Mittwoch, November 29, 2006

Schlaflos in Hamburg

Mist. Ich bin schon wach. Was ist das denn jetzt? Senile Bettflucht? Draußen ist es noch dunkel und ich stelle irgendwann fest, daß ich bereits angefangen habe, aus unbewußten Träumen heraus mein Hirn zu lenken. Nicht auf besonderes. Nicht auf sagenhaftes. Aber gelenkt. Das kann man nicht mehr wirklich "schlafen" nennen. Ich schlage die Augen auf und bin hellwach. Hups? Ohne Wecker? Ohne den Drill-Sergant? Das ist ja`n Ding.

Kann ja nicht sein. Sowas will doch niemand. Ich werfe mich auf die andere Seite und beschließe, bis zum offiziellen Wecken noch ein wenig zu schlummern. Geht nicht. Mein Bein tut weh. Nicht doll. Nur so ein bißchen. Aus reiner Schikane. Egal, wie und wo ich es hinlege, es nervt. Der hellwache Kopf ist auch nicht gewillt, wieder zur Ruhe zu kommen, sondern flitzt hektisch themenlos durchs Hirn wie durch die Lektüre eines Stichwortverzeichnisses.

Hat keinen Zweck, denke ich, dann steh ich halt auf. Auf der Bettkante sitzend und nach meinen Puschen angelnd, werfe ich einen Blick auf die Uhr. Heiliger Bimbam. Halb drei? Ich sitze mitten in der Woche um halb drei hellwach im Bett und will aufstehen? Ich beginne langsam, das Ausmaß meines Problemes zu begreifen.

Das ist mir zuletzt in der Grundschule passiert, als ich mich um ein Uhr nachts gestiefelt und gespornt anschickte, in die Schule zu wandern. Zum Glück fing meine Mutter mich noch kurz vor der Haustür ein.

Na gut. Schlaflos also. Was macht man da? Zunächst einmal wieder umkippen. Egal. Augen zu und durch. Ich probiere ungefähr sechsundzwanzig Schlafpositionen, wobei ich mich, nur um die Zeit herumzukriegen, auch einmal mit dem Kopf an die Fußseite drehe, versuche, im Bett quer zu liegen und endlich auch mal die "Alle-meine-Entchen-Stellung" ausprobiere. Ohne Wasser.

Apropos Wasser. Vielleicht habe ich ja Durst. Wegen des Bieres gestern abend. Kurz in mich hineingehorcht stelle ich fest, daß nein. Keinen Durst. Macht aber nichts. Wenn ich mich schon nicht zwingen kann, zu schlafen, kann ich mich wenigstens zwingen, etwas zu trinken. Ich angel also erneut nach meinen Puschen und wandere Richtung Wasserflasche. Der kurze Blick auf die Uhr gibt wenig Grund zur Freude. Es ist zehn vor Drei.

Ich habe mal gelesen, daß man sich, wenn man nicht schlafen kann, mit Dingen beschäftigen soll, die so langweilig und unangenehm sind, daß man aus Notwehr lieber schläft. Wenn ich mich hier umgucke, gibt es eine Menge Dinge, die sich jetzt erledigen ließen.

Ich könnte staubsaugen, Papiere sortieren und Schubladen aufräumen. Sollte ich nämlich irgendwann einmal zufällig sterben, würde ich mich nachträglich noch zu Tode schämen, wenn ich mir vorstelle, daß jemand in meiner "Außen-hui-innen-pfui-Wohnung" die Schubladen und Schranktüren öffnet. Oder auch nur im Falle eines plötzlichen Krankenhausaufenthaltes in meine Wohnung kommen müßte, um mir frische Wäsche zu besorgen. Bah nee. Da muß was passieren. Aber hab ich jetzt Lust aufzuräumen? Nö. Ich sterb morgen einfach nicht.

Also gut, wieder Licht an, neuer Blick auf die Uhr. Es ist kurz nach drei. Immerhin vergeht sie, die Zeit. Langsam, aber stetig. Schlafend wäre mir die Uhrzeit zwar lieber, aber jetzt muß ich da irgendwie durch. Ich angel also erneut nach meinen Pantoffeln und suche mein aktuelles U-Bahn-Buch. Dann les ich halt. Mit Glück habe ich nach ein paar Seiten keine Lust mehr und meine Äuglein fallen wieder zu.

Weit gefehlt. Hellwach lese ich das gesamte Buch zuende. Wennschon dennschon. Der Griecksch ist zwar kein Hochliterat, aber amüsant und liest sich gut runter. Ich lerne also noch ein wenig über hypochondrische Vierzigjährige auf dem Weg zum eigenen Ich und sinniere noch ein wenig darüber, daß die Gedankengänge von Mann und Frau gar nicht so unterschiedlich sind. Oder Griecksch hatte einen weiblichen Ghostwriter oder ich denke zu männlich. Wie auch immer, was heutzutage von den Geschlechtern gedacht wird, entspricht wohl immer seltener dem ursprünglichen Rollending, sondern entwickelt sich mehr und mehr zu einer Unisex-Toilette. Aber eigentlich muß man für diese Art von Erkenntnissen nicht wirklich eine halbe Nacht wachliegen.

Na gut. Nächster Blick auf die Uhr. Es steht schon eine fünf vorne. Jetzt bekomme ich langsam ein schlechtes Gewissen. Ich weiß auf alle Fälle, wer sich nachher krampfhaft gähnend hinter seinen beiden Bildschirmen verschanzen wird. Das geht doch nicht. Wenigstens zwei Stunden könnte ich jetzt noch schlafen wenn ich wollte. Wenn ich doch nur könnte. Ich wandere noch zehn Minuten ziellos durch die Wohnung, zwinge mich, den Fernseher nicht einzuschalten, weil ich genau weiß, daß ich dann nachher nicht nur richtig schweinemüde sein werde, sondern auch noch Rückenschmerzen bekomme, wenn ich versehentlich auf der Couch einschlafe.

