Freitag, November 28, 2008

Drews ist Linksträger

Am letzten Sonntag habe ich im Fernsehen beim Durchzappen etwas entdeckt, was mich einen deutlichen Drang verspüren ließ, mich auf den Boden zu werfen, mir abwechselnd die Ohren zuzuhalten und ein wenig um mich zu schlagen, um dann, zum krönenden Abschluß, ins Wohnzimmer zu brechen. Also die ganze Palette hysterischpanischer Aktivitiät, die ich mich, wenn überhaupt, zuletzt im Alter von zwei Jahren traute. Ungefähr genauso lange mag es her sein, dass ich den Magendeckellöser das erste Mal im Fernsehen sah.

Da saß er in der Kocharena, der Jürgen Drews. Das allein mag noch keinen ausreichenden Grund zum Brechen darstellen, der Blick auf seine Hose aber durchaus. Herr Drews trug eine um eine Nummer zu kleine weisse Röhrenjeans, die, wie soll ich sagen, keine Fragen offenließ. Diese Hose schnürte sich nicht nur recht vakuumatös um seine Anatomie, sie erlaubte ihm auch nur eine Sitzhaltung, bei der keine Spontanabbindungen ausgelöst werden. Eine in Männerkreisen übrigens recht weit verbreitete Sitzposition, die an die Wochenshow, Ingo und "Millemillemille" denken lässt. Halb im Sessel liegend, die Beine in einem Winkel von ungefähr 95 Grad auseinandergestellt, die Hand in Al-Bundy-Manier auf dem, äh, Oberschenkel ruhend. Herr Drews benutzte als offenkundiger Linksträger natürlich die linke Hand.

Ich habe zwar eine gewisse Neigung, anderen Menschen auf den Hosenstall zu schielen, aber ich reagiere doch etwas echauffiert, wenn mir die Mitten von Menschen ungefragt aufs Auge gedrückt werden. Es gibt Dinge, die will ich nicht wissen. Erst recht nicht von Herrn Drews.

Wobei man den alten Jodeldödel wahrscheinlich noch nicht einmal wirklich für sein Verhalten verantwortlich machen kann. Viele Menschen, die - älterwerdend - ins Arbeitsleben tauchen, Familien gründen und mit ganz vielen Sachen beschäftigt sind, die mit abendlichem Weggehen nichts zu tun haben, holen, sobald sie die Gelegenheit bekommen mal wieder ein wenig auf die Rolle zu gehen, die Klamotten aus dem Schrank, die sie in ihrer Sturm- und Drangzeit trugen. Und in den Fünzigern waren es nunmal Röhrenjeans.

Ich bin sicher, dass man auf einer Ü-40-Party diverse weinrote Sportmoderatorenjacketts mit Ärmelaufschlag im DonJohnsonlook sehen wird, ein paar pinke Strechminis mit kurzen Lederjacken, vielleicht noch ein Paar Sweatshirtpumphosen und natürlich die gute alte Karotte. Mit Pumps. Man sieht zwar aus wie ein lebender Füller, aber man trug das damals so. Dann noch schön den Pony hochtoupieren und rauf auf die Tanzfläche. Glitzer auf dem T-Shirt mit seitlichem Knoten in Hüfthöhe, den Pferdeschwanz ganz revolutionär oben links auf dem Kopf und das schöne lila Hemd mit Blümchenmuster. Hawaii geht auch. Hauptsache, es passt noch.

Wahrscheinlich lacht sich die Jugend von heute auch schon über meinen üblichen Jeansundpulli-Look kaputt. Obwohl, wenn ich mir die Kiddies heute so angucke...die sehen genauso beknackt aus, wie wir damals. Die sollen sich das Lachen mal schön verkneifen.

Mittwoch, November 26, 2008

Freitag, November 21, 2008

So lange die dicke Frau noch singt....

