Mittwoch, März 28, 2007

Nase voll

Es wird Frühling. Die Sonne strahlt vom Himmel, die Krokusse blühen, die Osterglocken besprenkeln das Grün mit fröhlichen gelben Farbtupfen. In den Parks sind die Wiesen voll mit Sonnenanbetern, Schönwetterjogger kommen aus ihren Löchern um sich um die Alster zu coolen, und die Hormone aktivieren das im Winter nahezu in Vergessenheit geratene Balzverhalten.

Junge Frauen zwängen ihre Hintern in die weißen Jeans und die jungen Männer rotzen auf die Straße.

Das habe ich noch nie verstanden. Beides. Heute meine ich aber das Letztere. Eine Zunahme von ekligen Körpersekretansammlungen auf dem Bürgersteig ist, seit die Sonne wieder scheint, deutlich bemerkbar. Was mag wohl der Grund dafür sein? Was treibt die kleinen Racker dazu, Schleimprodukte geräuschvoll im Mund zu sammeln, um sie dann schwungvoll in die Umgebung zu schleudern?

Vielleicht ist es ein überholtes Paarungsritual. Ich hoffe zumindest, daß es sich bei dieser Verhaltensweise um eine Art genetischen Reflex handelt. Vollautomatisiert gesteuert durch das vegetative Nervensystem. Genau wie nervöses Schwitzen, Herzklopfen, Zittern und Zucken. Die Vorstellung, daß sich unsere putzigen Männchen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, im Angesicht ihrer eigenen Wahrhaftigkeit, also „bewusst“ dazu entschließen, diese bei Frauen – oder zumindest bei mir – schwer übelkeitauslösende Rotznummer abzuziehen, widerspricht allem was ich über Anstand, Sitte, und gute Manieren lernte.

Aber vergessen wir mal gutes Benehmen. Versuchen wir eine positive Sichtweise. Möglicherweise handelt es sich ursprünglich um eine durchaus gutgemeinte Präsentation des Speichels, welcher dem Männchen wegen der vielen leckeren Weibchen, in Kombination mit seinen durch den erwachenden Frühling sprießenden Testosteronpflänzchen, im Munde zusammenläuft. "Guck hier Frau, so feucht bin ich. Und Du?", gefolgt von beeindrucktem Speichelbegutachten mit anschließender Paarung.

Und dann schlug die Evolution zu. Vielleicht dauerte ein Winter einst länger. Oder mehrere. Eine Eiszeit. Jawohl, bestimmt. Eine Eiszeit. Keine Sonne, kein Testosteron, kein weißer Flieder, nur dicke miese kalte Nebenhöhlenentzündungen. Kein Männchen in Sicht mit schicker Spucke. Nichts. Die Menschen wären ausgestorben, wenn die Herren nicht die Damen davon überzeugt hätten, daß Rotzen mindestens ein genauso guter Grund zum pimpern ist wie rumsabbern. "Hier, chhhrotz, sei zufrieden mit dem was da kommt. Paaren?"

Eine gute Theorie.

Man kann sie noch weiterspinnen, diese Theorie und gelangt dann zu einem etwas anderen, aber thematisch naheliegenden Grund für die Sekretschleudern. Wir befinden uns in den Tiefen der etwas esoterisch angehauchten Psychosomatik. Hier muß ich nun fröhlich Halbwissen in die Gegend posaunen, da ich das Buch, in dem ich einst über die Polarität zwischen der Nase und den Geschlechtsorganen las, dankenswerterweise irgendwann verlieh und vergessen habe, an wen. So schlimm ist das nicht. Wer es auch hat, behalte es bitte.

So las ich seinerzeit, daß es durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, daß jemand, der untenrum Probleme hat, dieses gerne mit Problemen in jochnahen Bereichen somatisiert. Aber es muß ja nicht immer nur um Problemchen gehen. Wir denken heute ja positiv.

In weiblichen Kicherrunden verbreitete Erfahrungsberichte besagen ja, daß es mit Sicherheit nicht die Größe der Nase ist, von der gesprochen wird, wenn man sie mit dem Johannes von Hannes vergleicht. Der Ursprung muß also woanders herkommen. Eigentlich ist das ganz logisch. Wenn wir jetzt an den Rotz oben (Sperma unten) denken, den die Jungs aus ihren Nasennebenhöhlen (Hoden) hochziehen (runterholen), wird doch einiges glasklar. Polarität. Wie oben, so unten. Je mehr Rotz, umso mehr fruchtbare kleine schleimige Soldaten. Die Nachzucht ist gesichert. Es geht bei der Nase nicht um den Größten. Es geht um den Vollsten. Voilá.

