Dienstag, April 16, 2013

ein Frühling, zwei Rad


Kaum hält die Sonne mit Temperaturen Hof, die ausnahmsweise nicht dazu geeignet sind, sich mal so total zu spüren, weil man so furchtbar von innen heraus friert, steht die Kollegin am Kopierer und niest und niest und niest. Es ist Frühling, Freunde, die Pollen schweben, die Strahlen kitzeln in der Nase. Bis zum Herbst werden jetzt die armen  Heuschnupfen-Geplagten wieder durchniesen und ich werde mich jeden Tag darüber freuen, dass meine Nasenschleimhaut lediglich durch unsägliche Gerüche gereizt wird.  Birkenstock statt Birkenstaub sozusagen. Ich steck aber gleich ein paar Pakete Taschentücher mehr ein. Zum anbieten. 

Doch nicht nur die Pollen haben uns jetzt im Griff. Dieser Tage schlüpfen und ploppen die Puppen und Raupen und all das Geviech, welches bisher noch unterm Eise schlummerte, wird nun den Angriff auf die ebenfalls geschlüpften Motorradfahrer starten, welche den zarten Geräuschschleier über der Stadt mit so tiefen Furchen durchziehen, wie es sonst nur diese Maseratiprolls können, die an schöneren Wochenendtagen ihren Motor den Jungfernstieg hochrasen lassen und da Cartbahn spielen. 

Ich persönlich war ja noch nie ein begeisterter Motorradfahrer. Vielleicht, da ich in Ermangelung eines entsprechenden Führerscheins immer in die zweite Reihe gebeten war. Und das war selten eine Freude, auch wenn man als Hintermann selten so einen richtig fetten Käfer oder eine Wespe auf das Visier gematscht bekommt. Vor allem, wenn man - wie ich - den Kopf vollständig hinter dem Vordermann versteckt und mit zusammengekniffenen Augen darauf hofft, dass der Spuk gleich vorbei ist. Unbillen gibt es genug, sofern man sowieso schon mal ausreichend Angst hat,  mit dem Knie gleich die Strassenrandbemalung nachziehen zu müssen, weil sich der Herr gern in die Kurve legt.

Der geliehene Helm gehört irgendeiner Ex-Schnalle und ist mal liegengeblieben. Es ist nicht ermittelbar, welche Sicherheitslücken er gegebenenfalls schon aufweist, wie oft er also schon vom Schrank auf den Fussboden geknallt ist. Mit oder ohne Kopf.  Ausserdem lässt er sich unterm Kinn nicht richtig schließen. Ach, das passt schon irgendwie. Die weiteren Klamotten sind entweder zu gross, weil vom Herrn,  oder, wie Jeans,  nicht wirklich geeignet. Eigentlich würde man eh lieber in voller Football-Ausstattung fahren würde. Mit Suspensorien über jedem Knie und einem Jahresvorrat Isoliermatten rundherum.  Nur zur Sicherheit. 

Aber so war das damals. Was tat man nicht alles, damit der jeweilige Gefährte dachte, man würde sich für seine Hobbys interessieren. So ein Quatsch.

Spätestens, wenn man wegen der Kombination  aus Adrenalin und Langeweile, die zwangsläufig aus Notwehr  entsteht,  da man während der ganzen Fahrt einen Punkt auf dem Rücken des Vordermannes fixiert  - unter anderem auch,  damit die monotone Kurverei nicht auf den Magen schlägt und  der nachfolgende Fahrer einen noch viel grösseren Käfer abbekommt -   kaum noch wach bleiben kann,  ist man  "da".

"Da" ist ein Ort, den die Motorradfahrer Lemmingen gleich in die Gene gelegt bekommen. Der Ort, der der sinnlosen Kurverei ein Ziel gibt. "Da" laufen pro Sonnenstrahl und Quadratmeter ungefähr hundertfünfzig  Biker herum. Es ist selten besonders einladend. Es gibt Motorräder, Leute in Schwarz, Imbissbuden und Motorräder. Die Herren stehen herum und fachsimpeln. Die Damen stehen herum und langweilen sich. Mit "Damen" meine ich natürlich ausschließlich mich. Alle anderen Damen fachsimpeln mit und haben irre Spass. Klar.

"Da" wird  man  gezwungen, die wackeligen Knie von dem Fahrgestell zu schälen, den Helm abzunehmen, um das, was morgens noch  eine Frisur war, zu präsentieren,  trocknen zu lassen und Bier, Wurst, Pommes und Kuchen zu essen. Dabei muss man cool gucken, was, in Anbetracht dessen, dass der Körper, bis eben noch durch den rasenden Fahrtwind gekühlt, auf Anhieb anfängt zu schwitzen wie die Sau, schwierig ist.  Und man muss herumlaufen wie John Wayne, was durch die verkrampfte Haltung auf dem Soziussitz nicht schwierig ist. Hat man Lederklamotten an, muss man die Hose aus den Schuhen ziehen, weil sonst zu  befürchten ist, in dem aufsteigenden Schweiss auf der Rückfahrt zu ertrinken. Ausserdem muss man sich präsentieren und präsentieren lassen. Man muss herumgehen und mit grossen Augen nicken und interessiert tun, wenn der Herr auf irgendein anderes Motorrad zeigt und einem langatmig erklärt, was da .... also Motorrad. Nicken, lächeln.

Sobald man nach der Schwitzerei wieder ausreichend abgekühlt ist, geht es kaltschweissig erkältungsfördernd wieder an die Rückfahrt. Die Sonne ist schon hinter den ersten Wolken oder dem Horizont verschwunden, so dass es auch nicht mehr wirklich warm wird. Ausserdem muss man wegen der Wurst ständig aufstossen und konzentriert versuchen, nicht an diese zu denken, weil man dann daran denkt, dass das Fritierfett schon lange nicht getauscht wurde und einem davon noch schlechter wird.

Zu Hause fällt man dann vom Sitz direkt in die Badewanne oder unter die Bettdecke und antworte - aber nur auf Nachfrage - dass das ein ganz toller Tag an der "frischen Luft" war. Das machen wir mal wieder. Der wird schon sehen, was er davon hat. Nächstes Mal muss er mit zum Poetry Slam. Ob er will oder nicht. 

Euch allen natürlich trotzdem viel Spass. Ich warte hier so lange und döse in der Sonne. Die Wurst essen wir hinterher vom Grill.

Aus meinen Zeiten bei den Sanitätsdingsen weiss ich übrigens noch, dass Motorradfahrer gern gesehene Organspender sind, weil da bei einem tödlichen Unfall nicht so viel kaputt geht wie bei einem, dem sich während eines Unfalls der Motorblock zärtlich auf den Schoss schiebt. Also, Ausweis nicht vergessen.
Und fahrt bitte vorsichtig.

Und ich bagger jetzt mein Klapprädchen aus der Abseite und schau, ob es mir heute schon zu Diensten sein kann. Dann setz ich mir meine Mucke auf und radel schön Verkehrszeichen missachtend in die Bank. 


2 Kommentare :

Unknown hat gesagt…

Du hast 'ne coole Art zu schreiben! Gefällt mir!

Kühles Blondes hat gesagt…

Danke für das Kompliment! Gefällt mir! :)