Mittwoch, Juni 06, 2007

Schöner wohnen

Herrjeh bin ich im Arsch. Heute bin ich auf alle Fälle mindestens im gleichen Maße gealtert, wie die Wahrscheinlichkeit, daß ich jemals aus meiner Wohnung ausziehe, gesunken ist. Nämlich um hundert Prozent.

Ich saß im Bett. Es war morgens, wie so häufig, und ich dachte "örks". Damit fing alles an. Denn nicht immer, wenn ich morgens im Bett sitze und "örks" denke, hat das etwas mit Alkohol am Vorabend oder überraschendem Besuch zu tun "Hallo, wie heißt du denn eigentlich?", sondern manchmal auch damit, daß ich mir mein Schlafgemach anschaue und es so gar nicht behaglich finde. So auch heute morgen.

Wenn man einmal zu häufig die Maiglöckchenernie geguckt hat, wenn sie anderen Leuten ihre Kemenaten verschönert, wächst schon ein Bedürfnis. Und dieses Bedürfnis sagte heute morgen sehr laut und vernehmlich "ÖRKS". Das ist noch kein Grund zum altern? Nein. Das ist noch kein Grund zum altern. Noch nicht.

"Neue Vorhänge müssen her" dachte ich. Der Tag, an dem ich diese grüngelb karierten Dinger gekauft habe, gehört aus dem Kalender gestrichen. Seh ich aus wie Landhausstil? Aber vielleicht kann ich sie ja noch verwenden, um links und rechts von den Kleiderschränken eine Aufbewahrungsmöglichkeit a la Bine zu bauen. Das bedeutet in der Regel, daß ich Teleskopduschstangen kaufe und Vorhänge dranbimsel. Auch gute Idee. Gesagt, getan, ich besorgte heute also neue Vorhänge. Sie hingen bald, sie sehen gut aus. Und nun der Rest.

Jetzt gings ans umräumen. Das Bett muß auf die andere Seite. Das war nicht schwer. Es war Zentimeterarbeit, aber nicht schwer. Die Kleiderschränke sollten mittig an der Wand stehen. Grundsätzlich auch nicht schwer. Und nun fings an.

Ich weiß, daß man niemals schwimmen gehen soll, wenn man grad gegessen hat. Und ich weiß, daß man Kleiderschränke ausräumen soll, bevor man sie verschiebt. Ja. Weiß ich. Na und? Es ging noch nur um anderthalb Meter. Ausräumen bedeutet Arbeit. Ich wollte nicht arbeiten, ich wollte es schön haben. Sofort.

So hängte ich mich also an den ersten Schrank und ruckelte ihn, voll wie er war, an die ihm bestimmte Stelle, derweil fröhlich Staubmäuse auf mich niederrieselten. Dann zog ich das zweite Exemplar aus der Ecke in der es stand und klemmte mich dann mit meinem Körper zwischen Schrank und Wand, von oben noch mehr Staubmäuse, und plante, mittels kräftiger Kniestöße unter Anlehnung ans Gemäuer, das Ding .... und KRACK! Die Rückwand brach raus und der gesamte Schrank neigte sich wie ein Trapez. Autsch. Behende packte ich zu und zog den Schrank, der noch mindestens 40 Zentimeter von seinem geplanten Standort entfernt war, und zog ihn wieder grade.

Egal was ich machte. Sobald ich den Schrank losließ, neigte er sich in dem Wunsch zusammenzubrechen. Ich auch bald. Nachdem ich zehn Minuten mit dem Ding händchengehalten hatte, kam mir eine überlebenswichtige Frage: "Machich`n jezz?"

Der Schrank ist fast zwei Meter fünfzig hoch. Platz, ihn nach vorne zu kippen um die Rückwand wieder anzunageln, hatte ich nicht. Herausziehen und Rückwand annageln...keine Chance. Außerdem konnte ich das Ding ja noch nicht mal loslassen, ohne daß es sofort Lemming spielte.
Mein Telefon lag taktisch günstig im Wohnzimmer, lange elf Flurmeter entfernt. Außerdem hab ich ja auch noch meinen Stolz. Mittlerweile lief mir vor lauter Aufregung und Anstrengung der Schweiß in Strömen die Stirn runter. Der sollte nicht zusammenbrechen der Kackschrank. Dreckmistverdammter.

Als Beschäftigungstherapie riß ich erstmal die Türen des Mistbiestes auf und schleuderte den Inhalt, unter anderem ungefähr achtzig Kubikmeter Hosen, die mir schon lange nicht mehr passen, hinter mich aufs Bett. Wenn er schon zusammenbricht, dann wenigstens leer. Dann stand ich wieder da. Eine Hand war damit beschäftigt, den Schrank im Gleichgewicht zu halten, mit der anderen zeigte ich ihm, immer wenn es mir in den Kopf kam, Stinkefinger. Also alle zwei bis drei Sekunden. Apropos "Kopf kam". Eine Lösung mußte her.