"Seht her, ich kann drei Mal hintereinander auf die Straße rotzen" signalisiert er. Guckt dabei männlich cool und ordnet sich gleichzeitig mit kühnem Griff seine unteren Nebenhöhlen. "Wow" denkt das Weibchen, "was für ein potentes Kerlchen" und macht sich direkt daran, ihre Libido auf Empfang zu stellen.

Und was mache ich kleines Dummerchen morgens, wenn ich zwischen den ganzen menschlichen Lamas über den Pausenbürgersteig zur U-Bahn wander? Ich rümpfe die Nase anstatt mir die Kleider vom Leib zu reissen.

Das muß einem aber auch erstmal erklärt werden.

Montag, März 26, 2007

Bikinifigur

Mit Spam-Mails zur Penisverlängerung werde ich glücklicherweise nicht überzogen. Die Spams zum Thema Pokern, welche in den langen dunklen (haha) Wintermonaten schier übermütig in meinen Postfächern herumploppten, nehmen auch langsam ab. Und das kann ich, wenn ich dem neuesten Spamtrend glaube, jetzt auch. Abnehmen nämlich. Und zwar noch viel besser. Irgendein Absender viva la dingsbums versendet jetzt Spams mit dem Betreff "Jetzt kostenlos abnehmen".

Das finde ich ja gigantisch. Kostenlos. Wow. Ich dachte ja immer, ich konnte mit akuter Abnehmmotivation sogar sparen, wenn ich im Supermarkt an der Gummitiertheke vorbeigelange, ohne mir rosa Schaumschweine oder Joghurtgums zu kaufen, oder aufhöre, genauso viel Bier zu trinken wie meine mich fast durchweg an Körperlänge und -fülle deutlich überragenden Stadionjungs.

Es kann natürlich immer passieren, daß man die Grundform ein wenig zu stark polstert. Daraus entsteht unter Umständen ein nicht zu unterschätzender Leidensdruck, der wirtschaftlich viva la dingsbums ausgenutzt wird.

Ich habe diese Spam jetzt nicht geöffnet, wage aber zu behaupten: Mädels, dem zu folgen ist sicherlich in keinster Weise kostenlos. Aber umsonst.

Die lustigsten Ideen werden auf den Pölsterchen armer Mitmenschen ausgetragen. Meine persönliche Hitliste führt eine ganzseitige Anzeige in einer dieser Fernsehbeilagen an, in der auch Potenzsteigerungen und Treppenlifte beworben werden. In dieser Anzeige bewarb ein Herr Professor Doktor Irgendwas den ultimativen Abnehm-Badezusatz, den er auch - wie es sehr anschaulich beschrieben wurde - an seiner Frau ausprobiert und für gut befunden hatte. Dieser hochtechnisierte Badezusatz saugte die Fettzellen während des Bades durch die Haut ins Badewasser. Wahnsinn, was? Jeder Konsument konnte den Erfolg allein schon dadurch sehen, daß sich auf dem Badewasser Fettaugen bildeten. Also, wenn das kein Erfolg ist.

Als echter Marketingstratege hätte man noch darauf hinweisen können, daß das Bad in der Fettsoße außerdem ausgesprochen gut für eine zarte Haut und gegen Cellulite wäre. Und gegen Segelohren, Plattfüße, üblen Mundgeruch und Einsamkeit hilft. Kostet für eine wöchentliche Anwendung auch nur dreihundert Euro. Dankeschön.

Diese ganzen teuren Cellulitecremes sind übrigens ein ähnlich erfolgversprechendes Thema, aber heute sind wir beim abnehmen.

Bei wem dieser Badezusatz erstaunlicherweise nicht zu der versprochenen Gewichtsreduktion führt, hat noch andere Möglichkeiten. Er kann stoffwechselfördernden Artischockensaft trinken, der scheiße schmeckt und deswegen gut sein muß. Er kann sich morgens zwingen, einen großen Becher Apfelessig zu trinken. Danach wäre mir auch den ganzen Tag schlecht. In der Vorstellung also durchaus erfolgversprechend. Er kann sich aus dem Teleshopping eine Zirkulationstonne mit Stepper kaufen. Da muß man sich täglich ein weinfassähnliches Gebilde anziehen und dann eine halbe Stunde rumsteppen. Erst, wenn man sich so richtig zum Horst macht, ist es gut.

Man kann Puh-Örks-Kapseln kaufen, von denen man auch nicht abnimmt, aber die wenigstens nach Hundekot riechen. Feigenpulver, Citruskapseln, und dann diese Nehmen-Sie-doch-einfach-ein-paar-Liter-ab-Kapseln (pinkeln Sie sich schlank).

