Dienstag, Mai 07, 2013

Fink und Star

Maimorgen, Vogelgezwischer, Sonnenschein, frisch gewaschene Haare, Kaffee und dieser spezielle Hauch der blühenden Bäume, der sich zu einem feinen Duftteppich webt. Ein schöner Morgen.

Ich trinke meinen Kaffee und schaue auf meine wundervollen bunten Blumenkästen, die tatsächlich Fuss gefasst haben und langsam anfangen auszuschlagen. Gehört sich auch so für Blümchen im Mai. Minimale Genübereinstimmungen mit den hauptberuflich ausschlagenden Bäumen werden meine kleinen Strohblumen schon haben. Ich hab mir nämlich extra Strohblumen da eingepflanzt für den Fall, dass ich irgendwann vergesse zu giessen. Das sieht dann länger schick aus.

Apropos hauptberuflich...ich wollte mich ja wieder mit dem aktuellen Fernsehprogramm vertraut machen. Auf Herrn Samsung sitzen also derzeit drei dicke Frauen auf Sportgeräten und strampeln. Eine balanciert irritierend, aber sowas von realistisch, einen Teller mit Obstspalten auf ihrem Heimtrainerlenker. Cut. Jetzt stehen sie in der Umkleide, natürlich züchtig bekleidet, und naschen im Dunkeln, lediglich ungestört durch den Kameramann mit dem Nachtsichtgerät. Cut. Die Tür wird aufgerissen und eine Supernanny stürzt herein, zetert und mordiot, reisst die Chips an sich, und poltert wieder hinaus.

Ich bekomme ein leichtes Pochen hinter den Augen. Aber ich halte durch. Kurzer Druck meinerseits auf die Infotaste. Aha. Das ganze heisst "unter Beobachtung", spielt heute in einem Diät-Boot-Camp. Der Ton bleibt aus. Das trau ich mich noch nicht. Faszinierend ist es aber schon. Ein wenig wie ein ganz ekliges Geschwür, wo einem schlecht von wird beim blossen anschauen. Wegschauen geht aber auch nicht. Deswegen linst man durch die vor das Gesicht geschlagene Hand mit verzerrtem Gesicht, um ja nix zu verpassen. 

Die privaten Fernsehsender haben, ganz nach alter Selbstbedienungsrestaurantsmanier,  ein Kostensparpotential gehoben, da kann sich mein dauerrestrukturierender Arbeitgeber noch eine Scheibe von abschneiden. Hier werden Konsumenten zu Angestellten. Zuschauer zu Schauspielern. Anstatt teure Sendungen mit teuren Darstellern zu produzieren, werden die Damen und Herren, die seinerzeit noch die überholten Nachmittagstalkshows bevölkerten, für eine kleine Aufwandsentschädigung und ein paar belegte Brötchen, zur Schaustellung verpflichtet, und wischen hinterher wahrscheinlich noch freiwillig das Studio. Weils so viel Spass gemacht hat.

Im Regisseurskämmerlein hinter verschlossenen Türen  gehts zünftig zu. Da folgt ein Schenkelklatscher dem nächsten. All die kleinen Drecksäcke, die einst ihre Mitschüler mobbten und Fliegen die Beine ausrissen, finden hier mit Kusshand eine neue Bestimmung. "Komm, die beiden Dicken quetschen wir jetzt zusammen in eine Badewanne, die Leute lachen sich tot. Gehts nicht noch etwas peinlicher? Händereiben und sadistisch grinsen. Los, sag der mal, dass sie total toll schauspielern kann. Und jetzt soll sie sich bücken. Brüll und Kicher. Au ja, wir ziehen denen jetzt peinliche Klamotten an und treiben sie wie eine Herde Kühe durchs Dorf.  Komm, Dir fällt doch bestimmt noch was schlimmeres ein. Die machen alles. Al-les. Hauptsache in Fernsehn.

Dabei gibt es dafür doch Profis. Die kosten doch auch kein Geld. Diese Promiprofi-Dinners und Promifi-Shoppingqueens und Profi-Bigbrothersalmendschungelweissdergeier. So viele Profis und Promis, die sich bewusst dazu entschieden haben, sich die Beine ausreissen zu lassen. 

Diese Kader Lots (dreh dich um), diese Lohfinken und Dummbratzen. Lasst die das doch machen. Und für die Amateurdarsteller baut Entzugskliniken mit psychologischer Betreuung und Realitätstraining. 

Apropos Profis: In so einer Prominervsendung am Wochenende war unter einem Mädchen, welches ein wenig aussah wie eine Mischung aus Heinz Strunk und Pamela Anderson, ein Name eingeblendet, den ich natürlich vergessen habe, und dahinter die "Berufs"bezeichnung "It-Girl".

Was ist ein It-Girl?  Das sind diese Mädels, die sich immer dickere Titten und Lippen und immer blondere längere Haare bauen lassen, und deren Persönlichkeit dabei nicht nur semantisch längst auf der Strecke geblieben ist.

Ob die das selbst merken? Die Gleichstellung mit einer Zimmerlampe? "Es". Die Reduzierung auf die Sache. Eine sadistische Wortfindung der Spitzenklasse, als Titel verkauft. Wer diesen Begriff  geprägt hat, darf meinetwegen gern schenkelklopfend in Hinterzimmern hocken und sich weitere Spitzfindigkeiten ausdenken.

Ich freu mich drauf und lass den Fernseher so lange an.

1 Kommentar :

Der Lange hat gesagt…

lolo Ferari ist wohl auch Spurlos an denen vorübergegangen. Wäre ja mal ein warnendes Beispiel gewesen. Das schlimme ist ja aber, das es anscheinend einen Bedarf an solchen Es-Mädchen gibt. Ist es das, wofür das "Internet der Dinge" (oder wie heißt nochmal die nächste Stufe nach Web 2.0?) steht? Ich glaube ich werde alt.
....und finde es manchmal gar nicht schlimm!