Also zurück zum Anfang. Ich starte wieder die wie-kann-man-noch-so-liegen-Aktion und mein letzter Blick auf die Uhr, bevor ich tatsächlich wieder einschlafe, erzählt mir irgendetwas von kurz nach sechs. Doofe Nacht. Abgeschlossen von einem doofen Traum, der irgendetwas mit einer Invasion von etwas Bösem in mein Haus zu tun hatte. Und im Keller stand das Wasser kniehoch. Fluchtversuche scheiterten kläglich, weil nie jemand war wo er sollte und ich meine Socken nicht fand. Wie das weiterging weiß ich zum Glück nicht, weil mir um viertel vor sieben Nana Mouskouri ihren ersten Gutenmorgensonnenschein-Versuch ins Ohr brüllte und nach deren Abwürgen der unausweichliche Drill-Sergant die letzte Hoffnung auf ein Liegenbleiben nahm.

Ich hätte meinen Kaffee heute gern intravenös, bitte.

Gähn.

Montag, November 27, 2006

Dafür

Ich persönlich würde durchaus meinen bejahenden Abstimmungszeigefinger in die Luft recken, wenn jemand den Vorschlag machte, das Phänomen "Magen-Darm-Grippe" fortan als Kinderkrankheit zu klassifizieren. Vielleicht würde diese dann wissen wohin sie gehört und nicht mehr unschuldige Mittelaltrige, die zwei unbequeme Stufen vor der Toilettenschüssel ihr eigen nennen, angreifen.

Nicht, daß ich der aufrückenden Generation so ein Wochenende wünsche wie ich es gerade durchvegetierte. Das hätten sie auch gar nicht. Sie hätten Eltern da, die sie mit Tees, Eimern, kühlenden Tüchern und neuen Bettdecken versorgten.... Nein, nicht, was ihr denkt. Ich habe es durchaus hinbekommen, rechzeitig das Bad aufzusuchen. Dennoch lag ich heute morgen in einem kaputten Wasserbett. Wenn Fieber wieder abhaut, nimmt es noch 30 Liter Flüssigkeit mit.

Irgendwie fühlt man sich wie eine gesalzene Salatgurke. So viel nasses dürfte da eigentlich gar nicht drin sein.

Ihr dürft jetzt Mumie zu mir sagen.

Donnerstag, November 23, 2006

Fabularasa

"Eigentlich könnte ich ja mal wieder was komisches schreiben" dachte ich mir vorhin. So etwas, was nicht einfach so ohne nachzudenken runtergerissen wird, sondern etwas mit Hintergrund. Etwas, bei dem pointiert bewusste Punkte hervorgehoben sind, etwas mit Sinn. Mit einer Moral. Moral ist immer gut. Besonders so kurz vor Weihnachten. Diese humorigen Bilder, die den hinter dem Rücken versteckten aaber doch erhobenen Zeigefinger gerade noch so weit verbergen, dass er unabsichtlich scheint.

Einmal wieder einen Eintrag mit rotem Faden. Mit einem schlüssigen Verlauf. Mit einem Spannungsbogen und ohne aufgemotzt wirkende Alliterationen und so und Stilbrüche sind ja insgesamt auch irgendwie voll doof. Leider weiß ich von Stil nicht sehr viel, glaube aber, dass ich sicher hier und da etwas breche. Mit Pech irgendwann mal meine Finger. Dann hätte ich ein echtes Problem. Meine Finger schreiben nämlich von alleine. Da hat mein Kopf gar nichts mit zu tun. Meine Finger denken manchmal komisch. Ich selbst habe gar keinen Humor. Und dann müsste ich darüber schreiben was ich ernsthaft denke. Wie langweilig.

Ich könnte mir ja schon mal was ausdenken. Nur für den Fall, daß ich irgendwann leer bin. Gedanken anderer Menschen ausdenken hat irgendwie etwas kindlich Befriedigendes wie das Spiel mit einer Barbie-Puppe. Ich könnte mir Geschichten von einem einsamen Singlemann namens - öhm - Kurt vorstellen. Wie er irgendwo rumsitzt und sich Gedanken darüber macht, wie single er ist und ob er lieber Bratkartoffeln möchte oder Reis. Das wäre es doch. Dem könnte ich richtig lustige und singlemäßige Hausschuhe aus Cord anziehen....und ....Cord, das ist ein viel hübscherer Vorname für einen männlichen Single in einsam mit Puschen. Cord, das ist besser als Kurt. Wer Cord heißt, wird bestimmt nur alle Schaltjahr mal geküsst.

Ist ja bald wieder. Ein Schaltjahr. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass Cord am 29. Februar Geburtstag hat, küsst ihn seine Mutter. Und die Tochter von der Nachbarin. Die ist so alt wie er. Und hat früher mit ihm zusammen in der Sandkiste gespielt. Sie hat eine zugenähte Hasenscharte und einen schlechten Charakter. Denn merke: Nicht jeder Mensch, der kacke aussieht, hat ein goldenes Herz.

Cord wird jetzt also 8x4, er hat einen Kurzhaarschnitt mit Pony und an den Seiten gerade heruntergekämmten Haaren. Die Haare sind schon leicht licht und uninteressant gefärbt. Außerdem sind sie einen Tick zu lang und beginnen sich im Nacken ganz leicht zu locken. Nur unten. Wie bei einem Baby. Sieht leider nicht süß aus.

Er ist fast 1,90 m groß und ziemlich dünn. Beachtlich an ihm ist, daß seine Hände beim gehen gerade herunterhängen. Wer ihn anschaut ist deswegen zunächst irritiert. Es sieht aus, als hätte man bei einem Hampelmann die Arme unten festgetackert. Wenn Cord beim tatsächlich einmal mit den Armen schlenkert, dann macht er das im Passgang. Er schlenkert also mit dem rechten Arm nach vorne, wenn das rechte Bein einen Schritt
macht. Das wirkt noch irritierender als die Tackerarme.

Er trägt bestimmt eine Brille. Eine Brille mit einem blauen Gestell. Eher ein kleineres Modell, so wie es vor ein paar Jahren bei den vermeintlich Intellektuellen mit den Wollpullis und den Kindern mit den komischen Namen ("Berenice, kommst du bitte mal zu Wolfgang), die ihre Eltern beim Vornamen nannten, modern war.