Auch der unglaublich gesunde Geheimtipp der Models, die keine Lust mehr auf brechen haben, nämlich Wattebäusche essen, ist von der Industrie in Form von Zellstoffkapseln aufgegriffen worden. Kosten mehr als Watte oder Putzschwämme, muß also gut sein.

Wer es gern chemisch aus der Apotheke hat, kauft sich teure Appetitzügler aus Amerika. Abnehmen wird man damit nicht. Aber vielleicht bekommt man davon eine prima Psychose, Herzrhytmusstörungen und Bluthochdruck. Dadurch kommt man sich endlich mal wieder selbst etwas näher.

Mehrere hundert Millionen Euro werden im Jahr für diesen Unfug ausgegeben. Ich bin echt in der falschen Branche.

Laßt Euch nicht verarschen. Werft Eure alte Barbie weg und holt mal wieder Euer Fahrrad aus dem Keller. Diesen Tipp könnt Ihr auch gerne mit der Post bekommen. Per Nachnahme. Kostet nur achtzig Euro.

Gerngeschehn.

Freitag, März 23, 2007

Man lernt nie. Aus!

Manchmal stelle ich mir das menschliche Hirn vor wie eine Horde Lemminge. Sieben Informationslemminge passen auf den Gipfel. Für jeden neuen Lemming der reinkommt, fällt hinten einer runter. Ungeachtet der Wichtigkeit und des Status und Standes des Lemmings. Es liegt nicht in meiner bewußten Macht, welche Informationen in die Schlucht ewigen Vergessens abgleiten und welche sich im Fall noch an irgendwelchen Hirnvorsprüngen festklammern können.

Hieraus entstehen die Situationen, die (hoffentlich) jeder kennt. Man steht verwirrt vor irgendeinem Schrank und überlegt krampfhaft, warum man zum Teufel dort steht. Die Information "einkaufen" zwingt einen in den nächsten Drogerieladen, wo man dann die Zeit damit verbringt, durch die Gänge zu wandern und zu hoffen, daß einem wieder einfällt, was man eigentlich einkaufen wollte, weil die zu dieser Information gehörenden Lemminge schon längst zerschellt sind. Man holt sich Kaffee aus der Küche und erst vorm Computer fällt einem wieder ein, daß man Kaffee ohne Zucker überdurchschnittlich widerlich findet (ich komm sofort wieder).

Bei genauer Betrachtung ist festzustellen, daß es in erster Linie Unfug und Nutzloses ist, was sich geduldig festgekrallt in die Langzeitschlucht wartet und von dort problemlos ständig abrufbar ist. So kann ich heute noch sämtliche Otto-Platten auswendig und auch die Mein-Gott-Walter-Gedichte von Mike Krüger. Die politische Landesführung aus vergangenen Zeiten, die Bundesligamannschaftsaufstellungen aus den Zeiten von Paul Breitner. Alles noch da. Ich weiß noch wer Jürgen Hingsen war, obwohl ich mich niemals für Leichtatlethik interessiert habe. Ich kann sogar noch ganze Passagen aus meinem Geschichtsbuch der achten Klasse, welches ich damals, nachdem ich herausgefunden habe, daß der Lehrer die Fragen in der Arbeit dem Text entlehnte, stumpf auswendig lernte. Zumindest russische und französische Revolution ist nach wie vor abrufbar.

Als gestern Kollegen auf ihre Geburtstage ein mittägliches Wurstessen ausrichteten, war ich, die Sendung mit der Maus sei Dank, in der Lage, meinen Mitstreitern einen Vortrag darüber zu halten, warum Weißwurst vor Urzeiten nur bis Mittags gegessen werden durfte, daß sie zum Großteil aus Fett besteht und daß man heutzutage durchaus das Außenrum mitessen darf und nicht mehr eklig in der Gegend herumzutzeln muß.

Ich weiß noch genau, worüber sich die beiden Stiefel-Ieschen neben mir in Basel auf dem Flughafen unterhielten, nämlich über die Tigergrassalbe, die sich eins von den Mäuschen, welches den ultimativen ich-werde-mich-vielleicht-demnächst-erkälten-Schalberg um den Hals trug, irgendwo hinschmierte, und dabei ihre Freundin darüber in Kenntnis setzte, daß das ein echtes Wunderzeug wäre, man hätte nämlich herausgefunden, dass sich Tiger, die sich verletzt haben, an einem bestimmten Gras schuppern und die Wunden dann schneller heilen.

Sie hatte natürlich keine adäquaten Tigerwunden anzubieten. Das hätte mich jetzt auch wirklich gewundert. Ich habe trotzdem genau hingeguckt. War noch alles dran an der Frau. Aber heil ist heil. Ob jetzt innerlich oder äußerlich. Prophylaktisch aufgeschmiert hilft das bestimmt gegen alles. Hauptsache Wunderzeug. Tiger hin oder her.