"Wenn ich es schaffe, ihn so instabil auf den anderen Schrank zuzubewegen, ist mir schon viel geholfen" dachte ich. "Machich`n jezz?" Ich machs jetzt. Eigentlich hätte ich gern ein wenig geheult, aber dafür war keine Flüssigkeit mehr da. Die klebte vollständig an Stirn, Gesicht und Hals. Sehr dezent, immer um Ausgleich bemüht, trat ich also irgendwann immer unten an das Mistbiest und schaffte es tatsächlich, ihn auf den anderen Schrank zuzubewegen und die beiden wieder zu vereinen. Er lehnte sich an....und lehnte sich im nächsten Moment wieder trapezmäßig in meine Richtung. Ich hab ihn aufgefangen. Gute Schrankmama. Machichn`jezz?

Er wollte nicht stehenbleiben. Ich wollte nicht, daß er zusammenbricht. Irgendwann muß auch ich mal Stärke beweisen. Ich wollte doch nicht bis an mein Lebensende da stehen und das Ding festhalten. Hektisch suchte ich nach Möglichkeiten. Hinter mir im Zimmer herrschte das Totalchaos. Tausend Kubikmeter Klamotten auf dem Bett. Damit mußte doch was zu machen sein. Ich versuchte, die Knäufe der Schranktüren zusammenzubinden, damit sich die Schränke gegenseitig halten. Mit einem Pullover. Fragt nicht. Aber es klappte.

Als ich ihn zwei Minuten alleine lassen konnte, raste ich im hektischen Hürdenlauf los, um die gekaufte Teleskopstange zwischen das Mistbiest und die Wand zu klemmen. HURRA! Aber das wird nicht halten.

Ich muß sie untrennbar miteinander verbinden. Mit Schrauben. Gute Idee. Zum Glück fand ich noch ein paar Holzschrauben in angemessener Größe und schraubte drauf los. Nix passierte.

Na gut, jetzt mußte ich wirklich Hilfe beim Feind suchen. Wo ist bloß die blöde Bohrmaschine? Ich muß Löcher bohren. Zwar nur durch Holz, um die Schränke miteinander zu verschrauben, aber immerhin. Ich weiß doch gar nicht wie das geht....

Es ging. Zwar vertrieb ich mir ein paar erbauliche Minuten damit, die Bohrmaschine zu hypnotisieren um herauszufinden, wie ich jetzt eigentlich den Bohrer da reinbekomme, ich bevorzuge es, irgendwelchen netten Helferlein zu sagen: "Heh, ich hab auch ne Bohrmaschine", und trotzdem alles anzunageln was ich selbst machen muß, aber es ging. Ich bohrte Löcher und fühlte mich wie Tom Hanks in diesem Schiffbrüchigenfilm, der "Iiiiich habe Feuuuer gemaaaacht" brüllt. Also, Schraube reindrehen...ging nicht. Ging einfach nicht.

Hab falschrum gedreht. Ich Depp. Wahrscheinlich hätte ich mir die Bohrmaschine sparen können.

Jetzt steht er, der Schrank. Umstellen ist in diesem Leben, also, seinem Leben, nicht mehr möglich. Umziehen auch nicht. Im Schlafzimmer herrscht totales Chaos und ich bin im Arsch.

Machich`n jezz?

Auf der Couch schlafen, Wein trinken.

Prost.

12 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Oh je...du hast mein volles Mitleid. Ehrlich.Scheint so, als hätten wir das gleiche Hobby: Umräumen. Ich bilde mir auch immer ein, ich könnte die Schränke alleine umstellen. Übrigens auch, ohne sie vorher auszuräumen. :-)

Bei der letzten Aktion saß ich heulend im Wohnzimmer und hätte am liebsten den Schrank zusammengetreten. Nix ging mehr. *lol* Nach drei Stunden habe ich es geschafft und mein Schatz hat abends die volle Krise gekriegt, als das Wohnzimmer komplett umgeräumt war. Und als ich gebeichtet habe, dass ich alle Möbel alleine durch die Gegend geschoben habe, wurde seine Krise noch größer... Er befürchtet nämlich - nicht zu Unrecht, wenn ich deine Geschichte lese - dass unsere Schränke bald den Geist aufgeben, wenn ich die noch öfter umplatziere. :-)

*lol* Wenn man nicht die ganzen Fernsehkameras in Kauf nehmen müsste, wäre es echt genial, die Bude mal von einem Fernseh-Super-Deko-Team aufmöbeln zu lassen. :-)

Anonym hat gesagt…

Alles egal, hauptsache, es gefällt, wie's jetzt ist! Allerdings... beim nächsten mal sind wohl neue Schränke fällig.
Abgesehen davon: ich rate dazu, die Kleider möglichst schnell wieder einzuräumen (resp. auszusortieren, wenn nicht mehr passend..) Weil, je länger die liegenbleiben, umso mehr nervt es nachher! Und Deinem Rücken tut das Bett auch besser als das Sofa. Ist ja heute Feiertag, da hat man doch Zeit für so Kleinigkeiten...

