Mittwoch, September 26, 2007

Five days

Der Countdown läuft. Fünf Tage bis zum Jakobsweg. Ich stoße als üblicher "am Vorabend wild irgendwelches Zeug in den Koffer-Schmeißer" mit der Planung bereits jetzt an ungeahnte Grenzen. Ja, es muß geplant werden. Ich soll den Scheiß ja tragen. Superplanbine sitzt hier allerdings wie Ochs vorm Berg. Ich stopfe die ganze Zeit wild Unpassendes in den Rucksack, entstopfe ihn wieder, wiege vor Ratlosigkeit den Kopf und beobachte derweil die Spinne, die es sich offensichtlich beim letzten Packgang im Sack bequem gemacht hat, wie sie wild schimpfend wieder auszieht und hinterm Bücherregal verschwindet. Immer diese Unruhe hier.... vielleicht sollte sie mitkommen und gefälligst aufhören hier rumzuzicken. Das hilft mir nämlich gar nicht.

Wie soll das erst in Spanien werden, wenn die körperlichen Grenzen dazukommen? Das ist doch viel zu viel Grenze für einen Menschen allein. Ich glaube, ich laß eins zu Hause. Ob den Mental oder den Körper, überleg ich mir noch.

Meine neueste Panikattacke betrifft das Wetter. Als ich gestern zur Bank wanderte, fror ich nämlich erbärmlich. Es waren 13 Grad. In der phantastischen Wetter-Online-Rückschau mußte ich entdecken, daß das Wetter in den letzten Jahren da in Nordspanien nicht unbedingt wärmer war. Vielleicht mal ein Tag 20 Grad. Aber der Rest eher deutlich drunter. Es gab sogar mal Nachtfrost. Mein Plan ist underdressed. Und frieren geht gar nicht. Ich will ja auch mal gute Laune haben. Ich brauch mehr warm. Warm braucht Platz, warm ist schwer. Und ich bin klein und schwach...na gut, nicht ganz. Aber ich kenn Murphy. Murphy wird machen, dass es in dem Moment, wo ich ausgerüstet bin, als ginge ich mit Reinhold auf Yeti-Fang, durchgehend 25 Grad mit Ice in the Sunshine hat.

Versteht ihr mein Problem? Eigentlich sollte ich mit leerem Rucksack losfahren und mir alles dort kaufen. Bei meiner Entscheidungsfreudigkeit bräuchte ich dafür allerdings mindestens fünf Tage. Womit dann das nächste Problem bereits vorgezeichnet wäre. Nicht mehr genug Zeit und Ärger mit der Schwester.

Abgesehen davon, daß ich jakobswegtechnisch etwas obertourig durch die Gegend streife, bin ich natürlich ganz entspannt. Natürlich wirds auch in der Bank langsam eng. Der Schreibtisch will saubergefegt und die Arbeit übergeben sein. Es darf nichts vergessen werden, denn die meisten Leichen treiben innerhalb von drei Wochen irgendwann auf. Das wär sehr unschön, nach so einem Leuchtpfad an einen stinkenden Arbeitsplatz zurückzukommen. Auch der Kühlschrank will entmistet werden, damit er mir nicht zur Begrüssung entgegenschimmelt.

Auch der Geschirrspüler sollte rechtzeitig noch einmal durchlaufen. Aber bis dahin habe ich noch genug Zeit, mich mit meiner Packaktion auseinanderzusetzen. Abgesehen von heute, da gehts zum Polterabend. Und Samstag, da gehts zur Hochzeit. Hab ich schon erzählt, daß ich mir Donnerstag auch noch meinen hohlen Zahn ziehen lasse, damit er beim wandern nicht ständig anklopft? Sollte ich mir eigentlich lieber ne Regenhose kaufen oder einen Monsterponcho? Murphy sagt, in Galicien regnet es nie. Bei meinem Glück wird es schneien.