Eines sei kurz vorweggenommen, nur für den Fall, dass es in diesem Jahr wider Erwarten nicht mehr passieren sollte: Als ich eben aus dem Fenster schaute, segelten dicke weisse schöne Schneeflocken zur Erde. Diese Sorte Schneeflocken, die einen wohlig schauern und ein Feuer in der Ecke des Zimmers anzünden lässt. Ich hatte meinen Vermietern schließlich gesagt, dass ich den Kachelofen behalten will...Wer nicht hören will, nichwahr?

Na gut, in Anbetracht der Tageszeit, in welcher Kaminfeuer höchstens praktisch, aber nicht behaglich sind, da die Unbillen des Arbeitstages noch vor mir liegen, verzichte ich ausnahmsweise darauf, meine Wohnung anzuzünden und erzähle, was ich eigentlich erzählen wollte. Heute gehts um Kultur.

Die an mir geleistete Erziehung hat durchaus dazu geführt, dass ich Kultur auch in frühen Jahren schon nicht nur für einen Ort hielt, an dem man Zahnbürsten aufbewahrt. Da die Annährung an Kunst und Kultur in einer sehr freiwillig gestalteten Art und Weise geschah, habe ich lernen dürfen etwas auch blöde zu finden, selbst wenn die gesamte Öffentlichkeit den Atem anhält. Den Film "Babel" zum Beispiel. Gott war der blöde. Selten so einen beknackten Film gesehen. Auch wenn man mir hinterher erklärte, dass ich ihn überhaupt niemals synchronisiert schauen dürfte, weil grad dieser Sprachwechsel Mexikanisch, Japanisch, Englisch, und dass grad dieses globale Sprachwirrwar die Tiefe des Filmes...super.

Das geht mir dann aber mit jedem unsynchronisierten Film so. Wenn die Babel-Gutfinder "Adams Äpfel" im Original gucken, haben sie nicht nur lustige Bilder, sondern den gleichen Babel-Effekt. Wenn sie nicht grad der dänischen Sprache mächtig sind. Und sie dürfen zumindest eine Handlung verfolgen, welche...

Aber auf Filme wollte ich gar nicht. Ich hab mich nur hinreissen lassen. Ich war doch grad bei dem Thema "Kultur auch mal blöde finden dürfen". Mancher Kultur spreche ich, selbst wenn ich für mich entscheide, dem nichts abgewinnen zu können, den Status überhaupt nicht ab. Karl Valentin zum Beispiel. Seit Kindertagen unter "kulturell wertvoll und ausserdem witzig" gespeichert, habe ich mich tatsächlich einmal mit Karten versorgt und durch einen Karl-Valentin-Abend gelangweilt. Seitdem weiss ich, dass der Bayer und die Hamburgensie keine Freunde fürs Leben wären, würden wir uns kennen. Aber seine Zitate - vereinzelt - verehre ich dennoch. "Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut"..... allein für diesen Satz liebe ich ihn aus der Ferne.

Ich latsche immer wieder mal ins Museum, um mich abwechselnd anöden und begeistern zu lassen, ich renne verhälnismässig regelmäßig in ein bestimmtes Theater, in welchem ich bisher jedes Mal in der Pause kopfschüttelnd die Vorstellung verlassen habe. Es kann ja mal was gutes kommen. Vielleicht hätte ich mich in diesem Jahr zum Weihnachtsmärchen anmelden sollen. Das hätte mir vielleicht gefallen. Auch dort.

Ich gehe zu Lesungen mit Kammerkonzertbegleitung und ohne Kammerkonzert, dafür mit Kaffeeduft und selbstgebackenem Kuchen, ich besuche Liederabende von Schubert, gehe in Kirchenkonzerte und bin auch ein Musicalgernhörer. Was bisher immer ein wenig auf der Strecke blieb, war die Oper.

