Ich lese viel und gern. Wenn ich in meinem Wohnzimmer lungere, finde ich leider üblicherweise nie die Richtige Haltung auf der Couch, die es zuläßt, mich vollständig von einem Buch gefangennehmen zu lassen. Ich ruckel ein wenig hier an den Kissen, und schüttel ein wenig dort, lege die Beine wechselweise auf die Couch und auf den Wohnzimmertisch, versuche vielleicht den Rattansessel, in dem ich nie sitze, und auf dem ich mich leicht deplaziert fühle, eben weil ich ihn nie benutze, ebenso wie den weissen Cocktailsessel. Auch dieser entbehrt - finde ich - dieser tief hineinrutschenden Gemütlichkeit, die ich beim Lesen gern hab. Also wieder zurück auf die Couch.
Ärgerlicherweise lasse ich mich leicht ablenken. Am ehesten, wenn ich alleine in meiner Wohnung sitze. Ich werde abgelenkt durch die Nachbarn im Haus gegenüber, die machen, daß ich doch bei zunehmender Dunkelheit meine halbwegs bequeme Situation verlasse und das Rollo hinunterlasse. Ich werde abgelenkt durch den Riesenstapel CD`s und DVD`s, weil ich ein zurück-in-die-Hülle-pack-Problem habe. Ich folge also dem Zwang, stehe kurz auf und sortiere diesen Berg zwar nicht korrekt wieder zusammen, doch zumindest einmal auf einen akkuraten Haufen.
Während ich auf dem Boden in dem Multimediastapel hocke, läßt sich mein Blick von den Kerzenhalter auf der Heizung fangen und wandert dann weiter zu dem alten Buffet aus dem Gelsenkirchner Barock (das gibt es wirklich), in welchem die Portweinflasche der Leerung harrt. Dabei bekomme ich einen Anflug von Gemütlichkeitswahn. Schön mit einem Buch herumsitzen, ein Gläschen Portwein trinken - in Kerzenschein - diese Vorstellung bereitet mir ein warmes Gefühl. Gemütlichkeit. Das schwebte mir vor. Also lasse ich mein Buch weiterhin links liegen und suche zunächst einmal die Kerzen.
Oh, in der eben aufgezogenen Schublade liegt mein Taschenofen. Ein ganz tolles Ding auf Basis von Feuerzeugbenzin, der mir in der letzten Saison bei den Pauli-Spielen mit Schnee waagerecht von vorne, schon gute Dienste leistete. Und hey, hier ist ja auch mein altes Handy, dieses blöde Samsung-Teil, bei dem innerhalb von einem Jahr zwei Mal das Display starb. Aber, ich wollte lesen. Ich wollte gemütlich schmökern. Ich habe ein gutes Buch am Start, das macht Spaß. Also, wo sind sie. Diese Hundertertüte Teelichter vom Ikea kann sich ja nicht einfach verstecken. Bei den Ausmaßen.
Ach so, die hatte ich ja in der Küche deponiert. Ich wandere also in die Küche, beseelt von der mir bevorstehenden gemütlichen Glücksseeligkeit, die nur noch getoppt werden kann durch den Geruch von frisch gebackenen Keksen. Mein Glück und Glück für mein Buch, daß ich keine Backutensilien im Haus habe. Ich hätte mich sonst hinreissen lassen. Also, die Kerzen. Ich bin wieder auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer, als mir einfällt, daß ich ja auch gleich ein Glas für den Portwein hätte mitnehmen können. Also wieder die ganze Bowlingbahn zurück. Mein Flur ist mindestens achtzig Meter lang.
Dort angekommen sortiere ich noch schnell den Kaffeebecher von heute morgen und das Glas von vorhin in die Spülemma. Der Herd könnte auch mal wieder geputzt...nein, ich möchte lesen. Der Herd kann warten. Aber vielleicht könnte ich noch schnell den Aschenbecher leeren. Ich laufe also ins Wohnzimmer und hole diesen. Also zurück. Mist, ich habe das Glas stehenlassen. Ein Hirn wie ein Sieb.
So, nun stehe ich wieder im Wohnzimmer. Der Aschenbecher ist leer, das Glas gefüllt, die Kerzen entzündet. Hach wie schön. Ich werfe mich wieder auf die Couch und versuche erneut, die korrekte Position zu finden.
Das Glas steht zu weit weg. Der Aschenbecher auch. Ich ziehe den Wohnzimmertisch näher an die Couch. Das sieht zwar blöde aus, erfüllt aber seinen Zweck. Ich greife mein Buch und aus den Augenwinkeln sehe ich die Fernbedienung des Fernsehers. Ist ja schon kurz nach acht. Hm, ich könnte ja noch kurz gucken was kommt. Irgendwie ist mir die Lust auf das Lesevergnügen vergangen.
Ich zappe also unmotiviert ein wenig durch die Kanäle, gucke wie üblich drei Filme gleichzeitig und wünsche mir einmal mehr den Fernsehsessel zurück, den ich einst in einer Zusammenlebbeziehung als meinen angenommen hatte. Er war groß und unförmig, er konnte schaukeln und er hatte eine herausklappbare Fußstütze. Er war aus irgendeinem unschönen blaugrauen Lederimitat aber man konnte darin versinken. Auf der voluminösen Lehne hatte alles Platz was ich brauchte und er war so bequem, daß ich gar nicht auf die Idee kam, mich ablenken zu lassen.
Ich möchte sowas wieder. Und bis dahin werde ich wohl weiterhin im Bett lesen bis mir die Augen zufallen. Und in der U-Bahn. In der U-Bahn lese ich am besten. Dort lasse ich mich merkwürdigerweise auch durch nichts ablenken. Vielleicht sollte ich mich abends einfach in die U-Bahn fallen lassen und so lange von Endstation zu Endstation zu meiner Station fahren bis das Buch fertig ist.
Gute Idee. Ihr findet mich beim Hamburger Verkehrsverbund.
8 Kommentare :
Ich liebe deine Multimediastapel...wir können ihn mit meinem zusammenlegen und ein fröhliches Suchspiel spielen
vielleicht sollst du dir eine U-Bahnbank besorgen. So auf Federn gelagert. Aber das kenne ich auch. Grade auch das rum suchen nach Ablenkung... Aber du bist ja noch jung ...
lesen in der bahn ist genial. so muss muss sich auch nicht mit den mitreisenden beschäftigen, auch wenn das beobachten manchmal recht aufschlussreich ist. aber halt nur manchmal.
und die zeit geht sehr gut rum. gerade wenn man so eine halbe stunde fahrt hat.
Genau diese Fahrtzeiten vermiss ich jetzt, wenn ich immer nur 15 Min zu Fuß irgendwo hin muss.
Ansonsten versteh ich dich bestens, ich hab' hier auch zwei Sessel stehen, aber zum Lesen komm ich da auch nicht - denn gegenüber steht der PC... Aber wenn man einfach früher ins Bett geht, kommt man auch zu seiner Dosis Lesestoff :-)
Sich vom Lesen ablenken zu lassen ist ja sooo einfach. Während meines gesamten Studiums habe ich so gut wie nichts zu Hause gelesen/gelernt. Nur gut, daß ich so eine lange Bahnfahrt zu FH hatte... :-)
Du brauchst einen Vorleser.
... so einfach ist das! ;-)
Bis zum Ende in der U-Bahn lesen? Hab ich schon gemacht. Hatte nur leider keinen gültigen Fahrausweis dabei.
tiescher, hab ich ja. einen riesenstapel hörbücher. aber dabei schlaf immer nach 10 Minuten ein...
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