Seine Brille ist etwas angeschmutzt. Außerdem rutscht sie auf der Nase immer etwas nach unten, welches Cord mit einem kurzen Stirnrunzen und Naserümpfen wieder in Ordnung zu bringen glaubt. Nach drei oder vier Rümpfern schiebt er dann doch die Brille mit dem Mittelfinger der linken Hand wieder auf den korrekten Platz. Er ist sauber angezogen, jedoch nicht besonders modern. Eher funktionell. Einfach. Grau. Cordhosen. Höhö. Er wäscht und bügelt seine Sachen selbst und putzt seine Schuhe jeden morgen. Das hat er von seinem Vater so übernommen.

Und er ist einsam. Er ist zu viel allein, denkt zu viel nach und keine Frau neben Mutti wollte sich bisher näher mit ihm beschäftigen. Leider hat ihm auch keine gesagt, woran das lag. Immer nur "Nein". Nie "Nein, weil". Das ist doch unfair, denkt er zuweilen. Bei Bewerbungsgesprächen muß doch auch Chancengleichheit herrschen, Absagen müssen konkret mit einem Grund formuliert sein. Das bietet doch Raum für Verbesserungen. Und die ollen Hühner sagen nur "nö".

Was soll man denn nach einem "Du bist ja ganz nett, aber" verbessern? Geschweige denn nach einem "verpiß dich". Ist ja nicht so, als würde er nicht an sich arbeiten wollen, aber dafür muß ihm doch erstmal jemand die wunden Punkte aufzeigen. So dachte er, als er von der Arbeit, einem Bürojob im Amt, kam, und sich mit Puschen (Filz) und einem Käsebrot auf die Couch setzte. Er ist nämlich nicht blöd, wie jetzt vielleicht der eine oder andere schon denken mag.

Neinnein, im Gegenteil. Cord ist nicht blöd. Er wäscht sich nicht oft genug die Haare, aber er ist nicht blöd. Und er hat auch noch nicht die Merkbefreitheit erreicht, die Schicksalsgenossen vom ihm öfter heimsucht als man denkt. Er ist sich über seine Situation noch sehr im klaren. Er hat noch nicht den echten Blick verloren. Er lebt noch im hier und jetzt.Er hat auch noch nicht aufgegeben. Er hat noch Hoffnung. Auch wenn er die Frauen nicht versteht.

Männer übrigens auch nicht. Er ist eigentlich den ganzen Tag irritiert. Was ihn nicht reizvoller macht. So äußerlich betrachtet. Er hängt in einem Verstandsvakuum zwischen den Geschlechtern. Vielleicht schlackert er deshalb nicht mit den Armen. Wer weiß.

Ja, vielleicht könnte ich etwas über Cord schreiben. Oder doch lieber über Sibylle, die sich bereits ihr ganzes Leben darüber ärgert, daß ihre Eltern das Ypsilon und das Ieeh verkehrt herum schrieben. Und die all ihre Probleme des täglichen Lebens darauf schiebt, daß sie als orthographisches Schüttelrätsel herumläuft.

Oder ich lasse einfach meine Finger ganz und bleibe bei Dingen von denen ich etwas verstehe. Ich habe übrigens neue Töpfe. Wunderschöne blaue Emailetöpfe mit Blümchen drauf aus dem Nachlass einer Großtante. Die werf ich bestimmt nicht so schnell weg. Hoffe ich.

Roter Faden? Schlüssigkeit? Absichtliche Moral?

Papperlapapp.

Dienstag, November 21, 2006

Krankenbesuch

Eine Bekannte muß nächste Woche ins Krankenhaus. Ich würde sie ja gern besuchen, muß jetzt aber wirklich langsam zusehen, daß ich dann auch was habe. Ich bin viel zu gesund. Auch wenn ich mich morgens theatralisch, laut und etwas krampfig meiner Lungentoilette hingebe, muß ich wohl einsehen, daß die Husterei weniger etwas mit dramatischen Viren, Bakterien und Tuberkeln zu tun hat, sondern mehr mit den Zigaretten, die ich am Vorabend dort hineinpfiff. In diesen Momenten bekomme ich immer diese wirklich verrückte Idee, daß man damit ja auch eigentlich mal mit der Qualmerei aufhören könnte. Wenn sich diese Idee durchsetzt, werde ich dieses Blog umbenennen in "Tagebuch einer aktuellen Verfettung". Beim letzten Mal griff ich nach 13 Kilos wieder zu einer Zigarette. Ich wollte doch lieber stehend und hustend in die Kiste springen, als rülpsend hineinzurollen.

Doch zurück zu den Krankenbetten. Es gehört sich nicht, Krankenbesuche zu erledigen, ohne selbst anständig herumzujammern. Glaube ich. Als ich selbst ein paar Wochen fluchtunfähig im Krankenhaus verbrachte, weil jemand der Meinung war, daß es mir deutlich besser gehen würde, wenn er mich einmal durchsägt, was erstaunlicherweise auch der Fall war, habe ich mit meinen Zimmerkolleginnen vormittags schon Wetten abgeschlossen, welche kleinen Zipperlein heute an unseren Betten sitzen werden.

Petra gewann meistens, weil ihre Schwiegermutter oft auftauchte. Die Schwiegermutter hatte immer einen schlimmen Fuß. Solche Schmerzen. Eigentlich handelte es sich um einen eingewachsenen Zehennagel, den sie auch großzügig präsentierte, aber die Schmerzen kann sich natürlich keiner vorstellen. Petra schaffte es ja wenigstens noch, trotz ihres Bandscheibenvorfalles das Bett zu verlassen. Das kann ja gar nicht so schlimm sein. Mutti müßte hier liegen. So nach der reinen Schmerzskala. Renate bekam hin und wieder Besuch von ihrer Nachbarin. Einem Knie. Wir ließen Rückenschmerzen, Magenprobleme, Kopfschmerzen, Ellenbogenprobleme und den fraulichen Kram staunend an uns vorbeiprozessieren und wer die meisten Treffer verzeichnen konnte, durfte abends das Fernsehprogramm bestimmen. Das lockert den etwas langweiligen Krankenhausaufenthalt, der davon bestimmt ist, zu unglaublichen Zeiten essen zu müssen und ansonsten auf das Drogentaxi zu warten, auf.

Wer im Krankenhaus liegend das Leid der Welt anhören muß, vergißt kurzum, selbst ein wenig zu leiden.