Werden die Mitpilger den Aufdruck auf meiner Mütze "Don`t mess with Sankt Pauli" als Affront gegen den holy frère Jacques betrachten? Oder die Totenköpfe auf meinen Unterarmstulpen? Wo ist mein Ohrwarmstirnband ohne Aufdruck. Kriegt man in Spanien Feuerzeugbenzin für meinen Taschenofen, nehm ich den überhaupt mit? Wanderstöcke ja oder nein? Wo ist meine lange Unterhose, wenn das Wetter wirklich so scheiße wird, brauch ich dann noch Sonnenmilch, sollte ich mir die Haare noch abschneiden lassen vorher, warum reg ich mich eigentlich so auf, ich hab doch früher schon Rucksacktouren gemacht, Blasenpflaster kaufen und Tape, wo sind meine Sicherheitsnadeln, denk noch dran, dir die Fürbitte für die Kirche auszudenken, das Geschirr für den Polterabend einpacken, nicht daß ich mir noch mit den Blödpumps auf der Hochzeit Blasen lauf, nehm ich das Handy mit oder nicht, wie verpack ich meinen Rucksack für den Flug, ist der eigentlich wasserdicht, Ipod oder nicht, reichen vier Ohropax, ich habe bis jetzt weder einen Reiseführer noch kenne ich ein Wort Spanisch. Hätte man Etappen planen sollen? Herbergen buchen? Ach was, wir latschen jetzt einfach mal so los. Vielleicht noch so ne Alumatte, wenn ich schon keine Isomatte tragen will. Oder sollte ich doch ein Pferd mitnehmen.

Ihr seht, ich bin völlig entspannt. Licht und Liebe. Om und so.

Luja sag i.

11 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

oh Bine, würde soooooooooo gerne mit. Dein "Schlepp dann mal weg" wird sicherlich sämtliche Literaturpreise einheimsen, I'm sure.
Werde hier unser Moped hüten und mich mit dem KölschWalk bescheiden. Buen Camino, Bine, mit oder ohne ommmmmm.....

Reto hat gesagt…

Jetzt mal ruhig, Mädel, setz Dich hin, zieh Dir eine Fluppe, äh, ein Glas Wasser rein und entspann Dich. Es gibt welche, die den Camino überlebt haben.

Vielleicht bringt das ein bisschen Ordnung in Chaos:

1. Du wirst zuviel dabei haben, aus zwei Gründen: erstens weisst Du jetzt noch nicht genau, was Du wirklich, wirklich brauchen wirst und zweitens sind 14 kg besser als 13 besser als 12 besser als 11 ... Du weisst, wie sich die Reihe fortsetzt. Aber es gibt überall Poststellen und hilfsbereite Menschen, die Dir auch einen Karton besorgen.
2. Ich habe einen Poncho Regenkleidern vorgezogen, weil man besser durchlüftet wird und auch den Rucksack drunter kriegt. Aus meinem Exemplar hätte man sogar einen Biwacksack machen können, den ich auch fast mal gebraucht hätte. Merke: immer schon den gelben Muscheln nach!
3. Die ersten Tage werden hart, ist so. Es dauert einfach, bis sich der Körper und das Mental auf das tägliche Gehen eingestellt haben. Aber danach musst Du ständig Deine Füsse bremsen, damit sie Dich nicht schon um 5 Uhr in der Früh aus dem Schlafsack zerren. Echt wahr.
4. Gut am planlosen Gehen ist, dass man das Ganze ohne Druck angehen kann. Du gehst dann einfach soweit, wie Dich die Füsse tragen. Das schlechte daran ist, dass es dann vielleicht dort, wo Du beschliesst, dass es jetzt genug ist, keine Herberge (soweit ich kann man nicht reservieren) oder sonstige Übernachtungsmöglichkeit gibt. In den meisten Fällen wird man den fehlenden Kilometer auch noch durchstehen, aber es gibt Strecken, da liegen die Herbergen 10 km auseinander. Ich hatte zwei Führer mit, dieser ist ok, weil relativ kompakt.
5. Beim Gehen wirst Du keine Sorge haben wegen Unterkühlung, aber wenn Du irgendwo Rast machst oder den Abend auf die Gasse willst, wirst Du den Nordspanischen Wind einrechnen müssen. Ein winddichter Faserpelz (kennt man das in DE, das Wort meine ich) ist eine gute Investition und auch nicht schwer. Eine Mütze ist auch nicht falsch.
6. Was brauchst Du resp. was habe ich gebraucht? Eine Hose, die schnell trocknet (ja, richtig gelesen, nur eine), zwei Shirts, zwei UHos, ein paar Wandersocken, ein paar normale. Daneben Faserpelz, Poncho, Wanderschuhe, Mütze. Ich hatte noch Treckingsandalen dabei und zeitweise damit gelaufen (auch im Oktober).
7. Um mal ganz abzuschalten und in den Pilger-"Flow" zu geraten, würde ich empfehlen, keine Elektronik mitzunehmen: keine Handy (es hat immer wieder öffentliche Telefone), kein MP3-Player (warum immer authentische Reize aussperren?), kein Fotoapparat. Letzteres fiel mir auch etwas schwer, weil ich jetzt keine "Erinnerungen" habe, aber es hat mich vom Druck befreit, ständig das "wichtige" knipsen zu müssen und nur noch in potentiellen Motiven zu sehen.
8. Ein Stock fand ich ganz nützlich, man kann damit Bären und Wölfe abwehren, gebrochene Unterschenkel schienen und kann am Abend die Zeit mit Schnitzen totschlagen. Aber nicht mitnehmen, sondern vor Ort in einem Wäldchen einen geeigneten Strauch verstümmeln.

