Freitag, Januar 19, 2007

Kyrill Alaaf

Ich bin beleidigt. Da wohnt man schon im Norden, was ja eigentlich ein Garant sein sollte für Sturmgetöse und Wasser von allen Seiten, und was ist? Kaum was ist. Kyrill hatte sich in Köln schon ausgetöst als er sich endlich bequemte, ein paar Böen in Hamburg abzuladen.

So viel Aufregung. Für nichts. Aber ich räume ein, daß es ja anders aussah. Zunächst. Dramabilder im Internet, umgestürzte Bäume und die eindringliche Warnung, das Haus nicht mehr zu verlassen. Kinder wurden mittags aus der Schule nach Hause geschickt, obwohl der Sturm erst um sechs kommen sollte. Flüge wurden gestrichen und der Bahnverkehr wurde auch erstmal prophylaktisch eingestellt. Hamburg war vorbereitet. Endlich einmal wieder Katastrophenfeeling. Vorsicht ist besser als Nachwehen.

Auch mein Chef wanderte gegen vier Uhr nachmittags mit besorgtem Gesichtsausdruck durch die Büros, um uns höchstpersönlich mitzuteilen, daß von "ganz oben" die Genehmigung erteilt wurde, vorzeitig nach Hause gehen zu dürfen. Die sind schon toll "da oben". Sowas von fürsorglich. Meine etwas verständnislose Frage, wozu wir bei freier Gleitzeit eine solche Genehmigung benötigten, ob ich die nicht geleisteten Arbeitsstunden dann wieder gutgeschrieben bekommen würde, wurde mit diesem speziellen "immer-müssen-Sie-so-spitzfindig-sein-Blick" quittiert und unkommentiert gelassen.

Zunächst spielte das Wetter allerdings auch mit. Höchstanständig verdunkelte sich gegen Mittag der Himmel und es fiel schon mal ein wenig Wasser vom Himmel. Freudig erregt rannte ich immer wieder zum Fenster um ergebnislos nach überklappenden Schirmen zu fahnden und Menschen zu beobachten, die sich an Laternenpfählen festhalten. Aber nix war. Es war dunkel und es hat geregnet. Nicht sehr ungewöhnlich irgendwie.

Um dann in den vollen Sturmgenuß zu kommen, machte ich gegen sechs Uhr Feierabend und trat erwartungsvoll auf die Straße. "Kommt ihr Teufel der Winde, ich werde trotzen" verkniff ich mir zu rufen, und war kurz versucht, mich auf dem Bahnhof einzufinden um in Zügen zu schlafen und Erbsensuppe zu essen. Es kann mir doch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß ich nach sieben Minuten U-Bahn-Fahrt zu Hause wäre. Ich wollte so gern diese Dynamik, diesen Zusammenhalt in schweren Stunden fühlen, den ich mir so ähnlich vorstellte wie die Stimmung während der Weltmeisterschaft.

Leider antworteten die Teufel der Winde nicht. Ein wenig zaghaft zerpüsterte mir ein laues Lüftchen die Frisur und es regnete noch nicht einmal. Da macht Bahnhof keinen Spaß. Also ging ich nach Hause, kochte was Leckeres mit Erbsen für eine Freundin und mich und ließ den Sturm Sturm sein.

Man kann halt nicht alles haben. Im Gegensatz zu Bob, den ich gestern begeistert im Fernsehen anschmachten konnte, wo er ganz souverän im Quiztaxi ziemlich viel Geld gewann. Sturm UND Kohle. Ein wenig neidisch bin ich ja schon.

4 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

zunächst möchte ich dir persönlich danken, im titel das wörtchen "alaaf" entdecken zu dürfen. das erhellt meinen tag aufs äusserste.

ich hörte von einer freundin aus berlin, dass auch sie bereits am frühen nachmittag nach hause geschickt wurde. solche fürsorge war im zentrum des orkans und des rheinischen frohsinns gänzlich unbekannt. ganz nach dem motto: "et kütt, wie et kütt" und "et hätt noch immer jot jejange" mussten wir, die schultern gegen die einzubrechen drohenden fenster gestemmt, ausharren. einmal im rausch von abenteuer und gefahr, ging ich an diesem abend im wald joggen. die zusätzliche herausforderung im dunklen über bereits herabgefallene äste zu springen und potentiellen wurfgeschossen von oben auszuweichen, war eine bereicherung meins spärlichen fitnessprogramms, das zugegebenermaßen bei gutem wetter ausfällt. no risc, no fun.

Anonym hat gesagt…

Wirklich enttäuschend dieser "Orkan". Zumindest für die Nordlichter. Bei uns hat es grade mal den Schneeschipper (der seit fast einem Jahr unbeachtet an der Hauswand lehnte) umgeweht... Ganz grosses Kino!

Anonym hat gesagt…

Hier in der Schweiz war es ganz wüst, hat es mir doch immerhin beinahe den Schirm umgedreht und - man höre - ein paar Ziegel vom Dach geweht. Ja, Dramatik pur.

Allerdings sind dann innerhalb von kurzer Zeit zwei Dachdecker aufgetaucht (waren wir die einzigen mit altersschwachen Ziegeln?) und erst noch aufs Dach geklettert (wer klettert bei einem richtigen Sturm aufs Dach, frage ich mich?).

Und jetzt kommts: in der Nacht hat es nochmal die gleichen Ziegel weggeweht! Hatte er heftiger geweht? Oder haben die beiden DD gedacht, sie wiederlegen das Klischee der nicht zu überbietenden Qualität von Swiss Made?

Irgendwie eine unbefriedigende Sache so ein Sturm, hinterlässt so viele unbeantwortete Fragen ...

Anonym hat gesagt…

Du hast recht, auch ich war enttäuscht. Es war eben so ein richtig typisches Presseding. Schön fett hypen, dann hat man auf jeden Fall mal die Titelseite schon im Vorfeld voll. Zugegeben: es scheint ja durchaus im Süden heftig gewesen zu sein, aber hier war's halt ein wenig stürmisch; das bring aber keinen Norddeutschen in Panik, das sind wir gewohnt.