Montag, April 30, 2007

Es lebe der Sport

Eigentlich bin ich ja gar nicht so eine unsportliche Wurst wie es den Anschein hat. So typmäßig mein ich. Die Anlagen sind ganz gut und ich erinnere mich dunkel, dass es Zeiten gab, in denen ich deutlich knackiger definiert war als aktuell. Heute müsste das, was mich in muskulären Zonen umschmiegt, realistischerweise eher als Schwamm bezeichnet werden.

Mittlerweile habe ich mich allerdings damit ausgesöhnt und mir erklärt, dass, wer einmal anfängt mit dem Sport, immer weitermachen muß. Sonst wird nämlich ruckzuck aus der knackigen Figur nicht nur ein Schwamm, sondern ein nasser schlapper Wischlappen. Man muß sich doch nur einmal ältere Muskelprotze angucken. Die haben Winkeärmchen und mehr Busen als ich. Das sieht doch nicht schön aus, so ein Arnold Schwarzenegger in Badehose. Wie ein Butterberg in der Sonne. So. Außerdem bin ich nicht mehr siebzehn. Ich muß nicht aussehen wie Heidi Klum. Basta.

Hm. Und warum hat der Teufel die Großmutter gefressen? Genau. Weil ihr keine Ausreden mehr einfielen.

Schuld ist natürlich wie immer der Schweinehund, der innere. Dem ist es nämlich schnurz, welchen Stromanbieter ich wähle. Da könnte ich wechseln was das Zeug hält. Mein Schweinehund hat sich auf die Vermeidung regelmäßiger sportlicher Betätigung spezialisiert.

Hin und wieder mal ein wenig Schwimmen, das lässt er mir grad noch durchgehen, aber sobald es darum geht, sich joggend fortzubewegen oder in einen dieser blöden Fitnesstempel zu gehen um sich dort an Geräten abzustrampeln, steht er lockend mit einem Gläschen Bier in der Hand vor mir und lässt mich nicht durch. Mein Schweinehund ist begeisterter Passivsportler.

Entsprechend dieser Veranlagung konnte man mich gestern bei strahlendem Sonnenschein mit dem erwähnten Bier in der Hand beim Hanse-Marathon finden. Ich war die, die man bei Kilometer 38 mit offenem Mund, als würde ich mich von Plankton ernähren, die Läufer anstaunen sah. Wie kann es sein, dass die Leute nach dieser Strecke immer noch wie menschliche Nähmaschinen an einem vorbeitackern? Lachend! Klatschend! Das ist doch widernatürlich. Ich wäre schon längst tot und von einem der Stadtreinigungsfahrzeuge, die dem Läuferzug folgen, aufgewischt worden. Und dann auch noch so viele. Eine ganze Kleinstadt ratterte an mir vorbei. Wow. Da fing die Wurst Bine schon an, sich ein wenig zu schämen.

Mein Schweinehund hockte mir grinsend auf der Schulter und steckte dem wachsenden schlechten Gewissen auf der anderen Schulter hämisch die Zunge raus. Komm, sagte er, motz hier nicht rum. Wir holen uns noch ein Bier und gehen dann Handball gucken und Chips essen.

Na gut, nölte das schlechte Gewissen, aber nur, wenn wir in diesem Sommer mal öfter skaten gehen und langsam mal anfangen, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Wir haben für uns doch auch eine Verantwortung. Und Sport ist gesund.

Jaja, sagte der Schweinehund. Morgen vielleicht.

Blöder Sack. Irgendwann mach ich ihn fertig.

Donnerstag, April 26, 2007

Fliegerei

Seit langer langer Zeit flog ich das erste Mal wieder mit einem dieser typischen Urlaubsbomber. Das sind Flugzeuge, die außen völlig normal aussehen, aber innen den Eindruck erwecken, als wären sie zu heiß gewaschen worden. Sobald man sie betritt, fühlt man sich wie im Legoland in einer Puppenstubenwelt. Alles ist klein. Kleinkleinklein.

