Mittwoch, August 09, 2006

Frauenleiden

Heute war es wieder so weit. Wie schreibt Terry Pratchett immer so hübsch: Da rasen tausende von Inspirationspartikeln ständig kreuz und quer und wenn man Pech hat, dann treffen sie einen. Heute wurde ich
getroffen. Ich saß an meinem Schreibtisch, nixahnend, vertieft in irgendetwas Unbeachtliches, und mit einem Mal - zonk - schaute ich hoch und wußte: Ich muß zum Friseur. Sofort. Basta und keine Widerrede.

Wenn ich einmal in diesen Zustand gerate, tritt die gesamte Welt einen Schritt zurück und vor meinem geistigen Auge flimmert nur der in vielen Friseurgeschäften angebrachte Superwerbeslogan: "Was Friseure können, können nur Friseure". Jawohl. Recht haben sie. Und zwar jetzt.

Nun ist es gar nicht so einfach, spontan einen Salon ausfindig zu machen, der Laufkundschaft nimmt und nicht zu den amtlich anerkannten Schafscherern gehört. Aber eine unsichtbare Energie treibt mich zu Höchstleistungen und leicht apatisch klappere ich dann sämtliche Geschäfte in Laufnähe ab. Irgendeiner wird mich schon wollen. Oder mein Geld.

Während ich die Geschäfte abklappere, bin ich getrieben von der großen Meg-Ryan-Phantasie. So einen entzückenden Strubbelkopf hätte ich ja gern. "Mal was anderes" Eine totale "Typveränderung". Aber so etwas würde ich mich ja nie trauen zu sagen. Wenn ich mir vorstelle, daß ich da reingehe und sage: "Einmal Mey Ryan" aber zackzack, würde mir die Frisette mit Sicherheit und mit Recht ins Gesicht lachen.

So trolle ich mich also, wenn ich einen entsprechenden Laden gefunden habe, brav auf meinen Platz und order - wie immer - einmal waschenschneidenföhnen (ohne zackzack). Und ab da bin ich wieder fünf und lege mein Leben mehr oder minder vertrauensvoll in die Hände des Scherenmeisters oder der Scherenmeisterin. Gar nicht mal, weil ich so viel Vertrauen habe, sondern weil ich mir stumpf kein Bild machen kann von dem, was mir vorgeschlagen wird. Wenn die Schere sagt: "Aber hinten machen wir keine so große Stufe, nicht wahr, und vorne nehme ich das Gezippel weg - Oder?", dann hoffe ich, dass es sich um eine rethorische Frage handelt. Was weiß ich, wie das hinterher aussieht. Seh ich aus wie ein Friseur? Nein, ich sehe zwei Wochen nach einem Besuch dort wieder aus wie immer. Egal wieviel Stufe oder Gezippel sie wegnehmen oder dranlassen.

Die einzige schüchterne Anweisung von mir ist eigentlich nur soweit, daß ich in keinster Weise Lust habe, mit irgendwelchen Rundbürsten zu hantieren und ob man vielleicht vorne, also beim nicht vorhandenen Pony, vielleicht mal irgendwas anderes machen kann. Also, äh, keinen Pony. Aber irgendwie anders. Danke für die Aufmerksamkeit...

Aber dann kommt der grandioseste Grund um sich die Haare schneiden zu lassen: das Waschen. Niemals würde ich auf die Idee kommen, mir einen Trockenschnitt verpassen zu lassen. Keine Kopfmassage, kein albernes Gekicher weil ich an der Stirn kitzelig bin und kein mit geschlossenen Augen Entspannen während die Kur einwirkt? Niemals. Allein dafür lohnen sich die hinterher abzudrückenden Unsummen. Außerdem kann man in den Wartezeiten zwischendurch die Zeitschriften lesen, die man NIE lesen würde. Gala und so. Gut, ich schäm mich auch.

Doch die schönste Kopfmassage ist irgendwann vorbei. Und ab da leide ich. Nirgendwo sieht man sich selbst so dermaßen bescheuert wie beim Friseur. Mit nassen platten Haaren, gehüllt in einen schwarzen Sack, der dazu führt, daß die Gesichtshaut irgendwie blaßbläulich wirkt, angestrahlt von hellem Licht, da bekommt doch selbst der schönste Mensch den Wunsch danach, sich selbst zu enthaupten oder den Sack bis zur Stirn hochzuschieben.

Mey-Ryan-Phantasien treten dann maulend in den Hintergrund. Ohne ein neues Gesicht wird das nix. Also gut, vielleicht kriegt diejenige, der ich jetzt ausgeliefert bin, etwas fetziges hin. Ein gültiges Axiom ist leider, daß beim föhnen IMMER die Rundbürste gegriffen wird. Egal wie deutlich man darauf hingewiesen hat, daß man so etwas ablehnt. Ganz egal. Erst am nächsten Tag darf man sehen, wie man eigentlich aussieht, wenn man sich selbst überlassen ist.

Worauf dann die nächste Erkenntnis folgt: Nur andere gehen fetzig gestylt bei ihrem Friseur raus. Bei mir nennt man das wohl eher "nett onduliert". Da frage ich mich wirklich manchmal, welche Außenwirkung ich auf diese
"Typgerechten-Styling-Typen" habe. Ich finde, ich habe in meiner Art wenig von Mutter Beimar. Aber der Durschnittsfriseur scheint das anders zu sehen.

Heute habe ich mit Schrecken festgestellt, daß ich seit einiger Zeit eine Frisur trage, die ich bei meiner lieben Freundin Tina vor Jahren immer mit "nimm mal den Helm ab" kommentierte.

Ich bin halt meiner Zeit voraus. Irgendwann bin ich alt genug für mein Haar.

1 Kommentar :

Der_grosse_Transzendentale_Steini hat gesagt…

Wuaah. Frauen und Friseure. Da kommen jede Menge Erinnerungen an die Zeit hoch, in denen ich erster Ansprechpartner für derartige Problematiken war. Hochbrisantes Konfliktpotenzial. Singledasein hat schon manchmal was für sich...
Ich habe von Frauen gehört, die 800 km weit fahren, um auf dem Stuhl ihres Lieblingsfriseurs zu sitzen. Auch wenn der gerade von Berlin nach München gezogen ist.
Das mit dem Haarewaschen und der Kopfmassage kann ich übrigens gut verstehen. Ich könnte mir ohne weiteres einmal die Woche selber den Schädel im Bad rasieren, gehe aber trotzdem für 7 Euro deswegen zum Friseur. Ich liebe das über alles, wenn mir jemand auf dem Kopf rumfuchtelt. Und zum Glück ist das Ergebnis des Haarschnitts bei mir durchaus voraussehbar...