Anonym hat gesagt…

Auch von mir Buen Camino, liebe Bine!
ich war zwar schonmal in Santiago d.C., aber wir kamen damals per Bus von Portugal rauf...

ich selbst lass ja nur noch meinen geist wandern, alles weitere hab ich mir spätenstens nach meinen abschied vom militär abgewöhnt.

übrigens, nach dem vorigen blog dachte ich, dass von 'klein und schwach' nur noch 'und schwach' übrig ist?

aber jetzt ernsthaft: das wichtigste ist ein LAPTOP !! du kannst uns doch nicht schon wieder soooolange ohne kühlenblondenblog lassen :-((
da erwarte ich aber hinterher einen ausführlichen bericht in buchstärke!

Anonym hat gesagt…

Ja, also...ich dachte bisher das sei nur ein Witz/eine Laune/oder eine Hommage an Hape K., abe mir scheint Du meinst es wirklich Ernst! Ich beneide Dich für diesen Entschluss...einfach so mal loslaufen......das hat was. Ich wünsche Dir jedenfalls jetzt schon viel Kraft, Ruhe und Gelassenheit, und blasenfreie Füsse, soweit sie Dich "tragen" mögen. Bin gespannt über Dein Buch: "Ich bin dann wieder hier.." Werde es gleich zusammen mit dem Harry Potter bei AMAZON vorbestellenAlles Gute, Mike

Dennis hat gesagt…

Wow, Du meinst es ja wirklich ernst! Dann vergiss aber nicht Block und Bleistift für Notizen - einen Pilgerbericht von Dir würde ich sogar lesen... ;-)

Der_grosse_Transzendentale_Steini hat gesagt…

Ach Bine, wer all abendlich die Kieztour überlebt, wird das wohl auch noch schaffen. Gute Reise!
P.S.: Mahort hat Recht: Notebook mit UMTS-Karte muss mit! Wir haben ein Recht auf Information.

Anonym hat gesagt…

*schwitz* Ich dachte schon, ich bin zu spät dran, um dir frohes Pilgern zu wünschen. ;-)

Ist schon alles gesagt worden, was gesagt werden muss. *g* Aber ich unterstreiche das ganz DICK... ich will hinterher einen ausführlichen Pilgerbericht lesen.

Bitte. ;-)

Ach ja... und außerdem vermisse ich deine Einträge hier jetzt schon. So. Das musste mal gesagt werden.

*schnief* Bis denn.

Kühles Blondes hat gesagt…

ich hab jetzt schon mindestens fünf gramm abgenommen, das wird ne leichte tour ohne backenzahn....
hey ihr lieben, vielen dank für die guten wünsche. und da gibts ja internetcafes (isch trach doch kein laptop ich HAB ja noch nicht mal eins...)
wie und ob es jetzt pilgerberichte gibt...ich weiß nicht. es gibt zu viele die davon handeln, wie das wetter war und wie viel kilometer man heut lief. falls mir mehr einfällt als das, ihr werdet es sehen ;)

Anonym hat gesagt…

Hoi Schweschta.
Ich hoffe, du verpasst den Flieger nicht. Ich warte auf Dich und bin schon ziemlich gespannt auf die Wochen..;-) bis Sonntag und zieh dich warm an.

Anonym hat gesagt…

wir wollen doch gar nicht wissen, wie's wetter war und wieviele km... was sonst noch abging, die abenteuer entlang der strecke, die begegnungen, deine beobachtungen... was halt deinen blog so ausmacht, das wollen wir!

und jetzt: los geht's!

Anonym hat gesagt…

@ KühlesBlondes: Na das soll ja kein Reisebericht werden. So'n langweiliges Zeug kriegt man ja in jedem Buchladen. *g*

Wie Mahort schon sagt... Bines Gedanken wollen wir. Und davon dürften dir ne Menge durch den Kopf gehen. *g* Darum macht man das ja schließlich. :-))

Hm... stand hier irgendwo, wie lange ich nun auf meine Lieblingsbloggerin verzichten muss?! *schnüff* Muss mal suchen. Aber erst wink ich dir noch mit dem Taschentuch hinterher. :-))