Ich hätte sie um den Namen der Salbe bitten sollen, dann könnte ich jetzt den abgebrochenen Nippel an meinem Trockner wieder anheilen lassen und müsste nicht immer die Wasserkiste vor die Tür schieben, damit die Tür nicht ständig im Gebrauch aufgeht, das Gerät stoppt und ich hinterher stinkende halbfeuchte Wäsche da raussammeln muß. Sekundenkleber habe ich schon probiert. Das hält zwar Männer an der Zimmerdecke, aber keine Nippel in Trocknertüren. Warum man Männer an die Decke kleben will ist mir übrigens schleierhaft. Sehr dekorativ finde ich das nicht.

Aber fangen wir den Gedanken mal wieder ein und kommen zurück zur Speicherleistung des internen Lemminggipfels.

Ich erinner mich an alles mögliche. Aber meinen Terminkalender habe ich nicht im Kopf. Ich weiß noch die Telefonnummer meiner ersten Wohnung, komme aber regelmäßig ins Schleudern mit meinem Paßwort in der Firma. Die Geburtstage von Bekannten, mit denen ich längst keinen Kontakt mehr habe, weiß ich noch, mir fallen bloß nicht mehr ihre Namen ein.

Was meine Lemminge nämlich überhaupt nicht können, ist die Verbindung von Gesichtern und Namen. Ich sehe meine Nachbarn geballt ungefähr zwei Mal im Jahr bei einer netten Zusammenkunft im Hof. Man verbringt einen schönen Abend, lüpft ordentlich einen, trägt sich gegenseitig schwankend zu den Haustüren und spätestens eine Woche später habe ich wieder vergessen wer wo wohnt, wer wer ist und vor allem, was die Sache unangenehm macht, mit wem ich mich jetzt Duze. Leider stehen an den Klingeln keine Vornamen, da könnte man vielleicht noch heimlich lernen, so muß ich mich in Zufallsunterhaltungen ständig rethorisch winden.

Und wenn mich einer außerhalb des Innenhofes ansprechen würde, würde ich den eh nicht mehr erkennen.

Seid also nachsichtig mit mir, wenn ich Euch nach einiger Zeit nicht mehr erkenne. Helft Eurem Lemming wieder auf den Gipfel, irgendwann wird er einer von denen sein, die die Gipfelnahen Vorsprünge bevölkern.

Vielleicht. Wie war noch mal Ihr Name?

Mittwoch, März 21, 2007

Die Welt ist bunt

Gestern abend war es dann soweit. Ein schöner Urlaub, vielmehr ein schönes langes Wochenende, ging zu Ende. Egal was immer für Diskussionen geführt werden, mir persönlich gefällt es in der Schweiz fabelhaft. Mir drängte sich auch noch nie der Eindruck auf, als würde der Durchschnittsschweizer Besuch aus Deutschland ablehnen. Im Gegenteil. Und das, wo ich regelmäßig mit leicht debilem Gesichtsausdruck durch die Gegend laufe und Dinge von mir gebe wie: "äh, ich verstehe leider kein Wort".

Das schöne Wetter, welches bis Montag früh noch sonnte und strahlte was das Zeug hielt, wandelte sich am Tag meiner Abreise, eigentlich schon am Abend vorher, in Schnee und Gestöber. Ich fürchtete schon eine unfreiwillige Verlängerung meines Aufenthaltes. Der Fahrplan der Deutschen Bundesbahn bricht ja regelmäßig total zusammen, sobald ein Flöckchen vom Himmel rieselt. Die SBB ist da jedoch vorbereiteter, so daß ich meinen Flieger anstandslos und rechtzeitig erreichte. Aber ganz ehrlich, eine unfreiwillige Verlängerung hätte mich auch nicht wirklich aus der Bahn geworfen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

And now for something completly different: Auf besonderen Wunsch eines einzelnen Herrn:



hier nun der Nachweis, wie bunt ein Rheinfall sein kann:



Nach dieser Farbenpracht war es kein Wunder, dass ich selbst eine Metamorphose durchmachte und mich in diesem Zustand in Thun wiederfand:




Ich weiß immer noch nicht, wie ich das gleich meinen Kollegen erklären soll.

Montag, März 19, 2007

Wieder in Thun



Wenn ich aus dem Fenster schaue, blicke ich auf fast 180 Grad schneebedeckte Alpen. Ganz links geht es los mit Eiger, Mönch und Jungfrau und ob die anderen Berge auch Namen haben, weiss ich nicht.Sie wurden mir noch nicht vorgestellt. Aber hübsch sind sie. Als typische Norddeutsche sollte ich ja eigentlich Dinge sagen wie:" Ach, ich kann die Berge nicht ertragen, da ist alles so eng, ständig schaut man gegen eine Wand. Da lobe ich mir die Schleswig-Holsteinische Ebene. Da sieht man Freitag, wer am Sonntag zum Kaffee kommt".