Martin der Alte hat gesagt…

ohje... das kenne ich .. schnell mal was machen und dann... ja dann hängt man im Mist fest.

Warum hast nicht bescheid gesagt, hab langes wochenende und hätte Zeit gehabt. Ok .... die paar km zwischen euch. Da ich auch mal in der Textilbraunche war, hätte ich dir auch alles schön nach Farbe und Grösse und Art sortieren können :Dmrt

Anonym hat gesagt…

Ach Bine.... Ich kann's mir lebhaft vorstellen, muß natürlich grinsen aber Du hast natürlich mein Mitgefühl -- was für 'ne Aktion.

Kristina hat gesagt…

Deine Beschreibung ist göttlich... Erinnert mich an meine Aktion, als ich mal um Mitternacht auf die Idee kam, mein Zimmer komplett umzuräumen. Das Regal musste ich wohl oder übel leeren, aber ich hatte nicht ganz bedacht, dass man auch etwas Rangierplatz braucht... War auch ein Spaß!

Und von wegen Umziehen: Dann brauchst du halt ein komplett neues Schlafzimmer - mit Gardinen passend zur Bettwäsche ;-)

Anonym hat gesagt…

hey, daß ist doch mal ein 100% sicheres geschlechter-unterscheidungs-merkmal. ich glaube ein man würde auf so eine idee nie kommen. bis jetzt hatte immer nur meine frau oder in jüngeren jahren meine stiefmutter solche genialen blitzideen, die natürlich auch umgehend umgesetzt werden müssen. dafür sind wir dann wieder gut genug. vielleicht sollte dein killerkriterium für die nächste lebensabschnittspartnerschaft "möbelpacker" sein. besser für die beziehung wäre aber wohl umzugsunternehmer. der holt dann seine jungs aus dem feierabend. ist wohl besser für die beziehung^^

SK-AP hat gesagt…

Genial beschrieben, wie bei mir die Umräumaktionen anfangen... und es hindert mich daran, genau heute wieder mit so einer Aktion zu starten, die ich eigentlich heute abend noch vor hatte :-D

Ich glaub, da können wir uns mit ein paar Leuten die Hand geben :-D

Jens-Rainer hat gesagt…

Wirf den "flitt-fit" Schrank von Ikea aus dem Fenster und kauf Dir ein solides Teil, das man richtig auseinandernehmen und wieder zusammensetzen kann, ohne Schrauben aber mit Holzkeilen. Ja, sowas gibt es wirklich. Kostet 5 Mal mehr, hält aber auch 5 Umzüge länger durch, und lässt sich bei Bedarf leicht demontieren und wieder zusammensetzen. Habe mal einen ähnlichen Schrank wie den, dem Du da Händchen halten durftest, radikal mit 30 Nägeln zusammengekloppt. Da wackelte hinterher nichts mehr. Und beim nächsten Umzug half nur noch das Beil beim Demontieren.

Jens-Rainer hat gesagt…

Ach und zum Schrank verschieben sind untergelegte alte Socken bzw. ein Wagenheber ganz nützlich... Schrank ausräumen, da gebe ich Dir recht, ist was für Luschis..
Gruss, Jens (der den mächtigen Kleiderschrank --- voll --- mit Hilfe eines Wagenhebers verschob, und jetzt ne Macke in der der Wand hat.. 5 cm tief.
P.S.: Handy in die Hosentasche, immer dabei, und nie auf dem Küchentisch, dann kannst Du Hilfe rufen..
P.P.S.: Voll war der Schrank, und nicht der Jens

Kühles Blondes hat gesagt…

jens-reiner..ich hab doch gar kein auto :(

Kühles Blondes hat gesagt…

martin, zum schrank aufräumen darfst du auch so gerne mal kommen.
langer, ich fürchte, die fähigkeit, einen schrank zu bewegen wäre nicht unbedingt eine ausreichende qualifikation für einen partner. aber wer weiß. vielleicht sinken meine ansprüche ja irgendwann.

Anonym hat gesagt…

Martin, bist Du Möbelpacker?
Nein im Ernst, ich habe geschrien vor Lachen, als ich das gelesen habe...
Nicht, daß mir (obwohl Mann) das nicht auch passieren könnte...
Machich'n jezz???