Mittwoch, Oktober 29, 2008

Kälber sind kein Fisch

Wer dachte, nach Schulschluss ist das mit Lernen vorbei, hat sich im besten Fall geirrt. Man kann während ein paar netten Abendessen mit Freunden allein schon so viel lernen, dass sich das Aufstehen selbst dann morgens lohnt, wenn der Job einem keinen Spaß macht und die Frau auf gepackten Koffern an der Haustür sitzt und auf das Taxi zu ihrem neuen Lover wartet.

Mein Job macht natürlich Spaß. Haaallooo, mein Job macht mir Spass. Alles in Ordnung. Superjob. Ich habe auch so keine Probleme mit dem Aufstehen. Ich weiss sogar, wie sich unsere Zentrale Personalabteilung seit neuestem nennt: Zätt-äitsch-aaaaahr. Zentrale hjuumään Riessooooohrsiss in ausgeschrieben. Damit die Kollegen und Kunden in Usbekistan, der Antarktis und am Amazonas auch etwas damit anfangen können. "Personalabteilung" klingt ja doch ein wenig sehr deutsch. Meinetwegen. Warum man allerdings nur das Äitschaaahr globalisiert hat und nicht die Zentrale...darüber mögen sich klügere Köpfe streiten, ich amüsiere mich nur.

Ach so, nein, nicht amüsieren, nicht schlecht Aufstehen, guter Job, Traumjob. Nur für den Fall, dass mein Arbeitgeber dieses Blog längst entdeckt hat und mir aufgrund meiner Aussagen hier im Zuge irgendwelcher Restrukturierungsideen irgendwann anbietet, zukünftig noch länger schlafen zu dürfen, weil ich hier immer öffentlich rummotz. Das möchte ich nicht. Dann hätte ich zwar viel Zeit zum bloggen, ich wüsste aber nicht mehr, was.

Ich hätte nämlich kein Geld mehr, um solche Abende zu erleben wie die letzten beiden, wo ich in Gesellschaft lieber Personen viel lernte, was ich hier jetzt schreiben kann. Ich würde nichts mehr erleben und nur noch apathisch Kalenderstriche in die Raufaser ritzen, auf mich selbst starren und meine Hirnatrophie beobachten. Und mir fiele nicht mehr ein, was Atrophie ist. Schlimm. Wahrscheinlich wüsche ich mich nicht mehr und äße nur noch Hering in Tomatensosse aus der Dose vorm Fernseher. Mit der Hand.

Apropos "Heringe" und "mit der Hand". "Heringe pfeifen beim Sex", wurde mir Montag abend beigebracht. Ich gebe diese Aussage jetzt einfach mal so ungeprüft weiter. So, wie Bauarbeiter einer Frau hinterherpfeifen und früher beim Danz op de Deel die Burschen am Tresen ihren Maiden an der Sektbar zupfoffen, dass sie sich nun zur Kopulationsvorbereitung auf der Tanzfläche treffen mögen, so pfeift so ein Hering seiner Angebeteten zu, dass sie sich auch gleich auf der Tanzfläche der Paarung mit ihm treffen möge. Hübsch ne? Da stelle ich mir direkt einen riesengroßen Schwarm Heringsrüden vor und davor ein total verwirrtes und fast taubes Weibchen, was sich nicht entscheiden kann. Wie im richtigen Leben. Wenn alles laut ist ringsherum, haben die zarten Zwischentöne einzelner Herren keine Chance mehr, erhört zu werden. Haben Heringsweibchen eigentlich Ohren? Nein? Na, dann ist ja Wurst.

Wurst. Wurst macht man nicht aus Fisch. Zumindest habe ich noch nie eine Fischwurst gegessen. Wurst macht man aus Säugetieren. Aber es gibt, abgesehen von der Präsentation im Darm, noch andere kulinarische Unterschiede. Wie ich gestern lernte, sind Säugetierbacken nicht gleichzusetzen mit Fischbacken. Fischbacken sind nämlich eine zarte und leckere Angelegenheit. Wenn der Karpfen schön dicke Backen macht, kann das wohl schmecken.

Das hatte ich im Sinn, als ich gestern im Schatto Pauli Kalbsbacken orderte. Kalbsbäckchen um genau zu sein. Das klang süß und zart und lecker und ich wollte es esen. Auch wenn ich jetzt bestimmt für meine Tierkinderbestellung gesteinigt werde von allen Achwiesüsssagern. Das Tier war eh schon tot, weil meine Begleitung von Montag schon seine Leber aß.

