Freitag, Juni 30, 2006

Werbung

Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder ständig alles und sich selbst präsentieren und verkaufen muß. Langsam komm ich ein wenig durcheinander. In der Werbung werden nicht nur Produkte, sondern auch Lebenseinstellungen, Schönheit und Gefühle verkauft. Ich muß zugeben, daß ich - würde ich keine Werbung gucken - niemals auf die Idee käme, eine Damenbinde mit dem Gefühl der weiblichen Überlegenheit und Toughness zu verbinden. Oder Cola light mit Sex. Bei Hautcreme dachte ich vorher nie an überbordende Lebensfreude und bei Peugot nie an pimpernde Marienkäfer.

Jetzt schon. Das Gefühlswirrwar, welches mich beim Betreten eines Supermarktes überfällt, ist ein Chaos. Man kann es mit einer schnell vorspulenden Videokassette vergleichen. Ein Wechselbad der Empfindungen bemächtigt sich meiner. Ich bin total wehrlos. Kennt ihr das auch oder muß nur ich mich überwältigt setzen weil meine Beine versagen, wenn ich grad durch die Kartoffelchips über die Babynahrung zum Toilettenpapier gestoßen bin?

Apropos Toilettenpapier. Wenn ich diesen Punkt erreicht habe, ist, sobald ich den blöden Charming-Bären wieder aus der Hängematte meines Stirnlappens vertrieben habe, für mich ein kurzer Hort der Ruhe und Freude angesagt, weil ich mich jedes Mal, wie über einen alten aber guten Witz darüber amüsieren kann, welche Namen diese tragen. "Servus", "Tschüß", "Ade". Darüber kicher ich dann ein wenig. Ich sagte ja schonmal, daß es sich mein Humor in stressigen Situationen gern im Keller bequem macht.

Zwei Regale später, bei den Putzmitteln, werde ich regelmäßig schwach. Zwar bin ich nicht sehr ordentlich und in meiner Wohnung mittlerweile eine friedliche Koexistenz mit den Staubmäusen eingegangen, aber im Supermarkt reagiere ich auf die neuen Putzgerätschaften nach wie vor wie eine geisteskranke Elster. Wenn eine Firma ein hübsches neues knallorangenes Allroundputzmittel auf den Markt schmeißt, was auch noch nach Orange duften soll, stehe ich glücklich starrend davor und stapel das Zeug dann hektisch meterhoch in meinen Wagen.

Ich sollte beim einkaufen eine dunkle Sonnenbrille tragen.

Wenn ich zu Hause das ganze nutzlose Zeug auspacke, welches ich im Wahn kaufte, folgt schnell die Ernüchterung. Die Produkte halten leider selten was sie versprechen. Weder war ich besonders fröhlich, als ich den neu erworbenen Swiffer zusammenschraubte, noch taugte das Ding auch nur für drei Cent. Um das Ergebnis meines Geswiffers auf andere Weise zu erreichen, hätte ich genauso gut ein Staubtuch an einer Hundeleine hinter mir her durch die Wohnung ziehen können. Und orangene oder knallgelbe duftende Putzutensilien machen den Dreck auch nicht besser weg als das grüne Zeug mit dem Frosch drauf.

Ich bekomme nach wie vor kein zärtliches Gefühl wenn ich mir den Hintern wische und sitze nicht unterm Tisch während ich in der Zeit telefoniere, in der Damenbinden angebracht sind. Ich habs probiert. Aber glaubt mir, es fühlt sich nicht gut an.

Von Hautcremes werde ich nach wie vor nicht hübscher, nach drei Paketen Diätkeksen hatte ich immer noch nicht abgenommen und diese Wimperntusche, die volumenauffüllend dichte und ausdrucksstarke Augen produzieren sollte, sollte besser ein paar Lappen unechter Wimpern mitliefern. Normal aufgetragen sieht das aus wie immer. Als ich dachte: Naja, dann nimmste halt ein büschn mehr, sah ich aus wie Groucho Marx, dem die Augenbrauen verrutscht sind. Ich möchte nicht mit verkleisterten Balken plinkern. Außerdem gehen die Augen dann durch das Gewicht der Tusche noch mehr zu. Dann werd ich ja nie wach.

Wenn ich mich daran doch schon im Supermarkt erinnern würde.

So setzen wir uns jetzt alle gemeinsam vor den Fernseher und raten drauf los, welche Modifikationen man noch an einer einfachen Zahnbürste vornehmen kann.

Test the Best.

5 Kommentare :

Bob hat gesagt…

Wunderbar. Ich erinnere mich auch immer viel zu spät an die nüchterne Wahrheit. Teufel Werbung... Sie kriegen mich selten aber der kleine Dämon "Selbstwertauffrischung durch Belohnungsprinzip" gewinnt fast immer.

Aber schön erkannt und wohl formuliert das Ganze. Um im restingierten Sprachcode zu bleiben:

"Schön das"

Das neue Blonde! Jetzt 20% lustiger!

Lundi hat gesagt…

Ein schönes Beispiel ist die Werbung für Nassrasierer. Seit Zeiten der Barbiere ein bewährtes Prinzip, aber immer als sensationelle Neuentwicklung verkauft.
Manchmal hat Werbung aber auch den gegenteiligen Effekt (dank der Werbung meide ich z.B. das Bier mit dem grünen Segelschiff, gewisse Banken,...)

Kühles Blondes hat gesagt…

bob, DU bist doch schuld, wenn ich zusätzlich auch noch werbesongsummend durch die regale streife.... genau, du bist schuld an meinem einkaufsverhalten.
du lump! :)

lundi, kannst du mir erklären, wofür ein naßrasierer batterien braucht? also was machen die da? geräusche? senden sie elektromagnetische wellen? laser?
ich kanns mir echt nicht vorstellen. hilf mir, sonst muß ich mir das kaufen...

Anonym hat gesagt…

Kühles Blondes, dein Text wäre das ideale Führungszeugnis für alle Werbestrategen! Bedürfnisse erfolgreich geweckt, danach immer noch unbefriedigt, und auf den Weg gemacht, um neue Bedürfnisse wecken und befriedigen zu lassen - GENAU SO SOLL ES SEIN!

(aber ich muss jetzt aufhören, muss noch einkaufen...)

Bob hat gesagt…

Ich gestehe. Ich unterstütze diese Lumpen. Aber ich entsage auch nach und nach. Ich suche mittlerweile neue Betätigungsfelder weil mir die überbordende Scheinheiligkeit und "Wir sind ja soooo wichtig" Fraktion der Werbung langsam aber stetig depressiv macht.

Was Batterien in Nassrasierern sollen ist mir auch bis heute ein Rätsel. Wäre ich von dieser Werbung nicht so final angeödet würde ich mich ja auf eine Studie einlassen. Brauchst Du nicht was Neues für deine Haare auf der Zunge?;))