Mittwoch, November 29, 2006

Schlaflos in Hamburg

Mist. Ich bin schon wach. Was ist das denn jetzt? Senile Bettflucht? Draußen ist es noch dunkel und ich stelle irgendwann fest, daß ich bereits angefangen habe, aus unbewußten Träumen heraus mein Hirn zu lenken. Nicht auf besonderes. Nicht auf sagenhaftes. Aber gelenkt. Das kann man nicht mehr wirklich "schlafen" nennen. Ich schlage die Augen auf und bin hellwach. Hups? Ohne Wecker? Ohne den Drill-Sergant? Das ist ja`n Ding.

Kann ja nicht sein. Sowas will doch niemand. Ich werfe mich auf die andere Seite und beschließe, bis zum offiziellen Wecken noch ein wenig zu schlummern. Geht nicht. Mein Bein tut weh. Nicht doll. Nur so ein bißchen. Aus reiner Schikane. Egal, wie und wo ich es hinlege, es nervt. Der hellwache Kopf ist auch nicht gewillt, wieder zur Ruhe zu kommen, sondern flitzt hektisch themenlos durchs Hirn wie durch die Lektüre eines Stichwortverzeichnisses.

Hat keinen Zweck, denke ich, dann steh ich halt auf. Auf der Bettkante sitzend und nach meinen Puschen angelnd, werfe ich einen Blick auf die Uhr. Heiliger Bimbam. Halb drei? Ich sitze mitten in der Woche um halb drei hellwach im Bett und will aufstehen? Ich beginne langsam, das Ausmaß meines Problemes zu begreifen.

Das ist mir zuletzt in der Grundschule passiert, als ich mich um ein Uhr nachts gestiefelt und gespornt anschickte, in die Schule zu wandern. Zum Glück fing meine Mutter mich noch kurz vor der Haustür ein.

Na gut. Schlaflos also. Was macht man da? Zunächst einmal wieder umkippen. Egal. Augen zu und durch. Ich probiere ungefähr sechsundzwanzig Schlafpositionen, wobei ich mich, nur um die Zeit herumzukriegen, auch einmal mit dem Kopf an die Fußseite drehe, versuche, im Bett quer zu liegen und endlich auch mal die "Alle-meine-Entchen-Stellung" ausprobiere. Ohne Wasser.

Apropos Wasser. Vielleicht habe ich ja Durst. Wegen des Bieres gestern abend. Kurz in mich hineingehorcht stelle ich fest, daß nein. Keinen Durst. Macht aber nichts. Wenn ich mich schon nicht zwingen kann, zu schlafen, kann ich mich wenigstens zwingen, etwas zu trinken. Ich angel also erneut nach meinen Puschen und wandere Richtung Wasserflasche. Der kurze Blick auf die Uhr gibt wenig Grund zur Freude. Es ist zehn vor Drei.

Ich habe mal gelesen, daß man sich, wenn man nicht schlafen kann, mit Dingen beschäftigen soll, die so langweilig und unangenehm sind, daß man aus Notwehr lieber schläft. Wenn ich mich hier umgucke, gibt es eine Menge Dinge, die sich jetzt erledigen ließen.

Ich könnte staubsaugen, Papiere sortieren und Schubladen aufräumen. Sollte ich nämlich irgendwann einmal zufällig sterben, würde ich mich nachträglich noch zu Tode schämen, wenn ich mir vorstelle, daß jemand in meiner "Außen-hui-innen-pfui-Wohnung" die Schubladen und Schranktüren öffnet. Oder auch nur im Falle eines plötzlichen Krankenhausaufenthaltes in meine Wohnung kommen müßte, um mir frische Wäsche zu besorgen. Bah nee. Da muß was passieren. Aber hab ich jetzt Lust aufzuräumen? Nö. Ich sterb morgen einfach nicht.

Also gut, wieder Licht an, neuer Blick auf die Uhr. Es ist kurz nach drei. Immerhin vergeht sie, die Zeit. Langsam, aber stetig. Schlafend wäre mir die Uhrzeit zwar lieber, aber jetzt muß ich da irgendwie durch. Ich angel also erneut nach meinen Pantoffeln und suche mein aktuelles U-Bahn-Buch. Dann les ich halt. Mit Glück habe ich nach ein paar Seiten keine Lust mehr und meine Äuglein fallen wieder zu.