So eine Bemerkung lässt sich schwer glaubhaft loslassen, wenn man sich halbwegs in den Bergen befindet. Es ist nämlich überhaupt nicht von der Hand zu weisen, dass der Blick deutlich weiter schweift, wenn man erhaben stehend in ein Tal guckt. Nix Wand. Die Berge bilden den Horizont, genauso wie das Meer im Norden. Mit dem Unterschied, dass die Betrachtung einer Bergkette diverse Details entdecken lässt, mit denen man sich die Zeit des Betrachtens angenehm vertreiben kann. Das Betrachten des Meeres ist dann mehr Zen. Da gibt es nämlich ausser einer geraden Linie am Horizont nichts zu sehen. Gut. Wolken. Die gibts in den Bergen aber auch. Und dann und wann ein Schiff, die sucht man hier auf den Gipfeln allerdings vergebens.

Ich habe beides gern. Ein jedes Ding zu seiner Zeit. Ich guck auch Wald gern an. Und See. Natur angucken ist, egal wie, toll und sollte nicht zur bei-uns-ists-aber-besser-Diskussion herangezogen werden. Tiere guck ich auch gern. Und Menschen. Ein Nachmittag am Hauptbahnhof kann sehr amüsant sein wegen der bunten Mischung dort. Das ist dann aber kein Zen. Das nennt man dann Lästern.

Einen echten Rheinfall zum Thema "Natur gucken" habe ich hier jetzt auch erlebt. In Schaffhausen, wo ich mit meinem Schwesterchen und dem reizenden Kollegen "Humpel-(blog)Wiese" die Treppenstufen meisterte und die ganze Zeit Panik hatte, dass mir mein Fotohandy in die Fluten fällt. An dieser Stelle übrigens noch einmal ganz lieben Dank der gesamten Familie Wiese für Gastfreundschaft, eine angenehme Zeit, Spass, Wein, gutes Essen, Fremdenführung, bequeme Betten und Herzlichkeit.

Das Wetter hier in der Schweiz ist übrigens sehr weiblich. Attraktiv aber auch launisch. Wenn die Sonne herauskommt, fängt sich der lichtempfindliche Durchschnittshamburger sofort einen Sonnenbrand. Derzeit sehe ich aus wie ein etwas dicklicher Hummer. Kurze Hose und T-Shirt war in den letzten Tagen hier die übliche Bekleidung. Es war warm und sonnig. Fast schon Sommer. So muss Urlaub sein.

Gestern hiess es dann, dass sich das gute Wetter verabschiedet. Schnee, Graupel, Temperatursturz und alles. Heut Nacht sah es auch so aus. Es schneite, stürmte, graupelte und regnete, dass es nur so eine Freude war. Und jetzt? Die Berge, frisch überzuckert, liegen im schönsten Sonnenschein. Der Wetterbericht spricht immer noch von furchtbaren Zuständen, nur hier in Thun, genau über mir, ist im Himmel ein Loch, wodurch die Sonne lacht.

Das nenne ich wahre Gastfreundschaft.



Danke, Thun.

Dienstag, März 13, 2007

Weiblich, ledig, jung, verkauft...

Am Frühling liegt es wohl ausnahmsweise nicht, daß sich ein aktueller Trend zur Prostitution breit macht.

Nach langer Zeit habe ich mich einmal wieder durch die Angebote im e-bay geklickt und fasziniert festgestellt, daß ich dort junge Männer kaufen kann und angeblich 24-Jährige in Aussicht stellen, gegen entsprechendes Gebot mit dem Käufer Eis essen zu gehen. Natürlich will e-bay nicht die Position des Luden einnehmen und löscht die Angebote ziemlich zeitnah. Dennoch taucht das immer wieder auf. Normalerweise kennt man das ja nur aus dem Anzeigenteil der örtlichen Zeitungen: "18 Jahre, dicke Möpse, will Dich". Oder so ähnlich. Ich habe leider grad kein entsprechendes Exemplar hier. Also weder eine Zeitung, noch eine Achtzehnjährige mit dicken Möpsen. Deswegen entbehrt die zitierte Anzeige natürlich den Anspruch auf Echtheit. Nein, die Nummer hab ich auch nicht. Geht weg.

