Dienstag, November 07, 2006

Fahrbier heute

Ich bin sicher, daß es unter der "Jugend von heute" auch die intelligenten Welchen gibt, die die Pisa-Studie Lügen strafen. Junge Menschen auf dem Weg in eine positive Zukunft. Leider haben diese Jugendlichen anscheinend alle ein eigenes Auto. In der U-Bahn trifft man mehr die leicht reduzierte Variante.

Um einen einschneidenden Eindruck zu gewinnen, sollte man seine Beobachtungen auf einen Freitag oder Samstag gegen Abend verlegen. Dann kommen sie aus ihren Löchern, bewaffnet mit dem aktuellen Äquivalent des von unserer Generation - oder sogar schon vorher - etablierten Fahrbieres. Zum Vorglühen reicht der Elite von morgen nämlich kein Bierchen mehr. Heutzutage muß es schon richtig knallen und billig sein. Das Taschengeld geht ja zum großen Teil für die Handyrechnung drauf. Und alkoholische Getränke werden einem nicht überall für`n Appel und `n Ei nachgeworfen. Ich mußte gestern auch zwei Mal schlucken, als ich in einer dieser Geheimtipp-Kneipen in St. Georg, so ein Laden, der von außen nicht nach Kneipe aussieht, für ein
0,25 l-Bier 2,40 Euro bezahlte. Diese zwei Schlucke benötigte ich dann auch, um das Bier zu trinken. Teure Pfütze.

Aber zurück zur Jugend. Etwa fünfzehnjährigen Mädchen wächst häufig eine Rotweinflasche aus dem Hals. Oder billiger Sekt. Die Mädchen, die sich gerade nicht in dem Zustand akuter Befüllung befinden, sondern der Betankung harren, verbringen die Wartezeit zumeist kichernd und kreischend. Hiermit beweist die Jugendmannschaft der örtlichen Alkoholiker schon den Willen zur günstigen Hardcoretrunkenheit.

Die meisten Partywilligen tragen jedoch selbstbefüllte Flaschen mit sich. Eine Wodkaflasche und eine Colaflasche zum Beispiel. Die Inhalte bereits verzehrfertig vermischt. Das Fahrbier wurde also von einer Plastik-Colaflasche mit Schuß verdrängt. Die Zivilisation macht auch in der U-Bahn nicht halt. Härter, schneller, besser. Da kippt man sich zur Not auch mal Opas Asbach Uralt in Mischfähiges. Ich finde, wir können stolz sein auf den deutschen Nachwuchs. Sie lassen sich nicht von der Wirtschafts- bzw. Taschengeldkrise unterkriegen und machen aus dem, was sie haben, das beste. Da schwillt mir direkt die Brust. Oder der Hals? Naja, irgendwas unterhalb meines Kopfes.

Freitag saß ich gegen zehn Uhr abends auf dem Weg nach Hause neben zwei Flaschenmädchen, die sich in dem für den Nachwuchs mittlerweile typischen Fetzendeutsch unterhielten. Doch sie gaben Grund zur Hoffnung. Das eine Mädchen lallte nämlich: "Eeeh, isch bin voll stolz eeeh. Hab ein ganzes Buch gelesen. Sechsundfünfzig Seiten eh. Ej, bin total stolz. Sechs-und-fünf-zig Seiten. Ich bin voll froh."

Ich wette, sie wird ihren Weg machen und nicht in ein paar Jahren in der U-Bahn in ihr Handy brüllen: --......--.....-------NU EFOSCHIER DICH NICH SO!

13 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Fahrbier... Fahrbier... Ich dachte immer das wäre, das Bier, das ich grade noch trinken kann, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin?!

Anonym hat gesagt…

also mal ehrlich: waren wir in jungen jahren besser? also jetzt mal abgesehen von fetzendeutsch und lesefaulheit! wir haben lauwarmen frizzantino für 2 dm aus der 2 literflasche, wahlweise korn oder springer urvater + 1 liter cola oder was halt im elterlichen schnapsschrank unbemerkt entwendet werden konnte, vor unseren wochenendvergnügungen in rekordzeit vernichtet. weil das ganze aufm platten land stattfand, haben wir damit natürlich nicht in der u-bahn gesessen, sondern auf öffentlichen sitzbänken im ortskern und wurden von den vernünftigen mit mißbilligenden blicken bedacht. und doch ist etwas aus mir geworden ;)

die hoffnung stirbt zuletzt!^^

Anonym hat gesagt…

Mein Kopf weint, während mein Bauch laucht ... oder so.

Der_grosse_Transzendentale_Steini hat gesagt…

Das war bestimmt das Buch von Viktoria Beckham. Dürfte recht einfach zu lesen sein.

Makrele hat gesagt…

Erste Zeichen von Intoleranz gegenüber der Jugendkultur sind völlig normale Anzeichen des Erwachsenwerdens. Das passiert jedem. Bestimmt :)

Anonym hat gesagt…

Das ist ja das Schöne am Saufen: man kann dabei lesen.

lorretti hat gesagt…

oh ja ... klassisches Fahrbier ... da kommen doch mal erinnerungen hoch. und ich muss sagen: wir waren auch nicht besser. aber wir konnten wenigstens einen ganzen satz am stück aussprechen ohne die worte "alter" o.ä. zu benutzen. aber das auch nur vor dem genuss des fahrbiers

Makrele hat gesagt…

Seit ich kürzlich dieses komische Foto von von mir in Röhrenjeans, Heavy Metal T-Shirt und im Nacken lässig auf die Schultern fallenden Haaren gesehen habe mag ich mich zu verirrter Jugendkultur erstmal nicht mehr äussern.

Anonym hat gesagt…

Ach, ja ich erinnere mich mit Tränen in den Augen an selbstgemachten Sauren oder schwarze Sau ... wo man Tage vorher anfangen muß Türkisch Pfeffer klein zu stampfen und dann in Wodka aufzuweichen. Danach habe ich dann auch keine Bücher mehr gelesen, sondern ein Bein aus'm Bett gehängt, weil mir mal jemand sagte, daß das gegen das schwanken hilft. Ich hatte ihm geglaubt...

Makrele hat gesagt…

Ach ja.

"Fahrbier? Find ich gut."

Anonym hat gesagt…

Interessante Beobachtung *g* Ich war wenigstens so wohlerzogen, dass wir irgendwo zu Hause vorgeglüht haben... Wobei ich mich auch an einige Flaschen Kellergeister zu dritt auf dem Damenklo erinnern kann ;-)

Kühles Blondes hat gesagt…

na gut, ich gestehe...auch ich brach einst nach asbach-lift.


ich muß jetzt hupyvsa eingeben und dabei an finnische brüste denken...

Anonym hat gesagt…

efoschiern .... das hab ich schon mal irgendwo gehört!

Eeh, sach ma, und die Mädelz hatten kein quäkendes Handy neben sich auf dem Sitz liegen?
*gg*