Dienstag, August 28, 2007

Pilze

Überall steht es. Überall kann man es lesen. Es ist Pilzzeit. Jetzt schon. Ich persönlich fand es ja im Jahr ein wenig früh, so dringend wollte ich noch gar keine Pilze suchen. Pilze sammeln verbinde ich eigentlich immer mit Herbst und kalt und Porreekuchen essen und Tee trinken, während man in eine Wolldecke gehüllt alte Miss Marple-Filme im Fernsehen schaut. Sonntag nachmittags, wenn man nach dem Spaziergang durch den Wald erstmal in eine warme Badewanne muß und dann in einen flauschigen Bademantel gehüllt mit einem großen Glas Rotwein neben sich Steinpilze in der Pfanne wendet und rundherum alles behaglich bekerzenscheint ist. Genau. So stell ich mir Pilze suchen vor. Auch wenn ich gar keine Badewanne mehr besitze.

Na gut, fast genauso ging es auch in diesem Jahr beim Pilze sammeln im August. Die Jahreszeit mutet ja doch eher herbstlich an. Aber die Sonne war gnädig als wir durchs Unterholz krochen und die Temperaturen waren recht angenehm. Wir hatten Gemüsefrikadellen und Möhrchen und Passionsbier als Zielwasser und wir hatten einen Hund dabei, dem die gesamte Energie des Waldes in die alten Knochen kroch, wonach er wie ein irres Turnierpferd durch den Wald raste. Über Stock und Stein, ununterbrochen fröhlich bellend um die Pilze zu warnen? Muß ja. Wildschweine wollten wir nicht pflücken.

So strolchten wir also mit Messerchen bewaffnet im Zeitlupenschritt weit abseits der Hauptverkehrswege und fanden - zunächst nix. Gar-nix. Stinkmorcheln ohne Ende. Pilze, die wir nicht weiter zuordnen konnten - oooohne Ende. Maronen? Fehlanzeige. Steinpilze? Neeneenee.

Dafür eine Menge Spinnen. Denn merke: Die Rotzbiester spinnen in Wäldern ihr Netz in Augenhöhe und zwar zwischen zwei Bäumen. Würde man mit nach vorn gerichtetem Blick durch die Wälder streifen, würde man sich ihnen direkt Aug in Aug gegenüberfinden. Hat man allerdings den Blick auf den Boden geheftet und scannt ihn Quadratzentimeterweise ab, damit einem auch ja kein Steinpilz unterm Laub entgeht, latscht man nicht nur direkt ins Netz, man verpaßt dabei Thekla auch noch eine Kopfnuss a la Zidane, gefolgt von Igittigittscatmangehampel, um die Spinne wieder vom Kopf und vor allem die Klebefäden wieder aus dem Gesicht zu bekommen.

Nach zwei Erfahrungen dieser Art hatte ich gelernt. Ich ging zwar immer noch langsam den Boden absuchend, fuchtelte aber in zusätzlicher Choreographie mit einem langen Ast vor mir herum wie ein leicht abwesender Ninja-Kämpfer und zerstörte diese Wunder der Natur bevor sie mich angreifen konnten. Auch Waldspinnen sollen sich nicht langweilen. Das nächste Netz wird bestimmt viel größer und schöner.

Und dann kam es. Es war wie im Märchen. Zwischen einem ganzen großen dunklen Wald voller Spinnen und nassem Laub leuchtete mit einem Mal eine kleine Lichtung vor uns. Mit langem zarten Gras bewachsen lag ein Hügelchen in der Sonne und strahlte, als würden uns Außerirdische ins Raumschiff locken wollen. Wow. Und überall Pilze. Wir liefen wie Hund Dino durch das Gras und brüllten uns gegenseitig an: Bine, schnell, hier, guck. Flaavia, hier, guck.
Und konnten es gar nicht glauben. So viele Pilze. Der ganze Wald ist leer. Und hier sind alle. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Das sind doch Köder...