Woher kommt der Trend der Jugend, sich kichernd vor den Rechner zu setzen um sich in dieser Art und Weise zu vermarkten? Ich kann das ja bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Doch wenn es jetzt nur um den akuten Spaßfaktor geht, gäbe es doch ausreichend Flirtplat(t)formen. Als Frau hat man da gute Chancen, hin und wieder zum Essen eingeladen zu werden. Das bringt doch im Schnitt viel mehr als für EUR 6,99 abzüglich e-bay-Gebühr mit Faktor X Eis essen zu gehen und das Eis natürlich auch noch selbst bezahlen zu müssen.

Ob Männer zum Essen eingeladen werden? Keine Ahnung. Nicht von mir.

Braucht die Jugend das Geld für ihre Handyrechnungen? Auch hier bemühe ich einmal wieder kurz meine Vergangenheit. Bine, zart über zwanzig und total pleite. Jaja, wer mit Anfang zwanzig nicht über seine Verhältnisse lebt, macht wohl was falsch. Nachdem ich von meinem damaligen Kontoführer einen Einlauf bekommen hatte, daß ich jetzt aber zack wieder ins Limit müßte, saß ich auch, mich selbst natürlich extrem bemitleidend, zu Hause und überlegte meine Möglichkeiten: Nebenjob, Eltern fragen, Körper verkaufen. Punkt eins und zwei zog ich ernsthaft in Erwägung, Punkt drei war eher der Ausdruck des damals langsam aufkeimenden Zynismus. Hab ich übrigens schon mal erzählt, daß ich in der Bank eine Art "Black Man" bin? Also ein Geldeintreiber? Damals schon? DAS ist Zynismus. Aber da wußte ich wenigstens wovon ich rede, wenn ich den Leuten eine Moralpredigt über die Einhaltung eines Haushaltsplanes hielt.

Doch ich schweife ab. Warum verkaufen die Jugendlichen ihre Freizeit gegen Geld. Darum gings. Weil andere es auch machen. Der nicht mehr ganz so junge Mann mit der lockeren Nase und dem Hang zu kleinen Jungs zum Beispiel. In Japan durften sich doch Fans für den kleinen Obolus von knapp über EUR 2000,00 mit Michael Jackson fotografieren lassen.

Sie kriegen es vorgelebt die kleinen Racker. Heute gehts in erster Linie ums Marketing. Ein Wertewandel. Charakter gegen gute Präsentation. Freundschaft gegen Höchstgebot. Liebe gegen Statussymbol, Wertschätzung gegen Anerkennung für erbrachte Leistung.

Und wißt ihr womit das losgeht? Damit, daß Eltern ihren Kindern Geld dafür geben, daß sie den Mülleimer runtertragen oder beim nachmittäglichen Kaffeebesuch bei den Schwiegereltern brav geblieben sind. Man kann also alles verkaufen. Und Geld regiert die Welt. So isses wohl.

Na gut. Ich pack den Moralapostel wieder aus und werf noch ne Gelomyrtol ein, damit mir die Kieferhöhle am Donnerstag im Flugzeug nach Basel nicht implodiert.

Oder bekomme ich mein Geld zurück wenn ich nur anständig herumwimmer? Ich ruf mal an und frag.

Samstag, März 10, 2007

Hohlkopf

Seit einigen Tagen renne ich nun herum wie eine alte Pappmachèpuppe. So heißen doch die Dinger, die im Kopf einen aufgeblasenen Luftballon herumtragen? Wir haben so etwas im Kindergarten gebastelt glaube ich. Oder eine Laternelauflampe. Könnte ich momentan auch prima darstellen. Dafür müßte ich mir nur ein Teelicht in den Mund stellen.

Ach nee, bei der ist der Ballon ja schon kaputt. Bei mir ist er beachtlich haltbar. Große leere Blase hinter den Augen, die nach vorne kontinuierlich die Tränendrüsen leert und die Nebenhöhlen füllt. Da ich derzeit täglich etwa achtzig Liter Wasser in mich reinschütte, bin ich sozusagen der lebende Prototyp der Pappmachèpipipuppe, die auch weinen kann. Mit einem Unterschied, daß ich vollautomatisch bin und man mir nicht extra am Arm ziehen muß.

Die Produktionsstraße scheine ich aber noch nicht ganz durchlaufen zu haben, sonst würde ich davon ausgehen, eine seltene Fehlfarben zu sein. Denn die fehlen, die Farben. Aber nicht, daß ihr jetzt denkt, ich hätte den zarten Teint einer Porzellanpuppe. Neinnein, es ist schon mit dreckigen Händen im Kindergarten gematsches Pappmaché. Hier und dort Reste von Knete und Sandkasten, und über einige Flecke möchte ich gar nicht näher nachdenken.

