Montag, August 28, 2006

Kinderkinder

Zwei Mal elf macht noch nicht zweiundzwanzig. Aber fast. Am vergangenen Wochenende lud ich alte Berufsegoistin mein nunmehr elfjähriges Patenkind ein, mich von Freitag bis Sonntag doch einmal in Hamburg zu besuchen.

Weil meine Erfahrungen hinsichtlich des Entwirrens weiblicher und besonders elfjähriger Gedankengänge und Bedürfnisse nicht nur etwas eingerostet, sondern nahezu kaum vorhanden sind, schlug ich aus Notwehr vor, noch eine Freundin mitzubringen. So hoffte ich, das Risiko des sich gegenseitig Angähnens und Langweilens zu minimieren. Grundlage dieser Überlegung war wieder das Wellensittichsyndrom. Haste einen, mußt du dich ununterbrochen mit ihm beschäftigen. Hast du zwei, sabbeln sie untereinander und du bist raus und mußt nur das Futter oben reintun und hin und wieder ein wenig Spielzeug nachlegen.

Zum Glück sorgen Elfjährige schon selbst für die Sauberkeit ihres Käfigs.

Wenn man den Eltern Glauben schenkt, hatte ich mir mit dieser Einladung zwei präputertäre, renitente und latent schmollige Mädels gefangen. Sie grinsten, die Eltern. Allerdings ein bißchen wehmütig, weil auch dort das Phänomen bekannt ist, daß sich selbst der schwierigste selbstgezüchtete häusliche Mitbewohner außerhalb der eigenen vier Wände in ein Goldstück verwandelt.

Und so war es dann auch. Sämtliche vorherigen Überlegungen meinerseits, ob ich als, wie ich schon sagte "Berufsegoistin", ausreichend Nerven mitbringe, um ein ganzes Wochenende Kinder zu bespaßen, ohne zwischendurch authistische Züge anzunehmen und leicht zitternd den Flachmann unterm Sofa hervorzupuhlen, waren gelinde gesagt überflüssig.

Die Regeln in meinem Haushalt waren recht leicht zu verstehen: Macht was ihr wollt.

Wunderlicherweise wollten sie das gar nicht.Weder rührten sie die Cola an, die ich extra für sie gekauft hatte ("ich trinke Wasser. Das mache ich zu Hause auch immer"), noch hauten sie sich übermäßig Gummibärchen rein und morgens keine Crossaints (mit elf achtet man wohl schon auf seine Figur). Am ersten Abend hielten sie den Wegfall der Sperrstunde tapfer bis halb eins durch, während sie am zweiten Abend freiwillig um elf ohnmächtig wurden.

Na gut, wir sind auch wie die Irren durch die Gegend gelatscht den ganzen Tag. Zuerst - wie es sich für junge Ladies gehört - shoppen. Sechs Stunden H&M, Karstadt, Kaufhof, C&A, P&C und wieder H&M. Und die ganze Zeit kein Murren aus Kindermund. Kein "wir haben Durst", "wir können nicht mehr laufen", "trägst du das". Nein, eher ein "laß mich das tragen, du trägst schon zu viel", "wir gucken noch einmal da hinten bei den Spielsachen", "au ja, noch einmal zu H&M". Hmpf. Was für eine Energie. Ich überlegte schon kurz, ob ich jetzt vielleicht langsam mal anfange zu murren. Eifrige Leser dieses Blogs sind ja über meine Shoppingunlust nur zu ausreichend informiert.

Aber Egoismus war ja nicht angesagt am Wochenende. Also fragte ich die Mädels todesmutig gegen vier, ob sie denn überhaupt noch laufen könnten, dann hätten wir die Möglichkeit, eventuell noch zum Hamburger Dom zu gehen.

Unnötig zu sagen, daß sämtliche vorn auf der Zunge getragenen schmerzenden Oberschenkel und Füße sofort wieder heruntergeschluckt wurden. Auf den Dom. Yeah. Jahrmarkt. Schnell noch die Einkäufe wegbringen und wieder rein ins Vergnügen.

Und das war es. An dieser Stelle sei jedoch verkündet, daß zumindest ich mich nie wieder in die "wilde Maus" setze. Nee, dafür bin ich zu alt. War das schlimm. Aber die Mädels hatten Spaß. Auch wenn ich sie aus Kostengründen an den meisten Fahrgeschäften ein Jahr jünger machte. Kinder unter zehn zahlen nämlich meistens mindestens einen Euro weniger. Nach dem Shaker waren beide sehr froh, daß sie noch nicht gegessen hatten und ich gebe zu, wäre ich da mit reingegangen, hätte ich hinterher auch ein leichtes Brechbedürfnis verspürt, sie rutschten, aßen Zuckerwatte, fuhren Kettenkarussell, wilde Maus, Raumschiff, wir sahen eine Lasershow, aßen Pommes und sie hüpften auf dem Trampolin mit Bungee. Undundund.

Toller Tag. Ich war auch platt.

Für den nächsten Besuch werde ich mir allerdings eine Reitgerte zulegen müssen um die jungverpickelte Bubenschar abzuhalten. Noch sind sie elf und Jungs sind doof. Aber ich schätze, in ein paar Monaten wird der Sprung zwischen "Kind" und "Jugendlicher" geschafft sein.

Ich bin schon mal gespannt.

1 Kommentar :

Der_grosse_Transzendentale_Steini hat gesagt…

Oooch, Tante Bine. Darf ich auch mal zu Besuch kommen? Hört sich ja nett an. Die Sperrstunde werde ich allerdings nicht einhalten. Die Mädchen das nächste mal allerdings auch nicht mehr, so viel ist sicher.