Natürlich sass ich als Kind auch mit glühenden Augen in der Zauberflöte für Blagen und war hin- und weg. Natürlich entschied ich als Erwachsene, unbedingt diese Zauberflöte wiedersehen zu wollen. Und natürlich geriet ich in eine Inszenierung, die eher "modern" überhaupt keinen Erkennungswert für die Optik bot und mich daher in die Schmollecke schob. Die Tatsache, dass es sich um eine Open-Air-Oper im strömenden Regen handelte, die so viel kostete wie ein Mittelklassewagen und einen Service bot wie eine Jugendherberge, half auch nicht grade, mir "Opern sind toll-Aussagen" zu entlocken. Gut, die Musik war hübsch. Aber die kann ich auch auf CD.

Opern fielen also weiterhin aus. Zugegebenermaßen verfolgte mich auch eine Angst vor Sopranarien. Das kann ganz schön schlimm sein. Männergesang, meinetwegen auch bis Tenor hoch, finde ich sehr schön, schreiende Frauen legten nach meiner Meinung einen so dermaßen unangenehmen Steptanz auf meiner Ohrschnecke hin, dass ich das auch gern umging.

In der letzten Woche war es dann mal wieder Zeit für einen Test. Denn genauso, wie in in regelmäßigen Abständen die Dinge esse, die ich ums verrecken nicht abkann (Leber, Dosenmais, Milchreis), weil es sein kann, dass der Körper sich mit einem Mal entscheidet, die Vorlieben auf diese zunächst verschmähten Gerichte auszubreiten (Sauerbraten, Birnen Bohnen und Speck, Königsberger Klopse), muss man auch mal andere Abneigungen ausprobieren um sich zu bestätigen oder überraschen zu lassen.

Die Einladung in die Oper kam mir da gerade Recht. Turandot sollte es geben, die Oper, mit der der Telekomheini Paul Potts seinen Durchbruch geschafft hat, und diese Einladung hieß "Oper mit Rotwein und Käsestullen". Ich brachte die Käsestullen, mein Begleiter den Wein. Nun ist die Vorstellung sehr witzig, im Parkett der Hamburger Staatsoper seinen Picknickkorb auszupacken und Limburgerschnitten zu mampfen, um dann Anfeindungen und gerümpften Nasen mit hochgezogener Stirn und dem vorwurfsvollem Hinweis, doch nicht in die Vorstellung zu quatschen, zu begegnen. Doch mein Begeleiter soll seinen Job in der Oper gerne behalten, weswegen wir eine etwas abgeschiedenere Basis aufsuchten, wo wir nach Herzenslust rumstinken und Budnikowski-Wein trinken konnten.

Hoch oben über dem Parkett waren für uns diese Raumschiffsessel reserviert, in welchen sonst Beleuchter mit Spots die Sänger auf der Bühne verfolgen. Die Idee, diverse Knöpfe auszuprobieren, wurde im Keim erstickt mit "die gehen jetzt nicht" und so hatte ich Gelegenheit, die gesamte Turandot anzuschauen, ohne vorher rauszufliegen.

Was soll ich sagen. Es schmeckte. Sogar als die dicke Frau schrie, war ich immer noch ganz angetan und bewegt. Diesen Blödarsch der da seinen Vater draufgehen und die Sklavin totfoltern lässt für so ne blöde Prinzessinenbraut, hätte ich zwar gern mal in die Finger bekommen, aber im großen und ganzen hat es mir hervorragend gefallen. Ich könnte mir fast vorstellen, öfter in die Oper zu gehen.

Hab ich schon mal gesagt, dass ich alt werde? Ich habe schon total Angst vor dem Moment, wo ich anfange Kittelschürzen gutzufinden und Bauernmalerei. Oder Andrea Berg. Aber egal wie alt ich werde und was ich alles noch so gutfinden werde, so lange die dicke Frau noch schreit, ist die Oper noch nicht zu Ende.