Na gut, wenn ich mir bis nächste Woche keine anständige Krankheit zuzulegen vermag, kann ich ja noch zur zweiten weitverbreiteten Geheimwaffe der Krankenbetthocker greifen: Was du hast, ja, das ist wirklich schlimm, aber ich hatte ja mal was, da war sogar der Arzt ratlos.

Und jetzt noch das Highlight aus der morgendlichen Teleshoppingbeschallung:

"Eine Frau mit Pinsel sieht wunderschön aus".

Glaub ich nicht.

Samstag, November 18, 2006

Morgens um acht in Hamburg

Auf der Zither erklingt ein fröhliches "Ein Jäger aus Kurpfalz", dazu laufen Bergansichten und Wetterberichte aus den Alpen. In Oberstaufen kann man eine Schrothkur machen. Was das wohl ist? Ich kenne ja nur den Horst Schroth, vermute aber, daß er sich nicht ausschließlich in Oberstaufen aufhält um Touristen zu bekuren. Der reicht doch gar nicht für alle. Der gehört ja eher zu den etwas kürzeren Vertretern der männlichen Rasse. Doch vielleicht ist er ja gar nicht klein, sondern konzentriert. Dann reicht es ja, wenn man nur ein ganz bißchen nimmt.

Die Kamera ist längst weitergewandert. Lassen wir die Leute schroten was sie wollen. Jetzt erhasche ich einen Blick auf die Wolken in Schwangau-Füssen. Da möchte ich ja nicht wohnen. Aber gesehen habe ich es jetzt. Der Bayerische Rundfunk scheut wirklich keine Kosten und Mühen, einem die Schönheit, wie jetzt gerade den Nebel auf dem Nebelhorn, der Natur nahezubringen. Oh, in Garmisch-Partenkirchen sieht es, wenn man den Hintergrund mit den Bergketten einmal ausblendet, aus wie auf Helgoland.

Na gut, wahrscheinlich kann man in Garmisch-Partenkirchen länger und weiter herumgehen, aber auch dort wird sich das Land durch eine eher vertikale Qualität auszeichnen. So wie Helgoland. Teilweise. In Garmisch-Partenkirchen gibt es sicher eine Seilbahn. Auf Helgoland gibt es einen Fahrstuhl. Hoch kommt jeder. Überall. Serviceorientierung wird groß geschrieben.

Apropos Service, ich habe jetzt genug Schuhplattler, Zithern, Akkordeone und allerlei gehört. Um diese Zeit wird sich doch irgendwo ein Sender mit Teleshopping zum Kaffee finden.

Siehste wohl. Eine ganz kuschelige Webpelzjacke mit einer Blende in Fuchsoptik wird gerade mit einer solchen Begeisterung angepriesen, daß man sich wie ein Kleinkind vollgegutschigutschigutschit fühlt. Diese Struktur, nein. Dieser seidige Schimmer. Haben sie diesen Luxusschimmer gesehen? Der Acrylsack kostet übrigens auch nur hundertnoinundnoinzig Euro. Is doch günstig. oder?

Einst verfolgte ich des morgens voller Begeisterung eine für das Produkt recht lange Teleshoppingsendung für Puschen. Hausschuhe. Einfach, unschön und vielleicht gesund. Angepriesen wurden sie, als wären es die edelsteinbesetzten Dschinn-Bommel-Schuhe eines Flaschengeistes mit magischen Elementen. Den schönsten Satz der Ode an die Puschen hat sich mir bis an mein Lebensende ins Hirn gebrannt: Schönheit....muß ja auch innerlich sehr gut sein.

Ich liebe diesen Satz.

Teleshopping ist toll. Es lenkt mich von meinem akutellen Problem ab. Ich habe nämlich einen Pickel in der Nase. Das ist ja grundsätzlich human. Obendrauf fände ich ihn optisch unschöner. Ob es jedoch schöner ist, den ganzen Tag mit einem Finger in der Nase herumzulaufen, ist fraglich.

Ich geh mal meine Fausthandschuhe suchen.

Freitag, November 17, 2006

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Ich schlafe gern. Gern und viel. Leider überkommt mich das Bedürfnis in einer ausgeprägten Intensität zumeist morgens, nachdem der Wecker geklingelt hat.

Zunächst klingelt also des Morges der Wecker. Es handelt sich dabei um mein Telefongerät, aus welchem Nana Mouskouri "Guten Moorgen, guten Moorgen, guten Morgen Sonnenschein" brüllt. Meistens kommt sie nur bis "Guten Mooo..", dann hab ich sie schon im Halbschlaf abgewürgt. Das macht sie in entnervender Art und Weise alle neun Minuten, bis ich sie hasse. "Blödes Weib", schimpfe ich. "Laß mich doch in Ruhe schlafen. Geh weg." Doch sie läßt es sich gefallen. Wirklich langmütig die Dame. Aber ich laß es mir zähneknirschend auch gefallen. Ich kann nämlich länger.

So liege ich dann extra noch ein wenig grummelnd herum, aus Trotz, obwohl ich schon längst nicht mehr müde bin, bis auf einmal mein anderes Telefon klingelt. Jetzt müssen andere Saiten aufgezogen werden. Sofort stehe ich in GI-Manier, Pantoffeln bei Fuß, aufrecht vor dem Bett und brülle "Sir, yes, Sir" in den Hörer. Denn ich weiß, am anderen Ende sitzt mein persönlicher Drill-Sergant, der mich mit verbalen Wassereimern übergießen wird, wenn ich müde herumnödel. Naja gut, meistens ist es dann doch eher ein kurzes, nettes Telefonat, welches - je nach Müdigkeitsgrad - noch von einem Kontrollanruf, ob ich nach dem Anruf wieder in die Laken gekippt bin oder tatsächlich aufstand, gefolgt wird. Leider ist dieses Mißtrauen das eine oder andere Mal durchaus angebracht.

Ich möchte nämlich schon gerne einmal vor zehn Uhr die Bank erreichen. Und wenn ich das nicht alleine schaffe, brauche ich Hilfe. Um Hilfe muß man Bitten. Das kostet manchmal Überwindung, ist aber lohnenswert. Danke Langer, an dieser Stelle, für Deinen selbstlosen Service.

So habe ich es in der vergangenen Zeit durchaus schon das eine oder andere Mal geschafft, bereits gegen halb neun oder sogar schon früher das Haus - stolz wie Oskar - zu verlassen.