Aber einen schönen Menschen kann ja nichts entstellen. Und Nachdenken geht mit leerem Kopf nur bedingt.

Wo sind nur meine Teelichter? Vielleicht geht davon ja der Ballon kaputt.

Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.

Mittwoch, März 07, 2007

female affairs

Als ich heute nach meinem morgendlichen Mailcheck das GMX-Konto wieder verließ, blieb mein Blick an einer rosa animierten Werbung von female affairs in annährender Bildschirmgröße hängen.

Das erste Pop-up brüllte: "Testen Sie sich urlaubsreif".

"Oha", dachte ich, dieser Test scheint es in sich zu haben. "Urlaubsreife" wird ja doch durch allgemeine Erschöpfung und durchschnittliche Lustlosigkeit erreicht. Den Test mache ich lieber nicht.

Dann kam das nächste Fenster: "Jetzt am Verhütungsquiz teilnehmen".

Wow. Ein Quiz über Verhütung, welches urlaubsreif macht. Dabei kann es sich ja bei Licht und unter Einbeziehung des Mutterschutzgesetzes nur um ein Anti-Verhütungsquiz handeln. Wie fortschrittlich. Endlich wird etwas gegen die abnehmende Geburtenrate getan. Nach diesem Test können dann wohl die Frauen, die den hormonellen Supergau erreicht haben und deren Partner einem Kinderwunsch nicht reinen Herzens zustimmen können, kreativere Lösungen finden als das altbewährte Tropi-Kind.

Tropi? Das kennt ihr doch noch von früher oder? Die Trotz-Pille-Kinder? Häufig war in der Zeit vor der Empfängnis ein gesundes Sprießen von Topfpflanzen in der weiblichen Wohnung zu beobachten. Das Zeug eignet sich nämlich angeblich hervorragend als Dünger. Die Herren waren durch diese Anti-Verhütungs-Taktik leicht zu täuschen, weil es sie schon irgendwo in ihrer Männlichkeit bestätigte, daß sich ihre kleinen Soldaten von den eßbaren Hormonen der Frau nicht aufhalten lassen und sie zur Elite der Nullkommairgendwasrestchance gehören.

Vielleicht lernt man in dem Test, wie man das Notkondom an der Pinwand befestigt, durch welche Technik man das in Gebrauch befindliche zum reissen bringt, mit welchen Mitteln man sich nach der Pilleneinnahme zum brechen bringt und wie man unter Umständen die Konto- und Familienstände des derzeitigen Partners in Erfahrung bringt. Denn trotz Elterngeld ist es bestimmt interessant zu wissen, ob derjenige schon Alimente zahlt und wie viele zusätzliche Alimentebezieher er sich noch leisten kann. Ist ja nicht immer Gold was glänzt.

Doch das nächste Pop-up ließ meine ganzen schönen Überlegungen verpuffen. Als Belohnung für die Testteilnahme kann man eine Reise gewinnen. Wie langweilig. Schade.

So setze ich mich also nicht weiter mit der Bauchfüllung auseinander, sondern mit meiner Nebenhöhlenfüllung, die sich leider derzeit ausbreitet. Obwohl, im weitesten Sinne hat das ja schon miteinander zu tun. Es gibt ja ein Kranksein, welches apettitlos und apathisch macht, manchmal schreit der Körper aber auch nach zusätzlicher Energie und Bauchfüllung. So kam es, daß ich in der letzten Nacht kurz nach der Geisterstunde mit brüllendem Hunger aufwachte und in meiner Not im Bett sitzend, verschwitzt und mit verquollenem Orang-Utan-Gesicht, ein Käsebrot aß und nach erfolgter Bauchfüllung ermattet wieder umkippte.

Dieses Bild allein hätte bestimmt auch schon als Verhütungsmaßnahme gereicht.

Schnotter.

Donnerstag, März 01, 2007

Brunch

"Treffen wir uns Sonntag zum brunchen?" ist eine der Fragen, die ich versuche zu umgehen wie der Teufel das Weihwasser. Sicher, brunchen ist theoretisch ne tolle Sache. Man schläft froh aus und trifft sich dann in illustrer Runde, um gemeinschaftlich über Stunden langsam und gemütlich das Frühstück in das Mittagessen hinüberfließen zu lassen.

Die Vorstellung alleine finde ich auch außerordentlich reizvoll. La bohéme. Mit zauseligen Haaren Cafè Latte Macciato trinken und dabei Marmeladenbrötchen mit gebratenem Speck und diese kleinen Wachteleier verspeisen. Intellektuelle Gespräche flössen einem wie von selbst aus dem Mund als wäre man keine blöde Bankangestellte, sondern unterbezahlter aber überbelichteter TAZ-Redakteur.