Besonders die Sitze. Die sind richtig süß. Natürlich. Je kleiner der Sitz und je dichter sie beisammenstehen, umso mehr Erholungswillige kann man in so einen Bomber reinquetschen. Ich gehöre jetzt nicht unbedingt zu den Hochgewachsenen, dennoch stoßen meine Knie an den vorderen Sitz. Mit bedenklichem Risiko. Wenn man Pech hat, und ich hatte, sitzt vor einem eines dieser unhöflichen Spielkinder, die denken „Ich habe die verstellbare Rückenlehne bezahlt, die benutz ich jetzt auch, basta!“ und brechen einem ohne Vorwarnung die Beine. Herzlichen Dank.

Dass nicht die Hälfte der Reisenden in Rollstühlen aus dem Flugzeug geschoben werden, ist mir ein Rätsel.

Wenn die Schmerzen nachlassen, beginnt der Kampf um die Armlehnen. Bei vier Armlehnen für drei Sitze, fühlt man sich ein wenig wie im Kino. Hier gilt es, wie ein Schießhund aufzupassen, dass derdiedas Nachbar irgendwann versehentlich die Ellenbogen verrückt und eine Lücke freigibt. Hier muß man sofort, aber wirklich sofort seinen eigenen Ellenbogen unauffällig hineinschieben und sich dann langsam aber sicher ausbreiten. Mit Glück steht der Nachbar nicht auf anonymen Körperkontakt und weicht immer weiter zurück.

Das ist kurzweiliger als Mensch-ärger-dich-nicht und man kann dieses Spiel während eines vierstündigen Fluges ungefähr neunhundert Mal spielen. Raumgewinn, Vorstoß, Unachtsamkeit, Rückzug. Raumgewinn, Vorstoß, Getränkelieferung, Rückzug. Undsoweiterundsofort. Langweilig wird das nicht.

Doch meckern gildet nicht. Muß ja auch bezahlt werden das Kerosin. Wer für 280 Euros eine Woche in den Urlaub fliegt, kann sich grob ausrechnen, was er für den Flug bezahlt hat. Knapp 130 Euro. Dafür kommt man ja nicht einmal mit dem Zug nach Frankfurt und zurück.

Da kann man sicher noch mehr reorganisieren und optimieren. Wenn die Fluggesellschaften jetzt analog der Deutschen Bahn lediglich das Recht auf Beförderung verkaufen würden, nicht aber das Recht auf einen Sitzplatz, könnte man NOCH MEHR Sonnenhungrige transportieren. Leute, wie wär das? Ein paar Halteschlaufen in den Gang und zack könnte man noch hundert Stehplätze etablieren. Unbequemer würde der Flug dadurch auch nicht werden. Oder Stapellagerung mit ein paar flauschigen Wolldecken im Frachtraum. Ungeahnte Möglichkeiten.

Die Getränke könnten die Reisenden unter sich weiterreichen, womit Personal- und Materialkosten gespart würden. Auf den trockenen Brötchenschwamm mit Gummikäse verzichte ich gern und Schokoriegel kann ich auch im stehen essen.

Ich mach wirklich alles mit. Unter einer Bedingung: Dass den Urlaubern verboten wird, frenetisch Beifall zu klatschen, wenn der Pilot seinen Job getan und wieder heil gelandet ist. Ich klatsch ja auch nicht, wenn mein Bus an der richtigen Haltestelle hält.

Wenn auf die blöde Klatscherei überhaupt nicht verzichtet werden kann, wäre es sinnvoller und netter, das Saftschubsenballett (die Notausgänge befinden sich hier, hier und hier) mit Aufmerksamkeit und Beifall zu bedenken. Die armen Jungs und Mädels sehen sich ja zumeist mit betont gelangweilten und ignoranten Passagieren konfrontiert, die dadurch kundtun möchten, dass sie ja sowas von Vielflieger sind und sowieso wissen wie alles geht. Gähn.

Ich passe auf und zähle zusätzlich immer die Sitzreihen bis zum Notausgang, falls ich den Weg schwimmend im dunkeln finden muß. Sicher ist sicher.