Die Welt sieht vor halb zehn anders aus. In der Hauptverkehrszeit U-Bahn zu fahren, ist für mich ein völlig neues Erlebnis. Es ist voll. Sehr voll. Manchmal muß ich stehen, was meiner Laune nicht unbedingt zuträglich ist. Fremder Leute Hintern reiben sich an meinem, nasse Jacken dünsten fünf Zentimeter vor meiner Nase vor sich hin wie alte Schafe und müde Gesichter atmen mir ihr ungehemmt ihr gestriges Tsaziki ins Gesicht.

Wer früh wieder zu Hause sein will, muß leiden. Das habe ich jetzt begriffen.

Das Leben ist nun mal kein Picknick und wir leben nicht auf nem Ponyhof. Und die erstaunten Gesichter der Kollegen, gefolgt von dem ostentativen Blick zur Uhr, erbauen mich. Dafür lasse ich mich auch gerne ein wenig vollstinken.

Oh mist, ich muß los.

Mittwoch, November 15, 2006

Stiefelmode

Wer dieser Tage auf die Straße geht, sieht vieles. Jede Menge Laub auf den Straßen, Regenwolken, herbstliches Ambiente, Autounfälle und Stiefel.

Stiefel, Stiefel, Stiefel. Wohin man schaut. Stiefel. Die Frau von Welt trägt in dieser Saison nicht nur Stiefel, sie trägt sie nach der neuesten - oder ältesten - Mode über den Jeans.

Was ja nicht gar so furchtbar erscheint auf den ersten Blick. Das ist schon schick. Irgendwie. Schaut man aber genauer hin, wird einem klar, daß man, im Gegensatz zu der etwas legereren und lässig sitzenderen Mode der letzten Jahre, hierfür Hosen benötigt, die an den Beinen unangenehm eng anliegen. Diese Röhrenjeans, in die man nur mit Hilfe von Kneifzangen hineinkommt und deren Reissverschluss man nur liegend hochbekommt. Generationen kämpften schon mit diesen Beinkleidern. Generationen von Männern wurden impotent, der eine oder andere fiel der Drogensucht anheim. Gefährliche Hosen.

Diese Hosen stehen nicht jeder. Wer, wie ich, eine Figur mitbringt, die von der Hüfte abwärts eher "keilig" zu nennen ist, ist vielleicht, abgesehen davon, daß man die Hose sowieso nur bis zu den Knien hochbekommt, was in der Öffentlichkeit befremdlich wirken könnte, besser beraten, die Stiefel weiterhin unter der Kleidung zu tragen, weil sich ansonsten von hinten ein Blick auftut, wie auf eine unmotiviert und unordentlich in Folie eingeschlagene Wurst. Eine moderne Wurst. Aber eine Wurst.

Wer auf bequeme Bekleidung nicht verzichten will, quetscht die weiten ausgestellten Beinkleider in den Stiefelschaft. Wenn ich so etwas sehe, denke ich zunächst an Dschingis Khan. Oder ich bekämpfe den Drang, den Trägerinnen Eimerchen und Schäufelchen zu schenken, da frühkindliche Phantasien Erinnerungen an vergangene Regentage wecken, an denen man nur mit Gummistiefeln raus durfte.

Das gleiche Bild erscheint mir allerdings auch, wenn ich eine Dame mit beneidenswerten Streichholzbeinen, Stiefeln und Rock sehe. Nach meinem persönlichen Geschmack sollten Stiefel im oberen Bereich nicht so weit vom Bein abstehen, daß man als Vorübergehender bequem hineinaschen kann.

Diesen Beobachtungen liegt natürlich reiner Neid zugrunde. Die meisten Stiefel bleiben für mich unerreichbar. So wie die Sohle. Wegen meiner Quadratlatschen komme ich nämlich in den meisten Fällen noch nicht einmal annährend in ihre Nähe. Meine Füße bleiben in der Neunzig-Grad-Kurve stecken wie ein Sofa im Treppenhaus.

Also keine Stiefel für mich. Es sei denn, eine andere Mode kommt wieder. Als ich nämlich jünger war, haben wir Stiefel nicht angezogen, sondern getrunken. Hierbei wurden sämtliche auftreibbaren Alkoholika zusammen in einen riesigen Glasstiefel gegossen und reihum getrunken, stets scharf beobachtet von den Mittrinkern, weil der, bei dem die Luftblase in den Vorderfußbereich blubberte, irgendetwas tun mußte. Ich weiß aber nicht mehr, was. Ist vielleicht auch gut so. Sonst dürfte ich aus Gründen der Fairness nie wieder über die Jungend von heute herziehen.

Was schade wäre.

Montag, November 13, 2006

Noch`n Stock

Wir sind im Keller angekommen. Ist es noch eines von den alten Stöckchen, welches sich inflationär entstilt hat, oder wurde es ernsthaft gestartet? Ich weiß es nicht. Aber ich habe es gern gefangen. Weils vom Bob kommt. Und weil ich auf doofe Frage stehe. Nehmt es mir aber nicht übel, wenn ich es jetzt fallenlasse. Es ist auch schon etwas angeschmutzt.


Wie war es, als du deinen ersten Kuß bekommen hast?

Ich bekam den ersten Kuss beim Flaschendrehen. Glaub ich. Vielleicht war es auch "Tat oder Wahrheit". Es war auf alle Fälle der Auftakt der Zeit, in welcher damals ununterbrochen Flaschendrehen und Tat oder Wahrheit gespielt wurde. Manchmal auch "Schatz, bin ich die Richtige. Aber das war eigentlich langweilig. Dabei wurde nur auf die Wange geküsst. Bei Flaschendrehen und T+W wurde hemmungslos geknutscht. Es löste direkt das Puppenspiel ab und endete mit dem Start der Berufsausbildung. Da kann ich mich nun wirklich nicht an irgendjemanden Bestimmten erinnern. Worüber ich in Einzelfällen auch sehr dankbar bin. An das "wie" erinnere ich mich erst recht nicht mehr. Ich erinnere mich ja auch nicht mehr an den ersten Regenwurm, den ich gegessen habe. Wahrscheinlich mit Panik in den Augen, eisernem Willen und fest zusammengepressten Lippen. Du hast einen Regenwurm gegessen Bine? Nein, manchmal lüge ich.


