Freitag, November 21, 2008

So lange die dicke Frau noch singt....

Eines sei kurz vorweggenommen, nur für den Fall, dass es in diesem Jahr wider Erwarten nicht mehr passieren sollte: Als ich eben aus dem Fenster schaute, segelten dicke weisse schöne Schneeflocken zur Erde. Diese Sorte Schneeflocken, die einen wohlig schauern und ein Feuer in der Ecke des Zimmers anzünden lässt. Ich hatte meinen Vermietern schließlich gesagt, dass ich den Kachelofen behalten will...Wer nicht hören will, nichwahr?

Na gut, in Anbetracht der Tageszeit, in welcher Kaminfeuer höchstens praktisch, aber nicht behaglich sind, da die Unbillen des Arbeitstages noch vor mir liegen, verzichte ich ausnahmsweise darauf, meine Wohnung anzuzünden und erzähle, was ich eigentlich erzählen wollte. Heute gehts um Kultur.

Die an mir geleistete Erziehung hat durchaus dazu geführt, dass ich Kultur auch in frühen Jahren schon nicht nur für einen Ort hielt, an dem man Zahnbürsten aufbewahrt. Da die Annährung an Kunst und Kultur in einer sehr freiwillig gestalteten Art und Weise geschah, habe ich lernen dürfen etwas auch blöde zu finden, selbst wenn die gesamte Öffentlichkeit den Atem anhält. Den Film "Babel" zum Beispiel. Gott war der blöde. Selten so einen beknackten Film gesehen. Auch wenn man mir hinterher erklärte, dass ich ihn überhaupt niemals synchronisiert schauen dürfte, weil grad dieser Sprachwechsel Mexikanisch, Japanisch, Englisch, und dass grad dieses globale Sprachwirrwar die Tiefe des Filmes...super.

Das geht mir dann aber mit jedem unsynchronisierten Film so. Wenn die Babel-Gutfinder "Adams Äpfel" im Original gucken, haben sie nicht nur lustige Bilder, sondern den gleichen Babel-Effekt. Wenn sie nicht grad der dänischen Sprache mächtig sind. Und sie dürfen zumindest eine Handlung verfolgen, welche...

Aber auf Filme wollte ich gar nicht. Ich hab mich nur hinreissen lassen. Ich war doch grad bei dem Thema "Kultur auch mal blöde finden dürfen". Mancher Kultur spreche ich, selbst wenn ich für mich entscheide, dem nichts abgewinnen zu können, den Status überhaupt nicht ab. Karl Valentin zum Beispiel. Seit Kindertagen unter "kulturell wertvoll und ausserdem witzig" gespeichert, habe ich mich tatsächlich einmal mit Karten versorgt und durch einen Karl-Valentin-Abend gelangweilt. Seitdem weiss ich, dass der Bayer und die Hamburgensie keine Freunde fürs Leben wären, würden wir uns kennen. Aber seine Zitate - vereinzelt - verehre ich dennoch. "Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut"..... allein für diesen Satz liebe ich ihn aus der Ferne.

Ich latsche immer wieder mal ins Museum, um mich abwechselnd anöden und begeistern zu lassen, ich renne verhälnismässig regelmäßig in ein bestimmtes Theater, in welchem ich bisher jedes Mal in der Pause kopfschüttelnd die Vorstellung verlassen habe. Es kann ja mal was gutes kommen. Vielleicht hätte ich mich in diesem Jahr zum Weihnachtsmärchen anmelden sollen. Das hätte mir vielleicht gefallen. Auch dort.

Ich gehe zu Lesungen mit Kammerkonzertbegleitung und ohne Kammerkonzert, dafür mit Kaffeeduft und selbstgebackenem Kuchen, ich besuche Liederabende von Schubert, gehe in Kirchenkonzerte und bin auch ein Musicalgernhörer. Was bisher immer ein wenig auf der Strecke blieb, war die Oper.

Natürlich sass ich als Kind auch mit glühenden Augen in der Zauberflöte für Blagen und war hin- und weg. Natürlich entschied ich als Erwachsene, unbedingt diese Zauberflöte wiedersehen zu wollen. Und natürlich geriet ich in eine Inszenierung, die eher "modern" überhaupt keinen Erkennungswert für die Optik bot und mich daher in die Schmollecke schob. Die Tatsache, dass es sich um eine Open-Air-Oper im strömenden Regen handelte, die so viel kostete wie ein Mittelklassewagen und einen Service bot wie eine Jugendherberge, half auch nicht grade, mir "Opern sind toll-Aussagen" zu entlocken. Gut, die Musik war hübsch. Aber die kann ich auch auf CD.