Philosophie träfe sich selbstverständlich mit der Bildzeitung und allseits würde satt, zufrieden und nachgiebig genickt. Auf diese Vorstellung würde ich mir gerne eine Zigarettenspitze kaufen wenn man nicht eh bald nirgendwo mehr rauchen dürfte.

Nun ergeben sich in der Durchführung allerdings kleinere Probleme. Üblicherweise bin ich Sonntags früh naturgemäß kaum in der Lage, zwei zusammenhängende Sätze mit Sinn zu bilden. Das kann, muß aber nicht zwingend mit dem vorangegangenen Samstagabend in Zusammenhang stehen. Allgemeines Parlieren liegt mir eben nicht immer. Wer sich tatsächlich auf das Abenteuer eines Brunches mit mir einläßt, sollte zur Vielrednerfraktion gehören. Zuhören kann ich dann nämlich ganz gut. Das mit dem interessierten Gucken und Nicken hab ich auch müde schon ziemlich gut drauf.

Das nächste Problem ist nicht nur ans brunchen gekoppelt, sondern ein allgemeines. Ich mag Kaffee mit Zucker. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Milch, keine merkwürdigen Aromen, kein Geschäume und keine seltsamen Namen. Kaffee. Zucker. Punkt. Ich ekel mich vor Espresso und wenn ich Kuhextrakt trinken will, dann mach ich das pur. Ich möchte keine Sojamilch und keine Kakaopuderherzchen. Ich möchte Kaffee. Ich komm vom Land. So. Kein neumodischer Schnickschnack für mich.

Wenn man mit dieser Vorliebe nach der halbstündigen Kaffeebestellung der Begleitung seine Wünsche kundtut, wird man manchmal angeschaut, als hätte man auf einer Weinprobe gefragt "kann ich vielleicht ein Bier kriegen"?

Am schlimmsten ist allerdings, daß mein Magendeckel, sobald er gesagt bekommt, daß er jetzt gleich unglaublich viele leckere Dinge verspeisen muß weil sich ein Brunch sonst nicht lohnt, direkt und ohne Los zu gehen verschließt und verkündet, daß er jetzt aber mal überhaupt keinen Hunger hat. Ist doch viel zu früh. Ich esse schließlich nicht, wenn ich muß, sondern wenn ich will. Ich will nicht wenn ich muß. Und ein wenig blutet einem schon das Herz, wenn man zum x-ten Mal für ein Käsebrötchen mit Marmelade (das geht immer) und eine Tasse Kaffee achtzehn Euro latzt. Fünfzehn fürs Brötchen und drei fürn Kaffee. Den Zucker gibts aber umsonst.

Wenn mein Magendeckel in dieser Ähbähessen-Position verharrt, registriert er auch mit zusätzlicher Verkrampfung manch eine Tellerladung Vorbeiziehender. Bei einem Sonntagsmorgensbrunch gehts ja manchmal zu wie im Pauschalurlaub am Buffet. Da türmen sich die fettigen Rühreier einträchtig neben der Marmelade, der Mascaponecreme, dem Käse und dem Obstsalat auf einem Teller. Bergeweise. Am besten noch mit Zaun. Gut, ich esse auch manchmal komische Sachen. Aber diesen Leuten möchte ich manchmal am liebsten hinterherlaufen und beruhigend auf sie einreden, daß das Buffet nachgefüllt wird. Und die Teller auch. Wir leben nicht unbedingt in einer Gesellschaft, in der man verhungern muß. Zumindest nicht die, die sich zum brunchen treffen.

Ich muß dann immer an unsere alte Zwergschnauzerhündin zu Hause denken - Gott hab sie selig - die alles, aber wirklich alles was eßbar war, bis auf den letzten Rest weggenagelt hat. Ob es jetzt ihr Futter war, der Inhalt der Näpfe von den großen Hunden, die Weihnachtsteller von uns Kindern oder der Schweinebraten auf dem Küchentisch. Scheißegal. Sie hat alles gefressen. Ein wadenhohes schwarzes Loch. Und selbst wenn sie nach getaner Arbeit hinterher eine Stunde bewegungslos auf der Seite lag, weil der Bauch sie aus dem Gleichgewicht brachte, sie hats vollendet.

Als Brunchmensch würde man wohl sagen: Bezahlt ist bezahlt. Und hier steht, ich darf so viel wie ich will. Das nutz ich jetzt auch mal aus.

Dann lieber fünfzehn Euro für ein Käsebrötchen.

Am liebsten aber eine Tasse Kaffee im Pyjama (oder was man auch immer gern so trägt des nachts) aufm Sofa mit guter Musik und Ausblick auf die langsam erwachenden Wohnungen gegenüber.