Was war dein peinlichstes Beischlaferlebnis?


Wer zu Sex "Beischlaf" sagt, verdient keine ernsthafte Antwort auf diese Frage. Da stelle ich mir jemanden vor, der mit einem Paket Taschentücher in der Hand onaniert, "Sex" wie "sechs" ausspricht, Atemnot bei dem Anblick einer Bockwurst bekommt und rot anläuft und nicht mehr laufen kann, wenn einer das Wort "Liebesapfel" sagt. Neenee, ich sehe ihn direkt vor mir. Häkeldeckchen auf den Sofakanten, Hausschuhe für jeden Besucher, Umschläge mit Nacktfotos von Exfreundinnen hinter den Büchern im Bücherregal und ein mit Tüchern verhängtes Regal mit "erotischer Literatur" mit zusammengeklebten Seiten über dem Bett. Ein Mensch, bei dem ich niemals freiwillig Frikadellen essen würde.


Hast du unflätige Phantasien, in denen Blogger vorkommen?


Noch so eine Frage. Bemühen wir doch erst einmal die Definition "unflätig". Laut Duden, zumindest dem alten (Ich schätze, der, der sich die Fragen ausgedacht hat, besitzt auch noch keinen neuen), bedeutet es "in höchst ungebührlicher Weise derb, grob, unanständig". Zugegebenermaßen habe ich mich noch keiner in ungebührlicher Weise derben Phantasien hingeben müssen. Also, Jungs, tut mir leid. Ich wollte noch keinen Blogger anpinkeln. Ihr könnt die Taschentücher wieder einstecken.


Welche Deiner Eroberungen sollen im geheimen bleiben?

Amerika. Nicht weitersagen.


Wenn du dir jemanden Aussuchen könntest, der dich in einer Verfilmung deines Lebens darstellt, wer wäre das?


Johnny Depp. Oder Flipper. Weiß ich noch nicht.


Wer müsste deine Zu-Zensieren-Szenen doublen?

Ich drehe meine Stunts selbst.

Freitag, November 10, 2006

Kollegen

Seit nunmehr über fünfzehn Jahren trage ich an den meisten Tagen des Jahres meinen müden Körper in eine Bank Und immer wieder schaue ich verwundert um mich und schaffe es nicht, meine landläufigen Kleinmädchenphantasien hinsichtlich des Wesens von Bänkern mit dem zu synchronisieren, was mir so tagtäglich im wahrsten Sinne des Wortes vorbeigeht.

Merkwürdigerweise habe ich in all den Jahren fast nur mit Menschen zusammengearbeitet, welche zwar grundsätzlich einmal nett sind, aber weit entfernt von dem, was man als "normal" bezeichnen würde. Eine Kollegin drückte es gestern aus, wie ich es nicht besser könnte: "Stehen die morgens vorm Spiegel, feuern mit der nackten Hand eine vermeintliche Pistole auf ihr Spiegelbild und sagen zu sich "Hey Baby, du bist so wunderbar verschroben"?.

Das Kuriositätenkabinett folgt mir auf dem Fuße. Ich beginne langsam, das persönlich zu nehmen. Gestaltet meine Umwelt mich, oder ich meine Umwelt? Es wird Zeit darüber nachzudenken und Konsequenzen zu ziehen. Was darauf hinauslaufen wird, daß ich mich dann wohl ab nächster Woche dem allgemeinen Irrsinn anpasse. Ich werde es dadurch zu unterstreichen wissen, daß ich meine Unterwäsche über der Kleidung tragen werde. Realistisch betrachtet wird das niemandem auffallen.

Ich habe einen Kollegen, der aussieht wie ein Ball und seine Nachmittage damit verbringt, in seinem Büro zu sitzen und Fischdosen zu löffeln, wir nennen ihn "Free Willy", ich habe einen Kollegen, der es schafft, einem eine Stunde lang ein Ohr abzukauen, ohne daß man auch nur annährend herausfindet, worüber er grad spricht. Zwar sind die Worte geläufig, weil er durchaus die deutsche Sprache benutzt, aber der Sinn muß verborgen bleiben, weil er nur halbe Sätze spricht und dabei nuschelt. Ich habe eine Kollegin, die die Wahl zum Maskottchen örtlicher Hypochondervereine mit Abstand gewinnen würde. Sie verbringt ihre Arbeitszeit größtenteils in den Wartezimmern umliegender Ärzte. Weil sie einen steifen Nacken hat. Oder es "hier" wehtut wenn man drückt.

Ich habe einen Kollegen, der seine Frisur mit der von Prinz Eisenherz teilt und einen, der seine durchaus vorhandene Fachkompetenz selbst so toll findet, daß er abwechselnd klugscheißert und sich mit Weihrauch und Rosenblättern begießt. Und einen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, andere Kollegen aus seinem direkten Umfeld zu vergraulen. Mit Recht dürfte man ihn "Herrn-mit-dem-arbeite-ich-nicht-mehr" nennen. Aber ich mag ihn. Dann gibt es noch den Herren, der immer mit einem gehetzt gestressten Blick umherwandert, obwohl er eigentlich gar nichts zu tun hat. Es bietet sich eben immer an, überarbeitet zu wirken, um drohender Beschäftigung aus dem Weg zu gehen.

Und ich arbeite auch noch da. Jeder so wie er es verdient. Aber es hätte schlimmer kommen können.

Machen wir uns nichts vor. Lieber teile ich meine Zeit mit dem liebenswert skurrilen Alltagskabarett, als mit der anderen in einer Bank weit verbreiteten Spezies von Kollegen mit den hautfarbenen Badekappen und der Tube Vaseline im Anschlag. Arschkriecher sind in meiner kleinen Nachbarschaft zum Glück dünn gesäät.

Also, nur mal so als Tipp: Wenn ihr bei uns durch die Gänge stromert und einen Menschen mit strahlendem Gesicht und ausgestreckten Armen begegnet, der euch überdurchschnittlich begeistert behändeschüttelt und mit einer etwas zu lauten Stimme anbrüllt: "Herr/Frau XY, ich grüüüüüüüße Sie", haut bloß schnell ab.