Donnerstag, November 13, 2008

Duschen

Gibt es eigentlich auch Frauen, die sich im Rahmen der Morgentoilette am Ende kalt abduschen? Als ich eben mal wieder nach einer Viertelstunde gemütlichen Tropenregens das Wasser erneut etwas heisser stellte, damit ich auch ja nicht anfange zu frieren, erschien mir die Idee, dieses wohlige Gefühl durch einen Schwall Kaltwasser zu beenden, ziemlich bescheuert.

Männer machen das, hab ich mir sagen lassen. Aber Männer müssen ja auch, solange die Emanzipation deren Köpfe noch nicht völlig verkäst hat, evolutionär ein wenig kerlig daherkommen. Dazu gehört eben auch, sich mit nacktem Oberkörper im Schnee waschen, Bären mit der blossen Hand töten und der gesunde Kneippschwall nach der heissen Dusche. Ich da durchaus für. Ein Mann sollte durchaus ein Forum haben, in welchem er Mann sein darf. Und wenn es nur die Dusche ist.

Die sehr unterschiedlichen Duschstile von Männern und Frauen decken sich übrigens mit den ebenso unterschiedlichen Kommunikationsstilen. Während Frauen kommunizieren, um Beziehungen herzustellen, um eine mentale Behaglichkeit aufzubauen, um soziale Strukturen und warmes menschliches Miteinander zu fördern, kommunizieren Männer, um ihren Status kundzutun. Ich bin größerhärterschnellerbesser. Und so wird auch geduscht. Männer duschen um sich zu säubern und schnell wieder dem täglichen Kampf zur Verfügung zu stehen, Frauen duschen um sich aufzuwärmen.

Ich persönlich bin gar nicht so sehr dafür, viel Wasser zu verschwenden, aber das geht leider nicht anders. Natürlich habe ich auch schon mal gedacht: "Hey Bine, reinsteigen, nassmachen, Wasser aus, einseifen, Wasser an, abduschen, raus." Aber genausowenig, wie der knappe Telegrammstil im kommunikativen Bereich mir entspricht, habe ich dieses Vorhaben umsetzen können. Ich war schließlich nicht bei der Bundeswehr, wo einem übrigens beigebracht wird, sich nach der körperlichen Säuberung mit einem waschlappengroßen Stück irgendwas ökonomisch und hygienisch sinnvoll von oben nach unten abzutrocknen.

Ich steige in die Duschwanne und verbringe die erste Minute damit, in eine Ecke gepresst, den Duschkopf auf die andere Seite gerichtet, das kalte Wasser abzuwarten, was zuerst aus dem Schlauch kommt. Die nächsten fünf Minuten justiere ich das Wasser minütlich ein wenig heisser und treibe damit meine Körpertemperatur in erträgliche Höhen. Dann nehme ich so einen Plastikwuschel und tränke den in wohlriechendem Duschgel und widme mich dann ausgiebigem Geschrubbe. Danach stehe ich wieder ungefähr drei Minuten regungslos unter dem Heisswasser.
Dann erst wird der Kopf nassgemacht, der bisher ausgespart wurde. Es folgen Shampoonierung, Spülung, vielleicht noch Conditioner oder Kur. Mit Einwirkzeit. Das Wasser läuft weiter. Bin ich froh, dass mein Heisswasser unendlich ist.

Kurz bevor ich den Hahn abdrehe, bekomme ich schon furchtbare Vorahnungen. Dieser kurze Moment, den es braucht, bis ich den bereitliegenden Bademantel, den ich statt Waschlappenabtrockhilfe nutze, gegriffen habe und reingeschlüpft bin, muss ich nämlich frieren. Und ich bekomme schlechte Laune wenn das zu lange dauert. So geht mir das auch mit allzu kühler Kommunikation.

Das einzige, was ich mittels Kommunikation noch nicht hinbekomme habe, sind die Schrumpelfinger. Aber ich fürchte, da muss ich nur noch ein paar Jahre warten und kräftig weiterduschen. Demnächst beende ich nämlich schon das achtunddreissigste Lebensjahr und die Frisöse zog letztens das erste weisse Haar aus meinem Blondschopf. Da sind die Runzeln nicht mehr fern. Mit ausreichend Zeit kann man sich alles einreden.

