Samstag, April 26, 2008

Punkt, Satz, Sieg

Ich habe mich verliebt. Rettungslos. Rosarot. Debil lächelnd könnte ich in der Ecke sitzen, entrückt an die Wand oder in mich hineinschauen, dabei an diese neue Liebe denken und ich fühlte mich durchgehend angenehm des Alltags enthoben. Leicht und unbeschwert bin ich, heiter und obertonig. Schmetterlinge kommen mir in den Sinn. Sonne und zarte Flötentöne. Trotzdem ich weiß, dass diese Liebe niemals erwidert werden wird. Ich bin glücklich.

Danke sage ich an dieser Stelle dem Axel-Springer-Verlag, in deren Machwerk „Hamburger Abendblatt“ der Grundstein für diese Liebe gelegt wurde.

Zwei Überschriften der heutigen Ausgabe haben sich heute einen dauerhaften Platz in meinem Herzen gesichert. Ich gebe sie jetzt hier einmal zum Besten und lasse sie unkommentiert stehen:


„Jede zweite Blaumeisenehe geht in die Brüche“

„Ist der Stint der neue Wachtelkönig?“


Ich finde diese Sätze so schön, dass ich mir vorstellen könnte, das Hamburger Abendblatt öfter zu lesen. Genauso, wie ich wegen folgender Sätze lange Zeit eifriger Zuschauer von Dauerwerbesendungen war:


„Schönheit muss auch innerlich sehr gut sein“ (Werbesendung für Puschen)


„Eine Frau mit Pinsel sieht wunderschön aus“ (Werbesendung für Glitzerbastelkram)


Die Affinität zu Einzelsätzen ist bei mir vielleicht etwas stark ausgeprägt, dürfte aber in den Grundzügen jedem bekannt sein

Wenn wir uns Kinder anschauen, die sich langsam aber sicher erst in die Welt der Sprache hineinbegeben, sehen wir die Wurzeln. Kinder verwenden Sätze und Worte, die sie hören und gut finden. Die erwachsen klingen. Die groß sind. Wenn ein Sprechlernkind im Zustand des gerade-durchgekitzelt-werdens anstatt hysterisch zu kreischen empört sagt: „Ich krieg zu-viel“, dann haben wir es genau mit einem solchen Phänomen zu tun.

Weil ich in dem vorherigen Artikel schon meinen Neffen am Wickel hatte, erlaube ich mir hier auch eine diesbezügliche kleine Indiskretion, die mir hoffentlich verziehen wird. Dieser junge Mann hatte im zarten Alter von knapp drei Jahren das Bedürfnis, mir bei der Bügelwäsche behilflich zu sein und plättete sehr konzentriert mit so einem alten Eisending auf den von mir überreichten Kleidungsstücken herum. Er legte diese auch sehr konzentriert und inakkurat zusammen und gab sie mir mit den Worten: „Hier, Bine, das ist fertig, das kannst du in den Schrank legen. Aber bitte ordentlich, ich will nicht alles zwei Mal machen“.

Süß ne?

Doch es geht weiter. Auch in der Pubertät scheint es Vorlieben für bestimmte Wortfolgen zu geben, die als besonders erwachsen gelten. Abgesehen von ej Alta, eh fett Digga, gibt es Sätze, die sehr persönlich mit bestimmten Gefühlen verbunden werden, die eine Situation ausdrücken, oder die besonders erwachsen scheinen aus Sicht des Blagen.

Sätze, deren Urheber meistens Eltern, Fersehgestalten oder erwachsene Bekannte sind, denen die Kinder Bewunderung entgegenbringen. Sätze, die ein Eigenleben haben. Die angewandt werden wollen. Weil sich die Gören dabei fühlen, als dürften sie schon Auto fahren.

So am praktischen Beispiel heute morgen in der U-Bahn erlebt, als die absolute Höchststrafe für einen U-Bahn-Pendler wie mich hereinbrach. Kinderherden nämlich. Heute eine Herde von ungefähr zwanzig Schulkindern im Alter von, na, schätzungsweise dreizehn Jahren pro Kopf im Schnitt. Die Mädels noch kindgesichtig mit viel Schminke, lustigen Frisuren und den obligatorischen weissen Frühlingsjeans, und die Jungs milchbubenlinkisch mit mindestens drei Pickeln pro Quadratzentimeter.

Sie kamen auf die letzte Sekunde hereingerumpelt, was eine Flucht meinerseits unmöglich machte, rasten, sich gegenseitig rempelnd, durch den Waggon, um sich auf die freien Plätze zu schmeißen, und „besääääätzt, hier ist besääätzt“ zu brüllen.

Meine helle Freude könnt ihr euch vorstellen.

Es war also allgemeine Unruhe und Hektik, aber mit einem Mal drang es wie Honig an mein Ohr. Zwar war der Ton etwas schrill und der Unterton in typischer Pubertierart genervt. Doch ganz zauberhaft und unpassend warf eine Weißbehoste sich in den Sitz und dann in die Runde: „Oooooooooooh, massier mir mal die Füüüße“.

Da war ich versöhnt. Und mein Herz vorbereitet für das was noch kommen sollte.

Danke Mädchen, danke Springer, danke Frühling, danke Satz.

3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich bin begeistert. Dagegen scheint mir die B*ld-Zeitung sehr intellektuell zu sein.

Eine Frau mit Pinsel sieht wunderschön aus?! Ha. Endlich erkennt das jemand. Ich wusste, dass ich ein Trendsetter bin. Beim Wohnungsputz trage ich regelmäßig meine 80er-Jahre-Palmen-Gedenkfrisur. Kann ich meinen Kopf immer noch als Wischmopp umfunktionieren und offensichtlich ist es ja auch wunderschön. :o)

Und sonst: Danke. Danke, für diesen wunderbaren Eintrag. ;o)

Jens-Rainer hat gesagt…

und, hast Du ihr dann wenigstens die Füsse massiert?

Kühles Blondes hat gesagt…

nur mit glitzer, frau weitergelesen, nur mit glitzer, bitte beherzigen ;)

jens, umgotteswillen. die hätte mir mal an die füße packen können *g ausserdem fuhr die nur eine station und stieg dann wieder aus. das wär dann mehr ne microssage geworden