Dienstag, November 07, 2006

Fahrbier heute

Ich bin sicher, daß es unter der "Jugend von heute" auch die intelligenten Welchen gibt, die die Pisa-Studie Lügen strafen. Junge Menschen auf dem Weg in eine positive Zukunft. Leider haben diese Jugendlichen anscheinend alle ein eigenes Auto. In der U-Bahn trifft man mehr die leicht reduzierte Variante.

Um einen einschneidenden Eindruck zu gewinnen, sollte man seine Beobachtungen auf einen Freitag oder Samstag gegen Abend verlegen. Dann kommen sie aus ihren Löchern, bewaffnet mit dem aktuellen Äquivalent des von unserer Generation - oder sogar schon vorher - etablierten Fahrbieres. Zum Vorglühen reicht der Elite von morgen nämlich kein Bierchen mehr. Heutzutage muß es schon richtig knallen und billig sein. Das Taschengeld geht ja zum großen Teil für die Handyrechnung drauf. Und alkoholische Getränke werden einem nicht überall für`n Appel und `n Ei nachgeworfen. Ich mußte gestern auch zwei Mal schlucken, als ich in einer dieser Geheimtipp-Kneipen in St. Georg, so ein Laden, der von außen nicht nach Kneipe aussieht, für ein
0,25 l-Bier 2,40 Euro bezahlte. Diese zwei Schlucke benötigte ich dann auch, um das Bier zu trinken. Teure Pfütze.

Aber zurück zur Jugend. Etwa fünfzehnjährigen Mädchen wächst häufig eine Rotweinflasche aus dem Hals. Oder billiger Sekt. Die Mädchen, die sich gerade nicht in dem Zustand akuter Befüllung befinden, sondern der Betankung harren, verbringen die Wartezeit zumeist kichernd und kreischend. Hiermit beweist die Jugendmannschaft der örtlichen Alkoholiker schon den Willen zur günstigen Hardcoretrunkenheit.

Die meisten Partywilligen tragen jedoch selbstbefüllte Flaschen mit sich. Eine Wodkaflasche und eine Colaflasche zum Beispiel. Die Inhalte bereits verzehrfertig vermischt. Das Fahrbier wurde also von einer Plastik-Colaflasche mit Schuß verdrängt. Die Zivilisation macht auch in der U-Bahn nicht halt. Härter, schneller, besser. Da kippt man sich zur Not auch mal Opas Asbach Uralt in Mischfähiges. Ich finde, wir können stolz sein auf den deutschen Nachwuchs. Sie lassen sich nicht von der Wirtschafts- bzw. Taschengeldkrise unterkriegen und machen aus dem, was sie haben, das beste. Da schwillt mir direkt die Brust. Oder der Hals? Naja, irgendwas unterhalb meines Kopfes.

Freitag saß ich gegen zehn Uhr abends auf dem Weg nach Hause neben zwei Flaschenmädchen, die sich in dem für den Nachwuchs mittlerweile typischen Fetzendeutsch unterhielten. Doch sie gaben Grund zur Hoffnung. Das eine Mädchen lallte nämlich: "Eeeh, isch bin voll stolz eeeh. Hab ein ganzes Buch gelesen. Sechsundfünfzig Seiten eh. Ej, bin total stolz. Sechs-und-fünf-zig Seiten. Ich bin voll froh."

Ich wette, sie wird ihren Weg machen und nicht in ein paar Jahren in der U-Bahn in ihr Handy brüllen: --......--.....-------NU EFOSCHIER DICH NICH SO!

Sonntag, November 05, 2006

Pipiessen

Der rote Blitz ist weg. Zum Glück. Besonders in der kalten Jahreszeit behagt mir die Vorstellung des Autofahren-Müssens nicht. Im Sommer fuhr ich zwar auch kaum noch, weil ich in Hamburg alle Wege bequem, schnell und ohne langwierige Parkplatzsuche mit der U-Bahn erledigen kann, doch im Winter wurden die Pausen, in denen der Wagen sich kaputtstand, immer länger. Es ist zwar nicht so, als hätte ich für mein Vehikel keine Winterreifen besessen, aber als unlustiger Reifentauscher bzw. - wie ich mit schamgesenktem Haupt zugeben muß - Reifen-vom-Dachboden-Holer, der trotzdem an seinem Leben hängt, zog und ziehe ich doch die eine oder andere Schlenderei an der frischen Luft vor.

Daran mußte ich heute morgen denken, als ich im Radio von den ersten Bodenfrostergebnissen hörte. Jede Menge Unfälle und Staus. Der Winter kommt aber auch immer so plötzlich. Hinterhältig sowas. Aber nicht mehr mein Problem. Ich bin jetzt wieder Fußgänger.

Fußgänger und Grünkohlesser. Denn pünktlich zum ersten Frost war ich heute zum Grünkohlanstich geladen. Ob man das sagt? Keine Ahnung. Grünkohlanessen? Grünkohl Start-up? Grünkohl-Premiere? Auf alle Fälle gabs heut zum ersten Mal in diesem Jahr Grünkohl mit Kochwurst, Kassler und Kartoffeln. Und Pinkel. Börps. Hinterher gibt es traditionell ziemlich viel Schnaps, was der Laune am Tisch nicht unbedingt abträglich ist.

Ungeachtet des urinstrotzenden Namens ist Pinkel eine Wurst. Mein Gefühl bezüglich dieser Wurst ist ein zwiespältiges. Es handelt sich hierbei um eine Art Grützwurst, welche ich unter normalen Umständen in ihrer Urausprägung niemals in meinem Munde dulden würde, nachdem ich einst im Fernsehen sah, wie sie hergestellt wird. Die normale Grützwurst, welche auf dem Teller liegend zu allerhand Fäkalphantasien einlädt, was die inliegenden Rosinen in keinster Weise abmildern, baut man nämlich zusammen aus einem im ganzen gekochten Schweinekopf, der durch den Wolf gedreht wurde, Grütze und noch mancherlei Gemenge. Mögen andere Leute Innereien und Gehirn essen. Mir wird schon von der Vorstellung schlecht.

Mir wurde versichert, daß Pinkel nicht die Intelligenz eines Schweines beherbergt, und so habe ich sie, höflich und leichtgläubig wie ich bin, gegessen. Es war okä. Kein Jahrmarkt der Geschmackknospen mit Feuerwerk, aber eßbar. Wieder zu Hause angekommen, gebot mein natürliches Mißtrauen allerdings, die Zusammensetzung der Pipiwurst google-technisch zu prüfen.

