Montag, April 22, 2013

Mahlzeit

Nachdem wir die Achtundsechziger, die Friedensbewegung, die Männerbewegung, die Selbstbestimmung, die Emanzipation,  die Wiedervereinigung, den Umweltschutz, die Antiaidskampagnen und sonstige Bewegungen, die viel Herzblut und politisches wie gesellschaftliches Engagement benötigen, hinter uns gebracht haben, ist die Gesellschaft anscheinend müde. Leiser  ist es geworden. Niemand geht heute mehr ernsthaft noch für irgendetwas auf die Strasse. Gut, die Leute von Verdi. Aber die werden dafür ja auch bezahlt.

Beim Castor hocken noch ein paar People rum, einige aus alter Überzeugung, die anderen, weils Spass macht und Kameras da sind. Natürlich gibts noch die Gegendemonstrationen, wenn die Nazis aufmarschieren, aber selbst deren Aufmarsch in der stolzen Mannstärke von zwölf, nimmt doch heute auch nicht mehr die Gesamtgesellschaft wahr, geschweige denn ernst. Hierbei nehme ich natürlich diese armen Dörfer in Mecklenburg aus, wo diese zwölf Leute wohnen und ganze Landstriche in Angst und Schrecken versetzen. 

Ich bin schon mal gespannt, ob die Scheissbullenbewegung am ersten Mai auf der Schanze dieses Jahr noch funktioniert, oder ob die Haspa in diesem Jahr heil bleibt.

Aber worauf wollte ich eigentlich hinaus? Der Hang der Gesellschaft und des Einzelnen zum Kampf für die Allgemeinheit lässt offensichtlich nach.  Jeder must (hier ist das u lang zu sprechen) für sich allein. Die eigene Bequemlichkeit ist am wichtigsten und die Zivilcourage, die nötig ist, um sich hinter den Kran an der Elbphilharmonie zu legen, damit endlich weitergebaut wird, hat heute keiner mehr. Jeder ist sich selbst der nächste. Niemand möchte mehr die Energie aufbringen, sich einzusetzen. Bringtdochehnix undsoweiterundsofort.

Dennoch gehört die Revolution, die Weiterentwicklung und der Hang zum Schutz von Schutzbedürftigen, der Hang zur gesellschaftlichen Veränderung und der Widerspruch an sich zum Menschen und hat ihre eigenen Gesetzmässigkeiten. Die dafür zur Verfügung stehende Energie zur Bildung von Überzeugungen  wabert seit Anbeginn der Menschheit auf der Suche nach geeigneten Köpfen um den Erdball und  ist nach wie vor da. Und sie wird sich, so sie nicht für wirklich grosse Aktionen benötigt wird, immer wieder Nischen suchen.

Da die Menschen nicht mehr kämpfen müssen, bzw. wollen, haben sie Zeit, sich zum Beispiel recht innig mit dem Thema  Ernährung auseinanderzusetzen. 

Früher kochte Mutti die typische Muttiküche. Es gab fettintensives hochkalorisches Essen, weil die Kinder zwanzig Kilometer zur Schule laufen und Vati noch per Hand die Schiffe im Hafen abladen musste.  Da war es wichtig, den Verbrennungsmotor ausreichend zu schmieren. 

In den siebzigern  mussten sich die Leute  sich mit  "schneller Küche" auseinandersetzen, weil Mutti gegen die Volkszählung und für die Emanzipation ging, während Vati mit seinen Gewerkschaftskumpels an Fabriktoren sass. Am Wochenende malte man gemeinsam Anti-Atomkraft-Schilder, gründete Parteien und erfuhr sich selbst. Spross und Sprössin organisierten sich in der Studentenbewegung und für die Kocherei und den Verbrennungsmotor hatte keiner Zeit. In der Zeit gabs Konserven, Toast Hawaii und Eingemachtes und am heiligen Sonntag dann althergebracht Fleischgemüsekartoffelnsauce.

Für den Verbrennungsmotor  haute man einfach Gläserweise Mayo in alle Salate.

Dann ging die Technisierung weiter. Die Menschen  arbeiten zunehmend an Computern und nicht mehr schwer körperlich, der Kalorienbedarf schwand, die Mayo blieb. Ergänzt um die Produkte der goldenen Möwe und diesem anderen amerikanischen Burgerdingens. Currywurst, Salamibrötchen auf die Faust. Und Marssnickersraider in der Pause.  Mutti muss nun auch arbeiten, alle werden dick wegen der ganzen Mayo und der fehlenden Bewegung. 

Jetzt wurde man international. Da es keine dicken Chinesen gab, entdeckte man die asiatische Küche, weil Olivenöl so gesund ist, aß man mediterran. Aber ich schweife glaub ich ab.

Wo ich eigentlich draufzu will, ist, dass die Menschen heute Zeit haben, sich den Grossteil ihres Tages damit auseinanderzusetzen, wie sie sich ernähren wollen uns aus  diesen Überlegungen Überzeugungen zu stricken, die sie kämpferisch verteidigen und ständig genötig sind, sich zu erklären und zu missionieren und zu verurteilen, weil Andersessende gleichzeitig zwecks Gruppenbildung zutiefst verurteilt werden. Wurstmörder raus. Kohlehydratspuren... Igitt. Man geniesst seine Nische.  Ernährungsform statt Reform. 

Ich finde es ja  völlig in Ordnung, wenn jemand entscheidet, koscher zu leben, kein Fleisch zu essen, also Vegetarier zu sein, oder gar vegan zu leben, also gar keine tierischen Produkte essen zu wollen. So lange sie ihren Missionsdrang mir gegenüber im Zaum halten und mir nicht auf meine Lederschuhe spucken.  