Montag, April 23, 2007

Adventure-Cut

Ich sitze beim Friseur. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Dann und wann überkommt mich schon der Drang, die Zotteln ein wenig stutzen zu lassen. Aber heute habe ich Angst. Meine Hände sind schweißnass und ich versuche, den Fluchtreflex meiner Beine unter Kontrolle zu halten. Mein Herz klopft und ich bemühe mich, so cool wie irgend möglich zu schauen und mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. „Atemwege freimachen und Sicherheit ausstrahlen“ mantra ich vor mich hin und sehe furchtsam aus dem Augenwinkel die Schere nahen. Jetzt heißt es „Augen zu und durch. Es geht los. Extrem-Haircutting in Alanya.

Geil.

Aus einer gemächlichen Gleichmütigkeit heraus, beschloss ich nämlich, meinem Leben mehr Aufregung und Abenteuer zu bieten. Immer nur Erholung macht doch nur müde. Das kann auf Dauer ganz schön schlauchen. Das sag ich Euch. Und leichtsinnig macht es leider auch.

Mit sicherem Blick erspähte ich den einzigen nicht-deutschsprachlichen Frisierschuppen in ganz Alanya. Nach radebrechenden Preisverhandlungen, die sowohl mich, als auch den Boss zufriedengestellt haben dürften, galt es, einen Übersetzer für meine Wünsche aufzutreiben. So ganz mochte ich das Zepter dann doch nicht aus der Hand legen und mein Wohl und Wehe in die Hände einer türkischen Schopfdesignerin.

Natürlich, was Friseure können, können nur Friseure, dachte ich. Natürlich sieht eine Friseurin nach der Aufforderung „Spitzen schneiden“ sofort den Grundschnitt und macht ihn wieder so wie er gehört....mooment. Das hat sogar in Deutschland noch nie jemand geschafft. Sollte ich wirklich vertrauen? Lieber nicht. Adventure hin oder her, immerhin muß ich hinterher mit dem neuen Kopf rumlaufen.

In dem Besitzer des Nachbarladens war schnell eine türkische Flüsterpost gefunden. Mein Adrenalin stieg bereits bedenklich Richtung Überlauf. Ist er die richtige Wahl? Sicher nicht. Nicht nur, dass er ein Mann ist, und deswegen den zarten Nuancen einer Frauenfrisur gegenüber als blind gelten dürfte, er sieht auch noch so aus, als wäre er mittlerweile dazu übergegangen, seine eigenen Haare einfach bei Bedarf in Schulterhöhe abzubrechen. Ich möchte flüchten.

Scheiß egal. Einfach kann jeder.

Mein derzeitiger Geisteszustand „Angst“ lässt mich leider sehr gründliche Anweisungen geben: Spitzen schneiden. So wie vorher. Seitenscheitel links, schräg, Mundhöhe. Die vorhandenen Stufen neu. Zwei Zentimeter ab. Grundschnitt halblang. Die unteren Haare hinten etwas länger.

Stufenweise übersetzt der Zottel und versucht nebenbei, mich damit zu beeindrucken, dass er Günter Grass gelesen hat. Ich lasse mich nicht ablenken, bewerfe die Friseuse synchron mit bedeutungsvollen Blicken und untermale meine Wünsche mit für sie wohl verwirrenden Gesten. Sie wirkt zunehmend konfuser. Mistmist. Das kann ja was werden.

Und jetzt geht’s los. Unter dem Umhang verkrampfe ich meine Hände um die Stuhllehne und hoffe, dass wir uns verstehen. Sie fängt an. Hinten. Die ersten genehmigten zwei Zentimeter segeln abwärts. Jetzt ist es zu spät. Wie ein Opfertier füge ich mich meinem Schicksal und sie entspannt zunehmend und schnibbelt mutiger drauf los.

Hm. Das Stück, was sie grade schnitt, das waren doch keine zwei Zentimeter. Das waren doch mindestens sechs. Sie schneidet weiter und ich starre wie paralysiert in den Spiegel. Brav kämmt sie den Pony zur Seite und schneidet ihn links auf die gewünschte Länge. Dann stuft sie sich einmal um den Kopf herum und...., es passiert, was passieren musste. Der Pony auf der rechten Seite fällt ihrem Enthusiasmus zum Opfer und ist jetzt auf Augenhöhe gestutzt. Upps.

