Es ist vorbei. Leider. Vollbracht und wieder hergebracht. Ein Urlaub wie ein Buch. Ich meine wie ein richtiges Buch, keinen Comic oder so. Ein echtes Buch mit dem Prädikat "Kultur".
Wer jetzt glaubt, ich meine mit "Kultur" die Besichtigung von alten Steinen mit beflissenem und anerkennendem Gemurmel, der irrt. Zumindest zu ungefähr 80 %. Ein paar alte Steine gab es schon zu sehen. Aber sie waren für das Gelingen dieser Woche, die mir vorkommt wie eine Ewigkeit, von geringerer Bedeutung.
Aber folgt mir doch ein wenig in meinen Gedanken zurück. Hier entlang. Von Lissabon etwas südöstlich nach einer der wahnsinnigen Brücken über den Tejo. Ja, genau, kommt weiter. Dies ist das Dörfchen Azeitao. Aber wir fahren noch ein Stück weiter. Die Quinta, wo wir hinmöchten, liegt zwar offiziell dort, aber ein wenig versteckt, oben auf dem Berg. Es sieht nur aus wie ein Feldweg. Er führt tatsächlich irgendwo hin. Hier müssen wir links. Bei der Hausnummer 109. Hättet ihr es übersehen? Das wunderte mich nicht. Es liegt wirklich abseits. Jetzt noch nach dem Tor ungefähr 200 Meter durch die alte Olivenbaumplantage seht ihr vorne die drei zum Anwesen gehörenden Häuser.
Die Hunde? Ja, die hören sich gefährlich an. Die bellen aber immer so. Die tun gar nix. Die tun nur so. Ihr könnt ohne Schwierigkeiten aussteigen. Doch, wirklich. Seht nur, jetzt freuen sie sich. Die große Hündin, sie heißt Malu, zieht, wenn sie sich freut, immer die Mundwinkel nach oben. Das sieht bedrohlich aus. Ja. Aber bei ihr heißt das merkwürdigerweise, daß sie sich freut.
Und da kommt Wanda. Unsere Gastgeberin, die uns so großherzig einlud, die Ferien bei ihr zu verbringen. Ups, ich vergaß, darf ich noch kurz meine Beifahrerin vorstellen: Janina. Sie ist mit Wanda befreundet. Das erscheint auf den ersten Blick ein wenig pittoresk (ein ungehöriges Wort zur Beschreibung von touristischen Sehenswürdigkeiten, aber hier passt es), weil Wanda doch im Alter schon etwas näher an der achtzig als an der siebzig ist, aber Janina und ich sind auch knapp neun Jahre im Alter auseinander, das fällt irgendwann wirklich nicht mehr ins Gewicht. Genauso, wie es fünfundzwanzigjährige gibt, die sozusagen schon mit Hut Auto fahren, gibt es auch fünfundsiebzigjährige mit dem Herz einer Vierzigjährigen.
Wanda kommt uns fröhlich vom Haupthaus her entgegen. Sie humpelt ein wenig, was sie einer etwas unangenehmen Fußoperation zu verdanken hat, ist aber in keinster Weise eine "Oma". Schick gewandet begrüßt sie auch mich mit einer Herzlichkeit, die normalerweise nicht für einen Wildfremden ausgepackt wird. Aber sie ist so. Und Janinas Freunde sind ihre Freunde. Ich hoffe, ich bin dem Vorschußvertrauen gerecht geworden.
Wanda war Doktorin für Anthropologie und ich glaube Archäologie. Sie hat nach Knochen gebuddelt. In Syrien und so. Wenn ihr Glück habt, erzählt sie euch von der Zeit damals. Sie ist Engländerin über Umwege. Die Geschichte ihres Lebens wäre einen ganzen Roman wert. Wanda spricht diverse Sprachen ziemlich perfekt, unter anderem natürlich Portugiesisch, Polnisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Rumänisch. Sicher noch mehr, aber nur die habe ich während des Urlaubs hören können. Na gut. Polnisch nicht, aber da sie dort geboren wurde, setze ich das voraus.
Sie weist uns zwei hübsche Ferienwohnungen zu. Zwei von vieren. Das Haus unten ist gerade an ein englisches Professorenpärchen vermietet, die andere Möglichkeit ist das Haupthaus selbst. Wanda? Oh, Wanda schläft in einem kleinen Apartement unter einer der kleineren Ferienwohnungen. Wegen der Hunde, die immer bei ihr sind und die sonst im Haupthaus nicht nur ihre Haare in den Teppichen hinterlassen, sondern auch die dort stehenden Antiquitäten anfressen würden. Und die Bücher. Die sind so. Die Kanaillen. (O-Ton).