Opern fielen also weiterhin aus. Zugegebenermaßen verfolgte mich auch eine Angst vor Sopranarien. Das kann ganz schön schlimm sein. Männergesang, meinetwegen auch bis Tenor hoch, finde ich sehr schön, schreiende Frauen legten nach meiner Meinung einen so dermaßen unangenehmen Steptanz auf meiner Ohrschnecke hin, dass ich das auch gern umging.

In der letzten Woche war es dann mal wieder Zeit für einen Test. Denn genauso, wie in in regelmäßigen Abständen die Dinge esse, die ich ums verrecken nicht abkann (Leber, Dosenmais, Milchreis), weil es sein kann, dass der Körper sich mit einem Mal entscheidet, die Vorlieben auf diese zunächst verschmähten Gerichte auszubreiten (Sauerbraten, Birnen Bohnen und Speck, Königsberger Klopse), muss man auch mal andere Abneigungen ausprobieren um sich zu bestätigen oder überraschen zu lassen.

Die Einladung in die Oper kam mir da gerade Recht. Turandot sollte es geben, die Oper, mit der der Telekomheini Paul Potts seinen Durchbruch geschafft hat, und diese Einladung hieß "Oper mit Rotwein und Käsestullen". Ich brachte die Käsestullen, mein Begleiter den Wein. Nun ist die Vorstellung sehr witzig, im Parkett der Hamburger Staatsoper seinen Picknickkorb auszupacken und Limburgerschnitten zu mampfen, um dann Anfeindungen und gerümpften Nasen mit hochgezogener Stirn und dem vorwurfsvollem Hinweis, doch nicht in die Vorstellung zu quatschen, zu begegnen. Doch mein Begeleiter soll seinen Job in der Oper gerne behalten, weswegen wir eine etwas abgeschiedenere Basis aufsuchten, wo wir nach Herzenslust rumstinken und Budnikowski-Wein trinken konnten.

Hoch oben über dem Parkett waren für uns diese Raumschiffsessel reserviert, in welchen sonst Beleuchter mit Spots die Sänger auf der Bühne verfolgen. Die Idee, diverse Knöpfe auszuprobieren, wurde im Keim erstickt mit "die gehen jetzt nicht" und so hatte ich Gelegenheit, die gesamte Turandot anzuschauen, ohne vorher rauszufliegen.

Was soll ich sagen. Es schmeckte. Sogar als die dicke Frau schrie, war ich immer noch ganz angetan und bewegt. Diesen Blödarsch der da seinen Vater draufgehen und die Sklavin totfoltern lässt für so ne blöde Prinzessinenbraut, hätte ich zwar gern mal in die Finger bekommen, aber im großen und ganzen hat es mir hervorragend gefallen. Ich könnte mir fast vorstellen, öfter in die Oper zu gehen.

Hab ich schon mal gesagt, dass ich alt werde? Ich habe schon total Angst vor dem Moment, wo ich anfange Kittelschürzen gutzufinden und Bauernmalerei. Oder Andrea Berg. Aber egal wie alt ich werde und was ich alles noch so gutfinden werde, so lange die dicke Frau noch schreit, ist die Oper noch nicht zu Ende.

3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

ich habe bei den dicken frauen immer die frage im kopf: in welcher sprache singt die da eigentlich? oder ist das überhaupt sprache? vielleicht nur eine aneinandereihung von tonleiterfragmenten?
tut mir leid, ich versteh da nie was. da kann ich mir auch einen obertonsänger anhören. da kann ich auch nix mit anfangen. könnte aber auch an mir liegen. bei herbert grönemeier versteh ich auch kaum was.
aber la bohämm in der staatsoper fand ich gut. allerdings erinneri ch mich an keine dicken frauen und über der bühne gabs untertitel (Obertitel?)
lange rede ohne sinn: schönes wochenende^^

Anonym hat gesagt…

Ich weiss nicht mehr, welche Oper es war. Die Dame - sie war übrigens kein dickes Fass - sondern ein zartes Persönchen mit beachtlichem Stimmvolumen, kreischte gefühlt 30 Minuten "Er ist tot, er ist tot, er ist tot" - und ich dachte mir irgendwann, einmal noch und DU bist tot!

Anonym hat gesagt…

Falls Du mal beim Thema Geschmacksverschiebungen Bedarf haben solltest: das Unternehmen in dem ich angestellt bin betreut ganz viel Volksmusik. Kastelruther Spatzen, Florian Silbereisen, Sigrid & Marina.....