Ich glaubs nicht. Der Übersetzer ist weg, schimpfen auf Deutsch bringt nichts und mit halber Frisur kann ich nicht gehen. Ich sacke in mich zusammen und betrachte nur noch furchtsam, in welche Richtung das ganze noch geht. Wellen unterschiedlicher Gefühle durchströmen meinen Körper. Das ist ja besser als Bungee-Jumping. Oh, anscheinend hat sie etwas großzügig gestuft und beginnt nun fröhlich, den Rest des Haares anzugleichen. Strähne um Strähne fällt. Nur die Nackenlocken lässt sie stehen. Was wird das hier? Vokuhila?

Jetzt greift sie zur Stufenschere und hämmert damit beherzt durch das noch vorhandene blond. Der Haarberg zu meinen Füßen wächst und wächst.

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll und entscheide mich dafür, weiter ausdruckslos dem Treiben zu folgen. Bungee-Jumping hat den Vorteil, dass es schnell vorbei ist. Dies hier gleicht der chinesischen Wassertropfenfolter. Langsam und stetig. Grausam. Gemein. Aber ich habe es ja nicht anders gewollt. Immer hintendrauf. Jawohl.

Fassungslos sehe ich, wie sie beginnt, meine deutlich gekürzte Haarpracht mit der Rundbürste zu bearbeiten. Hier hält sie sich wunderlicherweise an die anfangs gegebenen Anweisungen, die natürlich in keinster Weise mehr zu den verbliebenen Haaren paßt. Gott seh ich bescheuert aus.

Meine Haare erschlaffen ebenso wie ich. Die Rundbürstenexperimente verschaffen der Dame wohl keine Befriedigung. Jetzt schmiert sie komisches Zeug in den Schopf und fängt noch einmal von vorne an zu föhnen. Meine Haare spielen aber nicht mehr mit und drücken sich nur noch angstvoll an den Kopf. Versuchen schier hineinzukriechen. Als sie anfängt, meinen Hinterkopf zu toupieren, beschließe ich, das Abenteuer an dieser Stelle zu beenden.

Katrin sitzt vorne im Laden und liest. Als ich auf sie zustürme, um meine neu erworbene Kurzhaarfrisur schnellstmöglich aus dem Laden in Sicherheit zu bringen, sehe ich in ihrer Mimik, wie sie versucht, eine angemessene Reaktion auf meine Haarpracht zu finden. „Oh“, sagt sie. „Ungewohnt siehst Du aus. Aber interessant“.

Nun brauche ich einen Raki. Und Waschbecken und Föhn, um Schadensbegrenzung zu betreiben.

Angemessen verstrubbelt und leicht angetrunken ist der Anblick gleich viel leichter zu ertragen. Ich gewöhne mich von Minute zu Minute dran. So schlimm ist das gar nicht.

Wächst ja wieder. So ist das mit Abenteuern. Wenn ein Bungee-Seil reisst, sind die Folgen nachhaltiger.

Hoffentlich.

Sonntag, April 15, 2007

Sunshine

Bei diesem Wetter drinnen zu sitzen, ist eine Sünde. Jawohl. Draußen bollert die Sonne warm, gelb und heiß vom Himmel und lockt damit allerlei Wochenendfahrer, Motorräder, Sandburgenbauer und Eisesser vor die Türen.

Und ich sitz drin. Wieder. Weil ich ja sowas von ein schlechtes Gewissen habe, daß ich gar nicht mehr weiß, wie ich mich noch besser noch doller schämen kann. Ich kann doch auch nix dafür, daß das immer so schnell anschlägt, obwohl ich eigentlich zu den blonden Hellhäutigen gehöre. Meine Haut sieht Sonne und fängt sofort an, fröhlich mit Farbpigmenten um sich zu werfen.

Ich fahre morgen in den Urlaub und bin heute schon kackbraun. Sowas gehört sich doch wirklich nicht.

Gut erholt und tief gebräunt. Das ist doch, als würde man sich sein Popcorn im Kino von zu Hause mitbringen oder im Sternerestaurant seine Tupperschüssel mit den Resten vom gestrigen Abend auf den Teller schütten.

