Mittwoch, Juli 05, 2006

Der Tag danach

Es ist vollbracht. Deutschland hat es nun doch geschafft, sich aus der WM kicken zu lassen. Kurz vor Schluß geben sie auf. Ich kann die Jungs ja irgendwie verstehen. Wenn ich mir vornehme, in meiner Wohnung mal so alles wegzuputzen was wegzuputzen ist, habe ich auch mit einem Mal kurz vor dem großen "Jetzt-ist-es-wirklich-sauber-Finale" keine Lust mehr, nehme die großen Papierberge die noch zu sortieren wären, stopfe die wieder nach ganz hinten in den Schrank mit den Türen davor und wende mich unanstrengenderen Dingen zu. Kaffeetrinken, fernsehen oder rauchen.

Eine Reise nach Berlin als Belohnung schien wohl nicht reizvoll genug. "Haha" hör ich sie in Gedanken rufen. "Soll`n die Italiener doch mal versuchen, ohne Deutschland nach Berlin zu fahren. Knicknack, weißt Bescheid? Gehtdochgarnicht. Da können wir auch rausfliegen.In Berlin sind wir auch so in anderthalb Stunden mit dem Zug. Außerdem waren wir da schon mal." Vielleicht hätte man das Finale nach Hawaii verlegen sollen oder auf die Malediven. Als kleines Incentive für die großartigen Leistungen. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir in einer Gesellschaft leben, in der Kinder für das Müll runtertragen und Zimmer aufräumen schon ein paar Euro zugesteckt bekommen.

Hört damit bloß auf Leute, belohnt eure Kinder nicht mehr mit Geld für Selbstverständlichkeiten. In sechzehn Jahren, wenn sie dann für Deutschland auf dem Platz stehen, könnten sie sich auch überlegen, daß 300.000 Euro Preisgeld pro Person ein büschn wenig und daher nicht reizvoll sind.

Auf der anderen Seite: Leistung braucht man für Geld doch gar nicht mehr bringen. Eigentlich. Der Bundeshaushalt hat eine Neuverschuldung von 22 Millionen - oder waren es gar 220 Millionen - Euro beschlossen und ist damit zum ersten Mal wieder mit ihrem Haushalt verfassungsrechtlich im Rahmen. Wie bitte? Und ich mach mir Sorgen, wenn ich über meinen Dispo rutsche? Also schnell notieren: Termin mit der Kundenberaterin der Bank vereinbaren, um eine angemessene Neuverschuldung zu besprechen, die mir verfassungsrechtlich zusteht. Dann kann ich mir auch so ein hübsches Jäckchen schneidern lassen, wie es die Bundesmerkel in allen Farbtönen besitzt.

Aber ich schweife ab. Zurück zum Lieblingssport der verfassungskonform verschuldeten Nation.

Es scheint, als hätte ich meine Mitbürger mit den Unkenrufen auf die Ausländerfeindlichkeit unterschätzt. Nur ein einziges fehlgeleitetes ungefähr sechzehn Jahre altes Mädchen kreischte gestern in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause in ihr Handy: "Ej, ich bin total fertig ej, ich könnt heulen. Diese scheiß Spaghetti-Fresser". Und damit wollte sie eindeutig nur ihren Galan beeindrucken, auf dessen Schoß sie saß. Sobald die Bundesliga wieder anfängt, wird sie ihn weiterhin anmaulen, daß er schon wieder Fußball guckt, obwohl sie doch grad ihre Regel hat und den Bauch massiert haben möchte. Der ungehobelte Klotz.

Ein sehr alter und sehr betrunkener Mann, der sein Unterhemd über dem Oberhemd trug, (weils so warm war, hat er sich "nackich gemacht"), erzählte mir, daß der Schiedsrichter für die Italiener gepfiffen und er geweint hätte. Er hatte tatsächlich rote Augen, sah aber schon wieder ganz fröhlich aus. Allerdings unterstelle ich jedem Mitbürger, der seine Unterwäsche oben drüber trägt, eine bestimmte Form der Fröhlichkeit. Hurra.

Die anderen waren damit beschäftigt, sich die richtigen Plätze zu erkämpfen (Laßt mich besser an der Tür stehen, ich muß brechen) und in Ermangelung eines besseren die Fangesänge für Kickers Offenbach und Stuttgart für die nächste Saison zu proben. Deutschland guckt nach vorn.

In den Nachrichten habe ich nichts gehört von Ausschreitungen und brennenden Eisdielen. Die Sonne ist heute morgen trotzdem aufgegangen und der Volkstrauertag wurde auch nicht auf den 4. Juli verlegt. Das wäre aber wohl auch politisch unklug, Trauer zu verordnen an einem Tag, an dem die Weltpolizei USA ihre Unabhängigkeit feiert. Obwohl...ach nee. Lieber nicht.

Aber bei aller Unkerei: Es war ein fabelhaftes Spiel. Und Lehmann möchte ich jetzt erst recht heiraten. Ohne ihn hätten die Italiener, die so auf dem Ball herumgedribbelt haben, wie ich es normalerweise von dem Schlafkrankheitseminar aus Brasilien erwartet hätte, locker noch mindestens drei bis fünf Tore mehr gemacht. Es fiel mir manches mal schon schwer, in altbekannter hanseatischer Arroganzienmanier auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Sogar mein Puls war leicht erhöht.

So spielen wir also um den dritten Platz. Möge der Bessere gewinnen. Ich bestell schon mal für das Endspiel drei Kugeln im Hörnchen. Ohne Sahne. Die WM ist gelaufen. Zeit, sich um die Speckrollen zu kümmern.

4 Kommentare :

Bob hat gesagt…

Lecker. Ich nehm auch einen großen Eisbrecher Joghurt-Erdbeer-Mix mit viel Saaaahne. Die Speckrollen sind eh nicht mehr unter Kontrolle zu bringen und Pizza ist für ne Woche tabu. Wechseln wir wieder zum Tagesgeschäft: Nix tun.

F hat gesagt…

22 Milliarden. Hört sich wegen "Milli" ja gar nicht so viel an, Herr Ober Lehrer.

Kühles Blondes hat gesagt…

Kannst mal sehen. Doch so viel.
Das macht die Sache nicht schlimmer. Aber sag, kleines F, was hab ich Dir getan, daß Du mich als "Herr Ober Lehrer" betitelst? Es heißt FRAU Ober Lehrer. Tztz. Sechs. Setzen.
(Dabei hab ich mich heute morgen rasiert...)

Oles wirre Welt hat gesagt…

Lehmann möchte ich persönlich nicht heiraten. Das hat aber vor allem mit generell mangelnder erotischer Anziehung von Männern auf mich als Mann zu tun. ;) Ansonsten: Janz Deiner Meinung! :)