Samstag, Oktober 06, 2007

Zwischenbericht. Eher muede

Astorga war wirklich der Hammer. Regen, kalt und abends, nach dem Pilgermenue bin ich stumpf ins Bett gekippt. Uebel war mir auch. Und die Albergue war zwar insgesamt reizend, hatte auch eine Waschmaschine, eine Kueche und einen Trockner, aber die Betten waren irgendwie ein wenig ueberladen. Wenn ihr alte Jugendherbergserinnerungen mal walten lasst, hattet ihr moeglicherweise in einem Raum von fuenfzehn Quadratmetern vier Stockbetten. In dieser Albergue gab es auf diese Quadratmeterzahl ungefaehr hundert. Fast jeder Zentimeter war mit Bett ausgefuellt. Kaum Platz fuer den Rucksack geschweige denn einen Fuss.

Wenn man einigermassen ueberanstrengt in ein solches Zimmer kommt und sich zudem noch jedes Mal, wenn man sich aufsetzt, den Kopf an dem Lattenrost von oben stoesst, ist das nicht sehr erholsam. Aber es ging. Am naechsten Tag konnte ich weiter.

Heute hat es Meike erwischt. In der Zwischenzeit sind ja ein paar Tage vergangen. Wir sind jetzt in Villafranca angekommen.

Fangen wir aber wieder in Astorga an. Immer schoen in der Reihenfolge bleiben. Am morgen, nachdem ich zum Gluck (danke Michi, der Fuss wirkt) erholt und ausgeschlafen war, wanderten wir, leider ohne Christine und Martha, die mit uns die Anfaengergruppe gebildet haben, weiter. Martha hatte unglaublich wehe Fuesse und die Zeit, die da noch zur Verfuegung stand, ist kuerzer als die, die wir noch haben. Also fuhren die beiden mit dem Bus ein Stueck.

Jetzt muss ich doch noch einmal ein wenig in die Vergangenheit ausholen. Auf dem Weg gibt es eine Person, die wir schon oefter sahen, und immer etwas merkwuerdig fanden. Zunaechst hiess sie "die Fitnesstrainerin", spaeter dann "Schneewittchen" und jetzt "Roxane". Wenn ich irgendwann die Moeglichkeit habe, hier Bilder einzustellen, werde ich mal zuordnen. Roxane heisst sie angeblich wirklich. Angeblich? Naja, ich bin mir nicht so ganz sicher, wie echt die Frau ist. Im uebertragenen wie im direkten Sinne.

Roxane ist ungefaehr 1.60 m gross, hat langes schwarzes Haar, ist immer perfekt geschminkt, laeuft in ziemlich billigen Turnschuhen und materialisiert sich immer direkt vor einem, wenn man sie mindestens achtzig Kilometer hinter einem vermutet. Wie kann die bloss so schnell sein? Ich weiss es bis jetzt nicht. Und sie laeuft wirklich. Meine Vermutungen gehen ein wenig dahin (hoffentlich liest sie das hier nie), dass es sich bei ihr um eine multiple Persoenlichkeit handelt, die immer, wenn eine nicht mehr kann, die naechste vortreten laesst. Multiple deshalb, weil sie bislang schon ziemlich viele Berufe hat. Je nachdem mit wem sie redet.

Als wir ungefaehr zehn Kilometer vor Astorga waren und zugegebenermassen ziemlich im Arsch, materialisierte sie sich und hatte originellerweise eine Riesentuete Aepfel dabei. Als wir aus Astorga rauswanderten, ohne unsere Anfaengergruppe, trat sie mit einem Mal vor uns aus einer Bar und wanderte also den Tag mit uns. Es war - irre oder nicht - ein sehr schoener Tag. Frauengespraeche, sonniges Wetter und eine Landschaft, als wuerden wir uns in einem Herr der Ringe-Film im Elbenland befinden. So schoen. Soooo schoen. Und bergauf. Immer bergauf.

Lustigerweise macht mir bergauf laufen nichts aus. Es ist mir voellig wurst, ob es ebene Flaechen sind oder fast vertikale. Hauptsache bergauf. Ich muss noch nicht mal mehr das Tempo drosseln. Nur die Schrittlaenge wird kuerzer. Was zieht man da philosophisch raus wenn man moechte? Genau: Bei Herausforderungen kontinuierlich voran mit kleineren Schritten.

