es eine Person, die wir schon oefter sahen, und immer etwas merkwuerdig fanden. Zunaechst hiess sie "die Fitnesstrainerin", spaeter dann "Schneewittchen" und jetzt "Roxane". Wenn ich irgendwann die Moeglichkeit habe, hier Bilder einzustellen, werde ich mal zuordnen. Roxane heisst sie angeblich wirklich. Angeblich? Naja, ich bin mir nicht so ganz sicher, wie echt die Frau ist. Im uebertragenen wie im direkten Sinne.

Roxane ist ungefaehr 1.60 m gross, hat langes schwarzes Haar, ist immer perfekt geschminkt, laeuft in ziemlich billigen Turnschuhen und materialisiert sich immer direkt vor einem, wenn man sie mindestens achtzig Kilometer hinter einem vermutet. Wie kann die bloss so schnell sein? Ich weiss es bis jetzt nicht. Und sie laeuft wirklich. Meine Vermutungen gehen ein wenig dahin (hoffentlich liest sie das hier nie), dass es sich bei ihr um eine multiple Persoenlichkeit handelt, die immer, wenn eine nicht mehr kann, die naechste vortreten laesst. Multiple deshalb, weil sie bislang schon ziemlich viele Berufe hat. Je nachdem mit wem sie redet.

Als wir ungefaehr zehn Kilometer vor Astorga waren und zugegebenermassen ziemlich im Arsch, materialisierte sie sich und hatte originellerweise eine Riesentuete Aepfel dabei. Als wir aus Astorga rauswanderten, ohne unsere Anfaengergruppe, trat sie mit einem Mal vor uns aus einer Bar und wanderte also den Tag mit uns. Es war - irre oder nicht - ein sehr schoener Tag. Frauengespraeche, sonniges Wetter und eine Landschaft, als wuerden wir uns in einem Herr der Ringe-Film im Elbenland befinden. So schoen. Soooo schoen. Und bergauf. Immer bergauf.

Lustigerweise macht mir bergauf laufen nichts aus. Es ist mir voellig wurst, ob es ebene Flaechen sind oder fast vertikale. Hauptsache bergauf. Ich muss noch nicht mal mehr das Tempo drosseln. Nur die Schrittlaenge wird kuerzer. Was zieht man da philosophisch raus wenn man moechte? Genau: Bei Herausforderungen kontinuierlich voran mit kleineren Schritten.

Bei bergab sieht das ganze schon etwas anders aus...

Das geht naemlich in die Knie. Auch egal ob irre oder nicht. Den Abend verbrachten wir in einem mehr oder weniger verlassenen Dorf namens Foncebaldon oder so. Zugekiffte Rastahippies haben dort ein altes Haus zu einer Herberge ausgebaut. Sehr schoen. Es gab sogar Hefeweizen.

Rasta hat gekocht und es folgte ein lustiger weinseliger Abend mit unserer neuen Wandergruppe. Die Anfaengertruppe haben wir hinter uns gelassen. Seit Roxane laufen wir bei den alten Herren mit. Vier Buben im besten Rentenalter. Drei aus der Pfalz und einer aus Frankfurt, denen wir auch von Anfang an immer wieder begegneten. Lustige Runde und fuer uns sehr entspannend.

Mit einem ordentlichen Zug am Leib. Also im Hinblick auf die Geschwindigkeit. Deswegen sitze ich jetzt in Villafranca del Bierzo im Internetcafe und Meike liegt im Hotel (!) und schlaeft. Heute goennen wir uns Luxus. Wir sind, weil ein akuter Erschoepfungszustand sein Recht verlangte, mit dem Bus 7 Kilometer hierher gefahren, statt die Nachmittagsstrecke zu laufen und ruhen uns heut aus.

Da ich jetzt nur noch fuenf Minuten auf der Internetuhr habe und kein Kleingeld mehr, mach ich jetzt Schicht. Ach so, eins noch. Wir haben dreissig Grad. Nur mal fuer die, die dieses Jahr keinen Sommer hatten. Neidisch? Hö.

Und morgen gehts rein nach Galicien. Ich freu mich drauf. die Landschaften hier sind wirklich der Hammer.

Und warum Meike heute so fertig ist? Gestern ging es immer bergab. Nur bergab. Wie ein Bachbett runterklettern. Furchtbar aua schrecklich. Bei dreissig Grad. Hoffentlich gehts jetzt nur noch bergauf.

Donnerstag, Oktober 04, 2007

Fazit

Jetzt schon ein Fazit fragt ihr? Ja klar, das hat der Hape doch auch so gemacht. Jeden Tag ein Fazit. Unser Fazit von Tag eins war: Nicht in die zwei. Der hat Katarrh.

Katharrh haben wir gestern, am Tag zwei in Astorga in der Albergue auch wiedergetroffen. Der ist ganz reizend und wir haben darauf geachtet, wieder nicht mit ihm ein Zimmer zu teilen. Kartarrh. Schnarchen. Mussnichtsein. Ich glaube, das werden wir noch genug erleben. Auf der anderen Seite: Wenn schon jemand schnarcht, dann er. Langsam waechst er uns ans Herz.