Dienstag, November 04, 2008

Logikproblem

Heute ist die Verhandlung von dem Steinevonderautobahnbrückeschmeisser, bei dessen Wurf eine junge Frau ums Leben kam. Eben im Radio hörte ich diesen Satz:

"...er ist drogenabhängig. Was ist, wenn sich herausstellen sollte, dass er zum Zeitpunkt der Tat Drogen genommen hat und nicht schuldfähig war..."

Moment, nicht schuldfähig? Hallo? Wenn ich nüchtern entscheide, mir Drogen zuzuführen, von denen allgemein bekannt ist, dass sie lustige Wirkungen haben, dann nehme ich das, was ich im Zustand der geistigen Abwesenheit produziere, doch billigend und zustimmend in Kauf.

Oder nicht?

Bild dir eine Meinung

Wer in den letzten vier Tagen meine Wohnung betrat, musste sich durch Riesenberge von Klamotten wühlen, die ich mit panischem, leicht abwesendem Blick, kaltschweissigem Antlitz und mittels der wie zum Angriff gezückten Kreditkarte in meinen Besitz brachte, dann tütenweise nach Hause schleppte, um anscheinend damit nicht mich an- sondern meine Höhle auszukleiden.

Ganz so war es natürlich nicht. Nur die Hälfte der völlig nutzlosen Klamotten sind neu. Die andere Hälfte, die hier großflächig im Eß- und Wohnzimmer verteilt ist, gehörte eh schon mir. Und natürlich reicht mir für meine kleine behagliche Höhle meine Leopardenmusterpuscheldecke (irgendwo in diesem Blog erwähnte ich schon einemal eine Tendenz zu abwesendem Geschmack).

Was kann einen also noch dazu bringen, die eigene Wohnung schlimmer aussehen zu lassen als einen Shop von H&M oder Zara? Genau. Es war mal wieder soweit für: Sowas.

Der November ist nun traditionell nicht unbedingt der Wonnemonat für romantische Hochzeiten in Tütü, hektische Klamottenkäufe unter Umgehung der Stirnlappen sind aber auch bei anderen Gelegenheiten denkbar. Zum Beispiel, wenn man gebeten wird, mit einer Freundin auf einem Hanseatenabend auf dem Süllberg Häppchen zu essen und Sekt zu trinken. Tütü war also nicht wirklich angesagt, sondern dunkelblau mit Goldknopf. Für die Herren.

Nach zwei Tagen Shoppingautismus hatte ich ungefähr tausend Euro ausgegeben für Mist und eine Bluse, die ich tatsächlich zu der Hose, die ich damals zur Hochzeit kaufte, anzog. Schlicht, hanseatisch, schick. Und die ganze Panik mal wieder fürn Arsch, der dann zum Glück kurz vorm mentalen Supergau entschied, doch in ebendiese superteure beige Hose zu passen, die ich vor zwei Jahren kaufte, als ich meine Füße verlor.

Ich muss einfach öfter "für gut" weggehen, dann bin ich vorher nicht immer so aufgeregt. Also Jungs, ich lass mich gern einladen. Dafür trag ich dann auch mal Schuhe mit Hacken. Vielleicht sogar die, die den Mittelpunkt meiner Frustkäufe bilden. Ein Zehnzentimeterabsatzpeeptoegoldschläppsche mit einer Aufliegefläche im Hackenbereich von nicht mal einem halben Cent. Stellt Euch das mal vor. Gut, wenn ich die trage müsst ihr mich tragen, aber ich würde sie anziehen. Das ist ein büschn, wie einen Lastwagen auf rohe Eier stellen, aber ich hab sie gekauft, verdammt. Und ich krieg die nicht zurückgebracht, die waren nämlich runtergesetzt und ich nicht mehr Herr meiner Sinne.