Was ich allerdings  überhaupt nicht verstehe ist, warum ein Vegetarier oder ein Veganer die freie Zeit, die er nicht braucht, um ein Tier zu schlachten und das Steak zu braten, dazu nutzt, tagelang Weizengluten aus Mehl zu waschen, um sich daraus Seitanwürstchen zu basteln.

Ich verstehs echt nicht.

Wieso gibt es vegetarisches oder  veganes "Hack"? Warum vegane Salami, veganen Käse und so ein Zeug? Warum müssen andere Lebensmittel in ihrer Struktur so aufwendig verändert, eingefärbt und geformt werden, damit ein Vegetarier oder Veganer optisch Fleisch oder andere Tierprodukte essen kann? Ich möchte nicht, dass Tiere getötet werden, häng mir aber trotzdem einen Kadaver aus irgendwas mit Tofu in die Vorratskammer?

Wieso reicht denn Gemüse und Sojamilch nicht, warum muss man seinen Chemiebaukasten aus dem Keller holen, um mit auch oft nicht sehr natürlichen Mitteln aus dem Gemüse ne Frikadelle machen? Und sie auch so nennen? Ich verstehe sowas nicht. Es gibt doch wirklich so viel leckeres ohne Tierbezug. Da brauch ich doch keine Salami aus Plastik mit Bohnen?

Was ich auch noch nicht verstanden habe,  worüber ich mich aber gern belehren lasse:  Es ist richtig, dass Veganer Tieren nicht in die Quere kommen. Es gibt also kein Fleisch, keinen Fisch, kein Leder, keine Eier, keine Milch. Wie stehts mit Honig? Darf man Bienen den Honig wegnehmen, den Hühnern die Eier aber nicht, auch wenn sie nicht befruchtet sind? Ich verstehe ja, dass man beim Genuss von Kuhmilch den Kälbern ihre Ureigene Nahrung wegschlabbert, aber gilt das auch für Bienen? Darf ein Veganer Wollpullis tragen? Aus Schafwolle?  

Isst der Veganer natürlich, also mit Scheisse gedüngte Feldfrüchte? Und Biogetreide? Trotz der darin enthaltenen Käfer?

Und warum sind so viele Veganer so unglaublich tätowiert?  Bluten gegen Blut? Masochisten für Schnitzels Himmelsreich? Besser ich leide, als die Viecher? Naja, vielleicht besteht da ja gar kein Zusammenhang. Fällt aber auf...

Da die Anhängerzahl dieser Ernährungsformen stetig steigt, hoffe ich trotzdem irgendwann darauf, dass die Veganer weniger als "komplizierendes Element" beim perfekten Dinner auftauchen, sondern sich aus dieser Ernährungsnische eine ernstzunehmende Lobby gegen die Billigfleischproduktion und die Massentierhaltung bildet. Ich mach dann auch mit. Also, Hühner befreien. Ich verzichte allerdings bei aller Liebe nicht darauf, sie hin und wieder auch zu essen.

Ich hab auch ein Tattoo.


5 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ja, Du hast Recht.
Gesellschaftlicher Trend: Nahrung wird zur neuen Religion.
Man redet/ schreibt drüber. Bis….
wir schließlich alle zu Vegetariern werden und dann mal ins Gras beißen.
Diese Futterei bringt einen doch in den anderen Zustand.
Süsses, Spargel, Wein, Bioschweinbein, Sein oder kein Schwein sein. Strapse – großes Kopfkino.
Lechts, Seuftz, Schluchts. Man reiche Taschentücher –
für alle Körperöffnungen.
Sollte schon mal meine Ernährung auf Photovoltaik und Wind umzustellen.
Komme da aber nicht ernsthaft über das rülpsen und furzen hinaus.
Aufwachen. Ins Auto, auf zum goldenen oder zumindest zum Kühlschrank. Ist auch besser für die Fleppe. Da ist noch Käse und Wein da. Den Hunger vertreiben. Den Frust mit Essen und Trinken wegdröhnen. Der Lust fröhnen.
Süßes Tattoo.? Auch ein Trend. Höre schon selbst den Spruch im Altersheim vom Chor der Zivis „Oma, warst auch mal eine ganz schlimme“.
Heute ? Schon zu viel vom einen und anderen.
Nee, heute kein Tag für einen schönen Kommentar des Nobelpreisverdächtigen Blogs.
Bring mehr liebe Schreiberin. Aber bitte nicht vom Essen.

Die Ällen

Der Lange hat gesagt…

Einspruch Euer Ällen! Auch gerne weiterhin was vom Essen.

Zu dem von dir Geschilderten.
Um es ganz einfach zu sagen:
Uns gehts zu gut. Folge -> Dekadenz
Remember the Roman Empire!
Ob es da Veganer gab und die für den Unergang des selbigen verantwortlich zu machen sind, weiß ich zwar nicht, aber der Untergang des Abendlands naht! ;o)
(Naja, kann sein, muß aber nicht^^)

Anonym hat gesagt…

Ein Tattoo ???
Wo und was ?

Der W.

Kühles Blondes hat gesagt…

euer Ällen, wie schön, Photovoltaik und Wind, ein sehr schönes modernes Synonym für Luft und Liebe. Ist ja immerhin Frühling.
Langer, ich werde natürlich weiter übers essen schreiben. Das ist altersbedingt. Essen und trinken ist halt mein Leibgericht.
anonym W, es muss auch noch Geheimnisse geben..

Anonym hat gesagt…

...mehr nach der Werbung ?

Der W.