Irgendwelche Kilometerstrecken koennt ihr euch selbst ausrechnen. Ich bin in Astorga und es geht mir - wie es sich an einem dritten Tag gehoert - Scheisse. Alles tut weh. Typisch Anfaenger haben wir uns am zweiten Tag total ueberfordert und sind hier mehr schlecht als recht auf dem Zahnfleisch kriechend angekommen. Der Berg auf dem die wirklich schoene Stadt steht, ist nun mein Feind. Ich geh heut wieder. Selbst schuld.

Dass der Katharrh da oben fett gedruckt ist, liegt nur daran, dass ich das nicht mehr aendern kann. Die Bedienfuehrung ist hier auf spanisch....

Hier auf dem Camino ist eine ganz lustige Stimmung. Man hat das Gefuehl, in einer Kleinstadt oder einem Dorf unterwegs zu sein. Zum einen kennt man ziemlich schnell einen Grossteil derer, die ungefaehr im gleichen Tempo laufen zumindest vom ansehen. Und man gruesst sich natuerlich, als wuerde man sich schon seit Jahren kennen. Und so fuehlt sich das auch an. Wir haben alle den gleichen Weg, da koennen wir auch mal nett zueinander sein. Koennte ja sein, dass wir uns wieder ueber den Weg laufen? hoehoe

Lustigerweise ist das mit den Leuten, die hier an der Strecke wohnen, auch so. Jeder strahlt, jeder gruesst, jeder Schwallt einem mit ungefaehr tausend Worten spanisch zu, von dem ich ja leider gar nichts verstehe. Das fasziniert mich am meisten von allem. In Deutschland waeren moeglicherweise die Anwohner ziemlich schnell von diesen Menschenmassen genervt. Hier nicht. Hier ist jeder ein willkommener Gast. Der Camino ist schon ein gutes Gefuehl. Auch wenns wehtut.

Dienstag, Oktober 02, 2007

Madrid stinkt!

Gleich am zweiten Tag finde ich ein Internetcafe. Das ist doch gar wundervoll. Von allem weltlichen habe ich mich auch noch nicht losgesagt, da kann ich das ja auch einfach mal benutzen. Na gut. Gefunden ist nicht nicht der richtige Ausdruck. Wenn ich in unser heutiges Albergue komme, ist es gleich links. Steht an der Tuer. Und die Tastatur hat kein ue. Also in eins. Ihr wisst was ich meine.

Ihr findet mich hier in der Anfaengergruppe. Wir sind die, die erst von Leon aus losgegangen sind. Derzeit zieren weder Blasen unsere Fuesse, noch wurden wir von Infektionen heimgesucht. Irgendwelche Krisen haben uns auch noch nicht geschuettelt, wir sind noch voellig jungfraeulich. Frisch geboren. Ausgeferkelt von Madrid nach Leon um jetzt die ersten Schritte zu gehen.

Am ersten Tag haben wir schon folgendes gelernt: a) es ist voellig unmoeglich, auf dieser Tastatur die Anfuehrungszeichen zu finden, b) Sage niemals, dass du pilgerst, weil du den Hape gelesen hast. Wenn du in eine Herberge reinkommst, stelle dich am besten gleich am Anfang in die Tuer und skandiere laut und deutlich, dass du noch nicht einmal ansatzweise von dem Buch gehoert haettest. Du haettest das Buch noch nicht einmal gelesen. Ausserdem hast du auch nicht vor, es jemals zu lesen. Niemals. Auch Paolo Cohelo oder wie der heisst. Kenne am besten noch nicht einmal seinen Namen.

Hapepilger sind irgendwie keine echten Pilger. Ich habe mir daher Alternativausreden ausgedacht. Ich werde einfach behaupten, ich mache das jetzt schon seit Jahren mit dem Pilgern und dieses Mal halt wieder von Leon. Gaehn. Die Zweite Begruendung ist auch gut: Ich gehe stellvertretend fuer Freunde die krank sind und ungluecklich. Fuer Gluck. Gluck und Zufriedenheit. Fuer Familie und kranke Hunde.

Wenn das jetzt schlimm klingt, ist das gelogen. Bisher hatten wir es noch wenig schlimm. Wir haben direkt auf den ersten Kilometern zwei Frauen aus Frankfurt und Berlin kennengelernt, die ebenso wie wir in der Anfaengergruppe sind, und die jetzt, zumindest mal zeitweise mit uns lernen.

Und das geht ganz schoen schnell. Das lernen. Das wachsen. Das mit dem wachsen geht allerdings ein wenig schneller. Ewiglange leicht feuchte Lehmpiste. Das klebt besser als Neuschnee. Irgendwann hat sich das halbkreisfoermig unterm Schuh formiert und man ist ziemlich froh, dass man Stoecke dabei hat, um die Wackelpartie heil zu ueberstehen. So macht man das als Kind. In der Anfaengergruppe. Immer schoen im Matsch spielen.

Heute war sie also, unsere anale Phase. Ich gehe jetzt gleich allerdings in die orale Phase ueber und werde mir ein Bierchen genehmigen.

Hasta la vista...nee buen camino allseits. Uebriges: Madrid ist riesig. Und stinkt.