Deswegen verbringe ich mein restliches Landwochenende in elterlichen Gefilden nicht dekadent im Liegestuhl vor dem Badehaus, hin und wieder einen vollgespeichelten Tennisball hinter mich werfend, damit die Köter was zu tun haben, sondern, mich schämend, im abgedunkelten Arbeitszimmer.

Jajaja, natürlich lese ich auch Zeitungen und Apothekenblättchen und weiß, daß es total ungesund ist, sich der prallen Sonne auszusetzen. Davon bekommt man Lederhaut und üble Krankheiten. Aber ich mag doch so gern in der Sonne sitzen. Im Schatten sitzen ist so, als würde man von den gebotenen Pistazien nur das Salz von den Schalen lutschen und den Kern wegwerfen. Im Schatten sitzen kann ich auch im Herbst. Super, jetzt schäm ich mich nicht nur, jetzt schmoll ich auch.

Na gut, Leute, paßt auf eure Haut auf. Sonst läßt sie euch im Stich. Und ohne sieht niemand attraktiv aus. Bereits in früher Jugend ist es wichtig gut geschützt zu werden, weil in der empfindlichen Kinderhaut nämlich die Grundspfeiler für spätere Entartungen gelegt werden. Jawohl. Damit macht man keinen Spaß.

Hm. Jetzt wundert mich allerdings schon, daß nicht meine gesamte Generation mittlerweile dem schwarzen Fleckfieber zum Opfer gefallen ist und daß ich immer noch eine zarte Babypopohaut mein Eigen nenne. Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, damals dick mit Sonnenschutzfaktor eingerieben worden zu sein, bevor ich das Haus verließ. Und das haben wir täglich gemacht, um uns mit dem zu beschäftigen, mit dem Kinder sich damals so beschäftigten. Also Höhlen ohne Stützpfeiler in Böschungen buddeln, Kornkreise in Wiesen trampeln, diese versehentlich beim Steinzeitmensch-spielen anzünden, vom höchsten Punkt eines Neubaus springen, Regenwürmer essen, Banden gründen und sich gegenseitig übelst verkloppen und ne Runde Völkerball auf der Straße spielen. Also das Haus verlassen und in die Sonne gehen. Damals gab es ja noch keine Arbeitszimmer mit Internetanschluß.

Wenn ich so in Erinnerungen schwelgend meine Rotzgörenphase betrachte, ist es eigentlich ein Wunder, daß ich - Sonne hin oder her - überhaupt noch am Leben bin. Ich bin unkaputtbar. Das bißchen Saisonbräune bringt mich bestimmt nicht um.

Schluß mit Schämen. Seh ich halt aus wie ne Einheimische in der Türkei.

Und ich setz mich dort in den Schatten. Nach weiss, rotbraun und braun kommt nämlich erfahrungsgemäß pickelig. Und Pickel fand ich früher schon doofer als ich in der Sonne sein gut fand.

Donnerstag, April 12, 2007

Sitz nicht einfach so rum. Mach Dir Sorgen.

Irgendwie fühle ich mich grade wie ein dickes Haustier mit buntem Steinchenhalsband, bequemen Kissen und einem eigenen Zimmer. Stets sind die Näpfe gefüllt und an Leckerlis ist auch kein Mangel. Ein wenig feist ist es schon, daß ich Montag schon wieder in den Urlaub fahre. Da bin ich eben gerade erst wieder aus der Schweiz zurück, kam gar nicht dazu, mich wieder urlaubsreif zu stressen und steige nun schon wieder in den Flieger um mich eine Woche lang in türkischer Sonne bräunen zu lassen.

Ich fahre gut erholt in den Urlaub. Gibt es etwas dekadenteres? Dabei gibt es so viele andere arme Menschen, die sich täglich in ihrem Leben, im Privaten und im Job, eine kleine Hölle bauen, damit sie ein Mal im Jahr, neben Karneval, einen Grund haben, "mal rauszukommen", "mal was anderes zu sehen", "mal die Seele baumeln zu lassen". Sich mal was zu gönnen.