Nun gut. Der gefürchtete Abend, auf dem diverse Damen und Herren, die sich um den Hafen Hamburg verdient gemacht haben, Medaillen verliehen bekamen von einer Zeitung, von der jeder behauptet, sie nicht zu lesen, ist vorbei und war viel entspannter als ich dachte. Es gab viel zu sehen, wobei ich, traditionell politisch uninteressiert, gerade mal den Herrn von Beust erkannte und mit etwas Nachhilfe von Flavia auch noch ihren Landesherrn, Herrn Carstensen.

Die ganz berühmten Leute, bei denen es sich lohnt, in ihren Hintern zu kriechen (schuldigung Herr von Beust), waren in der Menge leicht auszumachen, weil sich in locker gestrickter Formation dann und wann eine Klumpenbildung zeigte, wo aufgeregte Herren an den Lippen der Verehrten hingen, um ja keinen Einsatz zum Lachen über einen schlechten Witz zu verpassen. Ich kenn das ja aus der Bank.

Es waren Schauspieler da, die mich jetzt aber nicht so aufgeregt mit den Flügeln schlagen ließen, weil wir uns nämlich selbst eine davon mitgebracht hatten. Carlo von Tiedemann erzählte wirklich lustige Witze (Was sagt ein Wirt zu einem Schornsteinfeger? "Das geht aufs Haus" Haha), die aber keiner hören wollte, ich aß irgendwelches Fingerfood mit Sülze (gewöhnungsbedürftig), ohne Sülze (lecker) und mit Kohlensäure (bsssss). Gut, die trank ich. Trotzdem bsssss.

Schade war, dass die Verleihung der Medaille die ganzen Pfeffersäcke überhaupt nicht interessierte. Der Geräuschpegel im Raum war enorm, weil sich alle fröhlich unterhielten und niemand die verzweifelt um Ruhe bittenden Laudatoren auch nur im Ansatz beachtete. Auch Herr von Beust nicht. Und der redet nicht leise. Als ich einem Herrn neben mir, den ich natürlich nicht kannte, zuraunte, dass Herr von Beust doch ziemlich ungehemmt laut in die Laudatio quatscht, was mit Höflichkeit nicht viel zu tun hätte, bekam ich ungefragt eine recht ausführliche Schilderung, wie sehr der Bürgermeister die Kultursenatorin, die auch grad neben uns stand, fördere, weil sie diese Förderung grad etwas nötig hätte, es wäre wohl ein wenig viel für sie.

Ach so. Na dann.

Die Hamburger Symphoniker, die ebenfalls anwesend waren, wurden genauso beachtet wie die Preisträger. Eigentlich wäre es sinnvoll gewesen, man hätte mit ein paar Fotografen die Preise im Hinterzimmer übergeben und die Gäste sich derweil im Saal betrinken lassen, um hinterher noch ein paar kompromittierende Fotos zu machen. Das nur mal als Vorschlag fürs nächste Mal.

Alles in allem hat mir der Abend gut gefallen. Ich schaue mir gern mal andere Kulturen an und mit dieser komme ich auch noch recht gut aus. Die Jungtiere sind nicht so meine Welt, Herren mit hochgeklappten rosa Poloshirtkragen und achtzehnjährige Blankeneser Eisenten mit Kostümchen und Perlenkettchen. Aber die etwas gesetztere Generation dieser Gattung könnte ich mit nach Hause nehmen und mich die ganze Zeit daran erfreuen.

Und jetzt sammel ich meinen Klamottenberg zusammen, stopfe ihn unten in den Kleiderschrank, damit ich ihn nicht mehr sehen muss, und überlege, wie ich die Insiderinformationen über diverse Vorstandsvorsitzende von Firmen, die ich nicht näher bezeichnen werde, anbringe. Pfeffersäcke sind nämlich genau so normale Lästermäuler wie alle anderen auch. Und ich konnte schon immer gut zuhören. Auch wenn ich nur die Hälfte verstehe.