Weit gefehlt. Hellwach lese ich das gesamte Buch zuende. Wennschon dennschon. Der Griecksch ist zwar kein Hochliterat, aber amüsant und liest sich gut runter. Ich lerne also noch ein wenig über hypochondrische Vierzigjährige auf dem Weg zum eigenen Ich und sinniere noch ein wenig darüber, daß die Gedankengänge von Mann und Frau gar nicht so unterschiedlich sind. Oder Griecksch hatte einen weiblichen Ghostwriter oder ich denke zu männlich. Wie auch immer, was heutzutage von den Geschlechtern gedacht wird, entspricht wohl immer seltener dem ursprünglichen Rollending, sondern entwickelt sich mehr und mehr zu einer Unisex-Toilette. Aber eigentlich muß man für diese Art von Erkenntnissen nicht wirklich eine halbe Nacht wachliegen.

Na gut. Nächster Blick auf die Uhr. Es steht schon eine fünf vorne. Jetzt bekomme ich langsam ein schlechtes Gewissen. Ich weiß auf alle Fälle, wer sich nachher krampfhaft gähnend hinter seinen beiden Bildschirmen verschanzen wird. Das geht doch nicht. Wenigstens zwei Stunden könnte ich jetzt noch schlafen wenn ich wollte. Wenn ich doch nur könnte. Ich wandere noch zehn Minuten ziellos durch die Wohnung, zwinge mich, den Fernseher nicht einzuschalten, weil ich genau weiß, daß ich dann nachher nicht nur richtig schweinemüde sein werde, sondern auch noch Rückenschmerzen bekomme, wenn ich versehentlich auf der Couch einschlafe.

Also zurück zum Anfang. Ich starte wieder die wie-kann-man-noch-so-liegen-Aktion und mein letzter Blick auf die Uhr, bevor ich tatsächlich wieder einschlafe, erzählt mir irgendetwas von kurz nach sechs. Doofe Nacht. Abgeschlossen von einem doofen Traum, der irgendetwas mit einer Invasion von etwas Bösem in mein Haus zu tun hatte. Und im Keller stand das Wasser kniehoch. Fluchtversuche scheiterten kläglich, weil nie jemand war wo er sollte und ich meine Socken nicht fand. Wie das weiterging weiß ich zum Glück nicht, weil mir um viertel vor sieben Nana Mouskouri ihren ersten Gutenmorgensonnenschein-Versuch ins Ohr brüllte und nach deren Abwürgen der unausweichliche Drill-Sergant die letzte Hoffnung auf ein Liegenbleiben nahm.

Ich hätte meinen Kaffee heute gern intravenös, bitte.

Gähn.

6 Kommentare :

Singamoebe hat gesagt…

Vielleicht sollte ich dich einfach mal mit zu einer meiner langweiligen Veranstaltungen nehmen. Aus Angst, wieder auf so einen Event gehen zu müssen, schläfst du fortan nämlich schon um 20 Uhr an und schläfst durch bis morgens um 8 ;)

Anonym hat gesagt…

Hi Sabine,
Du solltest in der Welt der IT anfangen zu arbeiten. Da gibt es immer was zu backupen, zu putzen, abzudaten, einen Virenscanner zu aktualisieren, Ausdrucke wegzusortieren, Toner nachzufüllen etc. etc. Am liebsten in der Nacht. Wann hast Du das letzte Mal den Virenscanner auf deinem PC aktualisiert? Ein Fullbackup gefahren? Die Tastatur gestaubsaugt? Den Bildschirm saubergemacht? Na? Programm für heute Nacht, wirst sehen.
Gruss, Jens (der auch an nervöser Bettflucht leidet...)

Anonym hat gesagt…

hmm..da ist also meine motivation und energie hin... du wirkst scheinbar als blitzableiter für energie ...erklärt auch den herbstmüdigkeitsblogg von lorretti :-)))

aber was immerunumstösslichundganzganz sicher gegen schlaflosigkeit wirkt, ist das klingeln des weckers am morgen..
dann wirst du schlagartig wieder sowas von müde dass man dich ins geschäft tragen muss ;-)

Anonym hat gesagt…

Präsenile Bettflucht.

So nennt man das glaub' ich.

Ein alter Hausarzt in meinem Heimatort empfahl bei sowas früher immer fünf bis zehn Seiten Bürgerliches Gesetzbuch. Bildet und ist totlangweilig.

Anonym hat gesagt…

ole said...
normalerweise verpennt man dann anschliessend obendrein noch.

Saurierfrau hat gesagt…

Schätzchen... zieh auf's Land! Dann schläfst du automatisch ein vom Kuhgeläute...