Ich mache ich die ganze Zeit nichts anderes. Ich habe das so gelernt. In den Jahren des Lebens, in denen man sich mit der Selbstfindung befaßte, wurden die Samen dafür gepflanzt. Ich komme raus, ich sehe anderes und ich lasse stets meine Seele baumeln, daß ich mich schon ganz labberig fühle. "Genieße jeden Tag, als wäre er dein letzter". Jaja. "Lebe dein Leben hier und jetzt". Jaha. "Sorge dich nicht, lebe". Hmmmm.

Natürlich habe ich auch Sorgen. Klar. Aber es sind mehr diese kleinen Luxussorgen. Mehr so die Falte in der Socke, die nervt, kein Damoklesschwert weit und breit. Nichts was wirklich lebensnotwendig wäre. Und diese kleinen unnötigen Luxussorgen sollen das Gegengewicht zum harten Jäger- und Sammlerleben bilden, damit ein vernünftiges Jingjangdingdong zustandekommt? Welches harte Jäger- und Sammlerleben? Mir fliegen zwar die gebratenen Tauben nicht in den Mund, ich esse nicht täglich Kaviar und Wachteln. Aber mit Essen auf Rädern ist das schon zu vergleichen.

Dingdong, Napf voll. Wahrscheinlich würde ich das Damoklesschwert, wenn es mal auf Besuch käme, interessiert beschnuppern, es für uninteressant erachten, zwei Meter weiter nach links robben und weiterschlafen.

Eigentlich kann ich ganz schön froh sein, oder? Doch gewinnen da die kleinen Sorgen nicht die quantitative Qualität einer Existenzsorge? Nicht, daß ich dringend "HIER" gröhlen würde, wenn die nächsten Existenzsorgen verteilt werden, aber all die Energie, die andere Menschen dafür aufwenden müssen, sich die Margarine fürs Brot aus irgendwelchen Ecken zu kratzen, verpufft in Gedankenspielen über Banalitäten. Ich bin zwar nicht reich, aber für Butter reicht es allemal.

Schwieriges Problem. Nicht wahr?

Ich werde es genießen. Irgendwann schlägt vielleicht das Schicksal zu und dann ist es gut zu wissen, daß mich der mentale Zivilisationsspeck am metamorphorischen Hintern im Notfall mindestens zwei Wochen am Leben erhalten wird. Das ergibt Sinn.

Sonntag, April 08, 2007

Laaaangweilig

Es ist Ostersonntag 2007. Morgens, kurz nach elf, das Wetter ist heiter bis bewölkt es steht ein Kaffee vor mir, meine Zigaretten liegen griffbereit, Oldie95 gröhlt "Friends will be friends" im Hintergrund. Also alles wie immer. Ein zufriedener Ostersonntagmorgen. Erholung pur, Ruhe, angenehme Faulheit. Denkt man. Aber nein, irgendwie ist eine Kleinigkeit anders als sonst.

Mir ist langweilig.

Werd ich jetzt alt oder was? Seit Jahren konnte ich guten Gewissens behaupten, daß mir nie-mals langweilig ist. Selbst, wenn ich nichts zu tun hatte oder tun wollte, konnte ich mir mit stumpfem an-die-Wand-starren immer noch Freude machen ohne mich dabei sonderlich ziellos oder unzufrieden zu fühlen.

Und jetzt sitze ich hier und weiß überraschenderweise nicht, wo ich mein Ei hinlegen soll. Eine lustlose Langeweile. Eine ruhelose Ruhe. Igitt. Am liebsten würde ich einen Spiegel vor mir aufbauen und mir Grimassen schneiden, mich dabei beobachten, wie ich die Mundwinkel nach unten ziehe und mich ob meiner Langeweile verspotten.

Heute ist doch Ostersonntag. Heute soll man die Familie sehen und Tierkinder essen. Man soll über buntes Gelege stolpern und an Osterglocken schnuppern. Man sollte nicht wie jeden Sonntag mit einem Kaffee und Musik vorm PC sitzen. Man soll aufregende und fetzige Sachen machen, damit man sich auch in ein paar Jahren noch an das tolle Ostern im Jahr 2007 erinnert. Man sollte aktiv sein. Dann hört das auch auf mit der Langeweile.