Als die Backen kamen, sah das ganze auch noch superlecker aus. Die machen schon ganz schmackhaftes Essen da im Schatto. Als ich mir aber den ersten Bissen in den Mund schob, war ich leicht irritiert, weils wabbelte. Fettwabbeln möchte ich selten essen. Ich begutachtete das Fleisch näher und stellte zu meiner Unfreude fest, dass es auch nicht möglich war, das Gefettel einfach abzuschneiden, weil es sich, wie marmoriert, durch die gesamten Stücke zog. Für Fettliebhaber ist das bestimmt der Himmel auf Erden. Wer meine Urlaubsfotos gesehen hat, weiss aber, dass ich davon momentan wirklich selbst genug hab. Ich muss das nicht auch noch essen.

Was macht eine Frau in einer solchen Situation? Man preist das Essen dem Begleiter an, macht ihm den Mund wässerig und schlägt ihm, wenn er lobt und preist, vor, die Essen doch zu tauschen, wenn es ihm doch so gut schmeckt. Ich habs probiert, wurde aber schon im Ansatz aus dem Rennen geworfen, weil der Herr meinte: "Na gut, ich probier mal, aber ich mag dieses fettige Zeug eigentlich nicht so gern. Ich hab mich schon gewundert, dass du das bestellst. Erinnerst du dich noch an das Grünkohlessen, als ich die Schweinebacke mitbrachte, das fandest du doch megaeklig...." Da konnte ich zwar noch ein wenig auf meinen Begleiter einschimpfen, dass er mich da nicht früher dran erinnerte, mein Essen musste ich aber selbst hinter mich bringen.

Zum Trost bekam ich die Hälfte von seinem Bratapfel, was uns zum nächsten Lernstoff des Abends führte. Nach Kindeszeugung und Hausbau muss sich der Begleiter von gestern nämlich ernsthafte Gedanken machen, welchen Apfelbaum er in seinen Garten pflanzt. Das ist wohl gar nicht so einfach, gibt es doch tausend Sorten, welche die Entscheidungsfreudigkeit auf eine lange Probe stellen. Zum Glück zählte er mir nicht alle möglichen Sorten auf. Nur ein paar. Unter anderem die Sorte "Stina Lohmann". Die Namensgeberin dieser Frucht war sozusagen eine Mutter Theresa in Apfel. Die Bertha Keyer der Streuobstwiese. Der Engel von Kellinghusen.

Weil sie ihre Äpfel großherzig mit der hungernden Bevölkerung teilte, wurde die Sorte nach ihr benannt. Und Frau Keyser, der Engel von Sankt Pauli, bekam nur so einen blöden Versicherungshansel als Namenspaten.

Das Apfelproblem wurde natürlich nicht mehr gelöst, aber ich habe wieder viel gelernt dank meines großherzigen Arbeitgebers.

Das musste halt mal gesagt sein.

6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Danke für den kleinen Exkurs. Ich merke mir: Niemals Fleisch in Bäckchenform ordern. Niemals.

Aber ich denke, das hätte ich eh nie ausprobiert, weil ich nur das esse, was ich kenne. Mein Speiseplan ist daher recht überschaubar und das ist auch gut so, weil es die Köchin nicht überfordert. [Anm.: Ich bin meine eigene Köchin] Wäre also beim Essen direkt zum Bratapfel übergegangen. Davon hätte es dann aber die doppelte Portion sein dürfen. ;o)

Dennis hat gesagt…

Schön wieder mehr von Dir zu lesen, Bine.

Ich darf auch gleich mal klugscheissen: Heringe können nicht pfeifen, jedefalls nicht mit dem Mund. Diese Art der Kommunikation wird vom anderen Ende des Fischkörpers übernommen. Google einfach mal "Heringe furzen"... :-)

Anonym hat gesagt…

und natürlich gibt es fischwuäs. mein vater kredenzte mir mal stolz bei einem familiengrillen (nein, er hat keine familien gefangen und gegrillt!) eine lachswurst. die habe er von einem befreundeten fischhändler mit auf den einkauf draufgepackt bekommen. kleiner tipp nun für die, die auf den geschmack zu kommen glauben: lachswurst spritzt beim grillen und schmeckt fad.

gruß vom engel von st. pauli

Anonym hat gesagt…

das erinnert mich an bestellungen im ausland abseits der touristenpfade. in den landessprachen rundum kann ich mich ja selbst ausdrücken, und sonst hilft meist english. aber es gab schon gelegenheiten, da waren das einzig verständliche auf der karte die preise. gelobt seien reiseführer mit anhang mit den wichtigsten fremdwörtern...

Anonym hat gesagt…

Ich esse nichtmal alte, hässliche Tiere. Und schon gar nix zu dem meine Tochter „Wiesüß“ sagen könnte.

Und Heringe pfeifen beim furzen? Wie süß!

Der_grosse_Transzendentale_Steini hat gesagt…

Ich wusste gar nicht, gar männliche Heringe "Heringsrüden" heißen. Das macht das Tier irgendwie bedrohlich. Ich hoffe, ich gerade niemals in einen "riesengroßen Schwarm Heringsrüden".