Dienstag, Juli 18, 2006

Smalltalk

Smalltalk ist eine hohe Kunst und er fordert in meinen Augen dem Körper genauso viel Energie ab wie ein Achtkilometerlauf um die Alster. Ich persönlich kann weder das eine noch das andere besonders gut und
bin hinterher gleichermaßen erschöpft.

Jeder kennt folgende Szene nur zur Genüge.

Man läuft durch die Stadt/Land/Fluß und trifft auf eine/n entfernte/n Bekannte/n. Nicht immer reicht die Reaktionszeit dafür, schnell abzudrehen und so kommt es schließlich zur Konfrontation, die in der Regel wie folgt abläuft:

Bekannter: Hey!
Bine: Oh, hey!
Bekannter: Mensch, wir haben uns aber lange nicht gesehen.
Bine: Stimmt
Bekannter: Und? Was machst du jetzt so?
Bine: Naja, nix neues, und du?
Bekannter: Du kennst das. Man schlägt sich so durch.
Bine: Hmmmphhmph
Bekannter: Ach mensch, wir müssen unbedingt mal wieder ein Bier trinken gehen.
Bine: pfffhhh Ja...
Bekannter: Au ja du, ich ruf dich an ne?
Bine: Hmmmach das.

Puls auf 180, leichter Schweißfilm und ich möchte mich setzen.

Richtig schön ist vorangestellte Szene, wenn man zusätzlich zu der grundsätzlichen Ablehung unnützer Kommunikation auch noch so ein grauenvolles Gesichtsgedächnis hat wie ich. Die 90 % meines Hirnes, die auch für die Wiedererkennung zuständig sind, spielen offensichtlich in Memorandum Rudi Carell ein andauerndes "Am laufenden Band". Alle Gesichter, die ich länger nicht brauche, fallen irgendwann automatisch in den Papierkorb meiner Festplatte und werden dann in bestimmten, mir nicht bewußten Zeitabständen ersatzlos gelöscht. Woraus folgt, daß ich heute noch nicht einmal mehr alte Klassenkameraden auf der Straße erkennen würde. Ich leide sozusagen unter partiellem visuellem Alzheimer.

In dem Fall ist das natürlich super, daß die gesprochenen Worte mehr automatisch und ohne nachzudenken gesagt werden können, weil der Rest meines Kopfes die ganze Zeit nach Informationen wühlt, wer denn derdiedas vor mir eigentlich ist. Hektischer und mit leicht paranoiden Ansätzen beginne ich zu wühlen, wenn mein Gegenüber über Insiderinformationen verfügt, von denen ich mir in keinster Weise vorstellen kann, woher er die hat. So wie der mir vollständig unbekannte junge Mann letztens auf der Straße, der Dinge fragte wie: Und, Herr sowieso und Frau sowieso, sind die noch in der Bank? Wie ist eigentlich deine Hüftoperation gelaufen, ist da alles gutgegangen?

Auf der Straße versuche ich, diese Situationen nach Möglichkeit zu umgehen, indem ich mich zügigen Schrittes mit leicht gesenktem Blick fortbewege und Rufe wie "Hey" oder "Hallo" nicht auf mich beziehe.

In Fahrstühlen gibt es keine Möglichkeit zur Flucht. Da muß man durch. Aber auch diese Unterhaltungen folgen einem festen Muster, an welches man sich halten kann ("Puh, mal wieder arbeiten, hm? - Ja - Naja, ist ja bald Wochenende - Hm - Wenn das nur nicht so heiß wäre - Ja, ich muß hier raus. Schönen Tag").

Ich hoffe immer, daß sich die Muster nicht ändern werden weil ich nicht weiß, ob ich in der Lage bin, schnell und souverän zu reagieren oder ob ich dann nicht doch lieber aus Notwehr in Ohnmacht falle.

Allerdings...meine Lieblingsszene in einem Fahrstuhl, die ich gern einmal in echt durchspielen würde, habe ich einem Cartoon entnommen:

Person 1: Sagen Sie mal, haben sie eben gepupst?
Person 2: Natürlich oder denken Sie, ich riech immer so?

1 Kommentar :

Bob hat gesagt…

Ach ja. Das Gedächnis und seine Namen. Mir ist das auch immer ein Grauel wenn ich Leute treffe deren Namen ich nicht weiß. An Gesichter erinner ich mich immer aber nie an Namen. Ich hab doch glatt sogar mal den Namen meines Bruders vergessen. Das war aber auch ein Überraschungsangriff als die beiden Fremden über meine Schulter sprangen und ich die große Vorstellungsrunde starten musste. " Hallo, ja...äh... das ist...äh... mein Bruder...öhh" Na, ja. So ist einem wenigstens nichts mehr peinlich, nicht wahr? Frau...äh...