Doch Langeweile macht destruktiv. "Ruf doch irgendwo an, Bine. Mach was. Ist doch sonst auch kein Problem. Nur weil deine Ostersonntagverabredung leider ausfällt, heißt es doch nicht, daß du den Tag hier verbringen mußt." Nein, sicher nicht. Aber ich möchte grade schmollen. Vielen Dank. Ich möchte Dinge denken wie "Hat doch eh keiner Zeit" und mich selbst dabei ein wenig bemitleiden. Ein innerer Zustand der nicht wirklich dazu geeignet ist, fröhliche Kommunikation zu führen und sich zu amüsieren, wenn man eigentlich erstmal irgendjemanden braucht, den man für die erlittene Langeweile ankacken kann. Behalten sie ihren Scheiß-Hammer.

Ich möchte meine Freunde gerne behalten und nicht vergraulen. Außerdem hat doch eh keiner Zeit. Grummel.

"Das ist doch Quatsch. Und selbst wenn, dann mach was allein. Irgendwas was Spaß macht" spricht mein innerer Antreiber. "Los, auf" und zieht mich ein wenig an den Ohren. Und was macht Klein-Bine? Sie rollt sich auf die Sofaecke, hält sich die Ohren zu und quengelt rum. Ambivalenz der Spitzenklasse.

Ein wenig schizophren ist das schon. Gegenspieler sollten außen sein und nicht innen drin. Da weiß man doch nicht, für welche Seite man sich entscheiden soll.

Macht echt keinen Spaß so Langeweile. Das mach ich nicht wieder.

Ich such mir jetzt ein Blatt Papier und loch das weg. Und wenn ich damit fertig bin, such ich Figuren in meiner Rauhfasertapete.

Quak.

Freitag, April 06, 2007

Fakten Fakten Fakten


Als ich gestern durch die Innenstadt wanderte, blieb mein verrostetes Antlitz an diesem wundervollen Werbeschild kleben. Oha, dachte ich. Da haben wir es aber mal mit einer echt ehrlichen Haut zu tun. Diese Technik, Vermutungen als Tatsachen zu präsentieren, eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, die einem alten Klugscheisser wie mir ein fröhliches Apfelbäckchenstrahlen ins Antlitz zaubern.

Ab jetzt gilt: Fakt ist, daß ich vermutlich weiß wovon ich rede.

Dienstag, April 03, 2007

Aprilapril

Veräppelungen zogen wieder durchs Land.

Mein Lieblingsscherz betraf Bremen, wo verkündet wurde, daß eine folgenlose Auswanderung aus Bremen nur noch bis 2011 möglich wäre. Ab da müßten Ausreisewillige bei einem Umzug aus Bremen in ein anderes Bundesland ihren Pro-Kopf-Anteil an der Staatsverschuldung übernehmen, welcher momentan bei irgendwas über EUR 20.000,00 läge.
Prima Idee, prima Aprilscherz. Das wäre doch mal innovative Politik mit einem klaren Ziel.

Im Grunde könnte man das doch tatsächlich aufgreifen. Die private Haushaltsverschuldung ist doch sowieso ein wachsender Berg. Da fiele es doch gar nicht auf, wenn einfach jeder Neugeborene ein paar tausend Euros Schulden in die Wiege gelegt bekäme. Zinslos natürlich. Steuerlich absetzbar vielleicht. Für die Eltern natürlich. Dann sähe es doch gleich viel besser aus mit der Staatsverschuldung und die Gören wüßten dann schon gleich ab ihrer Volljährigkeit, was es mit dem privaten Insolvenzrecht auf sich hat. Das lernt.

Oder Elterngeld auf BaföG-Basis. Kindergeld gegen Lebensversicherung im Rahmen einer endfälligen Vereinbarung. Unendliche Möglichkeiten.

Oder man macht es wie in Hamburg und finanziert den Haushalt über die Eintrittsgelder im Schwimmbad. Mittlerweile kostet anderthalb Stunden im Bad herumlaufen und vielleicht etwas schwimmen nämlich schon über fünf Euro. Mit steigender Tendenz.

Was bin ich doch für ein Luxusweib. Aber für Hamburg mach ich das doch gern.