Schnell hatten wir unser Behältnis vollgesammelt und konnten unser Glück immer noch nicht fassen. Mittlerweile hatte sich Military-Dino ein wenig weit von der Truppe entfernt und ich machte den großen Fehler, meine Finger in den Mund zu stecken um nach ihm zu pfeifen.

Kurz danach kippten wir traurigen Blickes den Fang wieder auf den Waldboden. So sollten unsere Finger nicht schmecken nachdem sie leckere Steinpilze berührten. So können sie nur schmecken, wenn sie glücklich Gallenröhrlinge schnitten. War das ekelhaft. Gallenröhrlinge sehen genauso aus wie ein Steinpilz und sind nur durch eine feine Netzmaserung am Stil zu erkennen. Und nur ein Röhrling im Steinpilzessen verbittert dir die ganze Ernte und die Lust auf Pilze. Schummelpilze blöde. Eine ganze Tüte voll mit Schummelpilzen.

Aber immerhin Pilze. Pilze haben wir gefunden. Ob man die jetzt essen kann oder nicht. Egal. So ist es doch mit vielen Sachen im Leben. Der Eindruck zählt. Sie sahen auf den ersten Blick haargenau aus wie leckerstes Abendessen. Und so lange man nicht nah genug rangeht oder gar tatsächlich anfängt zu kochen, bleibt der Blick und die Hoffnung auf ein mögliches leckeres Essen.

Aber merkt euch: Immer erst die Finger waschen vorm Pfeifen. Sonst gibts ein böses Erwachen.

Ich halte übrigens diese Kindersprüche von wegen "jetzt stillt se, scheiß Pilze" für ein Gerücht. Wir haben uns nur einmal zum Ausruhen niedergelassen, also Flavia und ich, es ging ums Bier trinken, nicht ums kopulieren, aber dennoch saßen wir auf dem weichen Waldboden, der auf den ersten Blick auch für Kopulationszwecke durchaus geeignet wäre. Wäre da nicht dies: "Guck mal Bine, ne rieesen Waldameise. Oh, noch eine. Wo kommen die denn alle her. Hier ist ja alles voll..."

Also: Immer schön auf den Wegen bleiben. Und wenn man keine Pilze findet, kann man immer noch Zwetschgenkuchen backen. Das riecht auch hübsch herbstlich.

5 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

*g* Ähm... ich wollte nur mal vorsichtig anfragen, ob es von euer Pilzsuche auch ein Video gibt?! :-)

Pilze suchen ist ja schön... aber ich würde mich dabei wohl vergiften.... also zumindest nach dem Genuss der Pilze würde es mir wohl nicht mehr gut gehen. Ich bleib da lieber bei Him-Brom-und Erdbeeren. Die erkenne ich immer. ;-)

Anonym hat gesagt…

freie natur ist ja schön, aber vom fenster aus reicht's auch..

pilze finden - kein problem! da, wo ich jeweils suche, findet man garantiert immer welche. ich habe da zwei spezielle stellen, da gibt's herrliche champignons, weisse und braune... sind neben steinpilzen und der gelegentlichen morchel auch die einzigen, die ich wirklich mag... na gut, der wochenmarkt ist nur samstags, aber im supermarkt findet man sie auch während der woche!

Anonym hat gesagt…

...außerdem sind Bitterlinge an der Unterseite leicht Rosa.
Ansonsten kenne ich ein hübsches Waldstück, rechts des Weges Maronen, links die Steinpilze.

Kühles Blondes hat gesagt…

sisou, zum glück nicht ;)

mahort, genau, in der schweiz sagen die kinder auch wenn sie einen besonders schönen steinpilz sehen: boh, ist der migros...

ralf, und wahrscheinlich scheint da immer die sonne, es ist warm und es fliegen einem gebratene tauben in den mund?

Anonym hat gesagt…

Diesen Wald gibt es wirklich. Der Beweis per Mail