Glück gehabt. Teilweise. In Pinkel ist kein Hirn hurra. Cholesterinzählende Lebensmittelphobiker sollten sie allerdings auch weiterhin von ihrem Speiseplan fernhalten. Eigentlich besteht sie nämlich nur aus Fett und Grütze. Schmalz, Speck, Talg und Grütze. Was übrigens irgendetwas aus Getreide ist. Fragt mich nicht. Fragt Oma. Oma weiß sowas.

Der Name "Pinkel" kommt übrigens aus dem ostfriesischen und bedeutet so viel wie "Geschlechtsteil". Ich bitte jetzt einmal die männliche Leserschar, sich zu entblößen und an sich herunterzuschauen. Was ihr seht, ist es dunkelgrau? Etwa zehn Zentimeter lang und labberig? Ungefähr zweieinhalb Zentimeter im Durchmesser? Sieh an. Wenn jetzt auch noch das, was da rauskommt, krümelig ist, braucht ihr euch keine Sorgen machen. Ich würde mal sagen, dann seid ihr Ostfriesen.

Oder tot.

Donnerstag, November 02, 2006

Milch macht müde Mädchen munter

"Igitt" dachte ich gestern, als ich morgens noch leicht verschlafen an diesem Werbeschild für Milch vorbeiging. Die mag Milch mit Haut? Örks. Milchhaut rangiert in meinen Augen in der Hitparade besonders ekliger Lebensmittel im oberen Viertel. Auf umherdümpelnde Haare kann ich auch gut verzichten. Diese Frau Zimmermann hat aber auch einen merkwürdigen Geschmack. Vielleicht liegt es daran, daß sie für diese Jahreszeit auch etwas spärlich bekleidet ist. Sicher sprach sie im Fieberwahn einer üblen Erkältung.

Nee, so etwas druckt man doch nicht auf ein Werbeplakat. Vielleicht sollte ich das nochmal lesen:


Ach so. Calcium. Proteine. UND Biotin. Jaja. Jetzt verstehe ich. Die folgende Fahrt mit der U-Bahn verbringe ich mit der erheiternden Vorstellung der Frau Zimmermann, wie sie bei sich in der Küche steht, ein schönes großes Glas Milch in der Hand, und sich gemeinsam mit ihren Haaren und ihrer Haut über das tolle Calcium freut. Und hey, da kommt auch Protein. Die Haare können sich vor lauter Überschwang kaum noch auf dem Kopf halten und versuchen abwechselnd über die Achselhöhlen und die Arme zum Glas zu robben und der Milch entgegenzuwachsen. Die Poren ploppen auf, als hätte die Kosmetikerin sie grade einen halbe Stunde mit Dampf bestrahlt und piepsen in hunderten kleiner Stimmen: "Jippieeh, Miiiiilch, gib Miiilch, Bi-o-tin, Bi-o-tin".

Und voller Neid schauen alle Poren und die Haare auf die Kollegen an der Oberlippe. Genüßlich wälzt sich der Damenbart im kühlen Nass und die benachbarten Poren erstarren vor Freude.

Was für eine Freude. Was für eine doofe Werbung. Immerhin bin ich jetzt wach.

Mittwoch, November 01, 2006

Sturmflut mit Rod Steward

Halloween ist vorbei und die schönste Nachricht, die ich eben im Radio hörte, ist, daß Rod Steward jetzt anfangen möchte, sich als ganzer Mann zu fühlen und fortan davon absehen wird, die G-Strings seiner Freundin zu tragen. Das finde ich löblich. Wobei ich der Meinung bin, daß nichts verwerfliches daran zu finden ist, Damenunterwäsche zu tragen. Ich selbst gönne mir diesen Spaß dann und wann.

Ob das mit dem "ganzen Mann" allerdings klappen wird beim guten Rod, ist fraglich. Ich weiß nicht, wer seine Freundin ist und welche Form von String sie zu tragen pflegt. Aber schimpft mich gern Unke, ich kann mir nicht wirklich vorstellen, daß ein "ganzer Mann" sein gesamtes Freudenpaket schlackersicher vorne in dem kleinen Stringdreieck parken kann. Vielleicht in einer Unterhose der Weather Girls. Gut. Als Freundin vom Steward stellt man sich doch aber eine dieser eher magersüchtigen Maiden mit aufgeflufften Möpsen vor. Tja Rod, schätze, mit dieser Nachricht hast du dir selbst keinen Gefallen getan. Hättest du doch besser gesagt, daß du jetzt davon absehen wirst, deine Wimpern zu tuschen und die Augenbrauen zu zupfen. Das hätte man dir sicher noch mit völlig ersthaft-mitfühlendem Gesicht verziehen und gemurmelt: Jaja, diese Künstler aus den Achtzigern. Langsam werden sie auch erwachsen.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein, daß ich meiner gestrigen Abendbegleitung (Vielen Dank noch einmal für die Lollies) versprochen habe, einmal öffentlich zu fragen, wo man eigentlich mißt. Also, ihr wißt schon. Diese Geodreieckaktionen auf dem Jungsklo. Wo setzt man korrekt die Meßlatte - höhö - an? Vorne oder hinten? Bleibt ruhig in halbwegs wissenschaftlichen Ausdrücken. Die neue Trendsportart des notgeilen googlens macht auch vor diesem Blog nicht halt. Und wir möchten ja nicht, daß die Damen und Herren unnötig Zeit verlieren, indem sie hier auf diesem wenig untenrum-orientierten Blog landen und darüber wieder ernüchtern.

Apropos Weather: Auch das wäre heute für den guten Rod nicht sehr erfreulich. Ruckzuck wären seine hochgeföhnten Haarspitzen umgemäht. Heute ist nämlich zu meiner großen Freude Sturmflut angesagt. Fünf Meter über Normalnull. Ich gehe davon aus, daß eine Stadt wie Hamburg mit so einem Pipifaxwasserstand locker umgehen kann und keine ernsthaften Schäden ins Haus stehen. Und ich darf mir wieder einmal akkurate Föhnaktionen schenken, da sie für die Katz wären. Hurra.