Bei bergab sieht das ganze schon etwas anders aus...

Das geht naemlich in die Knie. Auch egal ob irre oder nicht. Den Abend verbrachten wir in einem mehr oder weniger verlassenen Dorf namens Foncebaldon oder so. Zugekiffte Rastahippies haben dort ein altes Haus zu einer Herberge ausgebaut. Sehr schoen. Es gab sogar Hefeweizen.

Rasta hat gekocht und es folgte ein lustiger weinseliger Abend mit unserer neuen Wandergruppe. Die Anfaengertruppe haben wir hinter uns gelassen. Seit Roxane laufen wir bei den alten Herren mit. Vier Buben im besten Rentenalter. Drei aus der Pfalz und einer aus Frankfurt, denen wir auch von Anfang an immer wieder begegneten. Lustige Runde und fuer uns sehr entspannend.

Mit einem ordentlichen Zug am Leib. Also im Hinblick auf die Geschwindigkeit. Deswegen sitze ich jetzt in Villafranca del Bierzo im Internetcafe und Meike liegt im Hotel (!) und schlaeft. Heute goennen wir uns Luxus. Wir sind, weil ein akuter Erschoepfungszustand sein Recht verlangte, mit dem Bus 7 Kilometer hierher gefahren, statt die Nachmittagsstrecke zu laufen und ruhen uns heut aus.

Da ich jetzt nur noch fuenf Minuten auf der Internetuhr habe und kein Kleingeld mehr, mach ich jetzt Schicht. Ach so, eins noch. Wir haben dreissig Grad. Nur mal fuer die, die dieses Jahr keinen Sommer hatten. Neidisch? Hö.

Und morgen gehts rein nach Galicien. Ich freu mich drauf. die Landschaften hier sind wirklich der Hammer.

Und warum Meike heute so fertig ist? Gestern ging es immer bergab. Nur bergab. Wie ein Bachbett runterklettern. Furchtbar aua schrecklich. Bei dreissig Grad. Hoffentlich gehts jetzt nur noch bergauf.

6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Hi Bine, heißt Roxana vielleicht Lottchen und kannte Erich Kästner? da gab es auch nocht sowas mit 'nem Hasen und dem Igel ... mache mich auf zum KölschWalk, werde Dir einen Ausblick von der Hohenzollernbrücke widmen!

Martin der Alte hat gesagt…

oh... solche Personen kenne ich auch, die überall erascheinen. Wahrscheinlich sind es Alien die uns unterwandern.

Ja Bergab geht echt auf die Gelenke, da ist es echt wichtig das man gescheite Schuhe hat, die was dämpfen.

Auch am heiligen Sonntag wandern wir Leser auch wieder mit dir mit.

Gruss aus Frankfurt

Anonym hat gesagt…

ich krieg schon vom mitwandern im geiste muskelkater, aber ich bleibe bei euch!

und sich dann nach dem laufen noch die zeit zu nehmen, uns ebenfalls auf dem laufenden (HA!) zu halten...
bine, hier wiedermal stellvertretend für all deine leser: vielen herzlichen dank für deine köstlichen blogtexte!
weiterhin buen camino!

Anonym hat gesagt…

dieses seltsame "Fitness-schneewittchen-roxane-wesen" werdet ihr bestimmt noch öfter begegnen.Dann aber hoffentlich nicht grad auf der verhexten "Geisteretappe" (habe auch Hape gelesen)in Form von Räuber Hotzenplotz, sondern als "GUTE FEE" die euch 3 Wünsche erfüllt. Oder so ähnlich.

Weiterhin Gluck, Zufriedenheit und Kraft. Und noch viele schöne oder auch irre Erlebnisse.

Lieber Gruß, Michi :)

schimi hat gesagt…

Wo bleiben die Fotos?

Wie gerne wäre ich mitgelaufen, aber ich mußte ja ins Stadion....

Anonym hat gesagt…

*rofl* Frauen wie "Roxanna" haben mich zur Männer-Freundin gemacht. Und wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich vor Roxannas Nase in Luft auflösen, um mich vor der Renterntruppe wieder zu materialisieren. Mit denen ist's wohl lustiger und umkomplizierter.

*g* Nicht mal auf nem Pilgertrip hat man vor solchen Wesen Ruhe. ;-)