Sagte ich schon, daß wir eingeladen sind? So ungewöhnlich das auch für mich klang, doch. Nicht nur Logis, auch Kost wird uns gewährt. Nein, nicht jedem, sie ist ja nicht Sklavin ihrer Küche, aber uns bekocht sie gern. Und gut. Sehr gut. Und sehr selbstverständlich. Ein Herz wie der Grand Canon die Dame. Die Küche Portugals ist nicht wirklich der Rede wert. Die Küche von Wanda schon. Schneidet mal Bananen in einen Feldsalat mit Vinaigrette. Erstaunlich lecker! Ich helfe ihr im Gegenzug damit, die Hunde zur Schlafenszeit in ihre Kemenate zu befördern, weil diese wie kleine Kinder wenn sie ins Bett müssen renitent werden, und lieber noch ein wenig auf das riesige Grundstück flüchten um ein wenig die Nacht und die weit entfernten Nachbarhunde zu bebellen. Und Gottchen, was man halt sonst so macht als Gast. Selbstverständlich gehen wir ihr auch ein wenig zur Hand, das ist ja selbstverständlich. Aber am allerliebsten ist ihr, wenn wir gemeinsam etwas unternehmen.
Und so fahren wir gemeinsam nach Setubal, nach Obidos, nach Sesimbra, nach Alcadingsbumssera oder wie das heißt. Wir gehen bummeln in der Stadt und über den Markt. Sie weiß, welche Geschäfte nicht nur günstige, sondern auch gute Sachen verkaufen, wir begutachteten Klöster und wandeln in Sesimbra an der Strandpromenade.
Hier fällt mir ein altes Lied von Reinhard Mey ein, der einst sang: "Ich liebe das Ende der Saison". Ja, das tu ich auch. Es sind kaum Touristen unterwegs. Der Strand ist leer. Trotz fast dreissig Grad. Selbst in Sesimbra, wo man in der Saison gerade mal einen Platz für sein Handtuch ergattern kann, indem man andere Leute mit Sand bewirft und vertreibt, herrscht nur ein angenehmer und sehr urban angehauchter Verkehr.
In Setubal müßt ihr aufpassen. Mir ist beim Bummeln ein Gebiss auf den Kopf gefallen. Aus einem oberen Fenster. Ob jetzt ein Kind Omma ärgern wollte und die Zähne ausnahmsweise mal durch das Fenster entsorgte statt in die Toilettenschüssel, bleibt wegen unserer mangelnden Portugiesischkenntnisse auf ewig ein Geheimnis.
Zum Glück haben sich die Zähne nicht an mir festgebissen, sondern sich selbst an mir aus. Deswegen gestikulierten wir auch höflich, versöhnlich und wild, als oben am Fenster das suchende Gesicht einer jungen Frau erschien, und paßten brav auf die Zähne auf, bis sie sie wieder einsammeln konnte. Nee, ihre waren es nicht. Ich hab da extra drauf geachtet.
Das Stück von Portugal, welches wir sahen, ist in groben Zügen schon sehr europäisch. Die Großstädte - ja, natürlich waren wir auch in Lissabon - natürlich mehr, als die Kleinstädte. Kein Wunder. Und es gibt Graubrot. Und Wurst. Diese mir aus anderen Urlauben bekannte Gier nach Schwarzbrot mit Leberwurst bei Rückkehr, blieb aus. Dieses süße Zeug, welches dort natürlich auch geläufig ist, muß zum Glück nicht gegessen werden. Natürlich ist es eine interessante Erfahrung, süßes Brot mit Eiersalat zu essen, aber wie mein Papa mir schon früh auf den Weg gab: Bine, man muß nicht alle Erfahrungen selbst machen. Macht ihr es, wenn ihr wollt. Und berichtet.
Alles in allem ein runder Urlaub, vielleicht stelle ich euch irgendwann noch Seka vor, den Mann, der bei Wanda die Reparaturen am Haus macht, und der seine Frau einen Kuchen für uns backen ließ, weil Wandas Freunde seine Freunde sind, oder Emile, das Neolithikum, welcher hoffte, sich parasitär bei Wanda einnisten zu können, Wanda, die so viel auf Kultur zählt, und der bei einem Klavierkonzert anmerkte: oh, was für schöne Trompeten, oder Jane und Alan, die Professoren aus England, die schon viel zu früh wieder abgereist sind. Und natürlich Reggie. Der englische Millionär, der ein Anwesen auf dem nächsten Berg sein eigen nennt und mit seinen 84 Jahren den dicken Geländewagen auch noch vollständig betrunken nach einem netten Abend mit uns heil den Weg zu seinem Haus steuerte, auf dem ich mit dem kleinen Mietwagen schon Schweißausbrüche bekam vor Angst, bei der kleinsten Unachtsamkeit den Abhang hinunterzurutschen.
Ich ende mit einem Satz von Wanda, die sagte: Du kannst im Urlaub unendlich viele Bauwerke ansehen und unendlich viel Landschaft bewundern. Das, woran du dich erinnerst, sind immer die Menschen, die dir begegnen.
Recht hat sie.
9 Kommentare :
NA TOLL!!! jetzt hab ich wieder fernweh. danke bine :(
nein, ich freu mich natürlich für dich ;o)
ein schöner reisebricht
recht hat sie wirklich. sind wahre worte.
und freu mich, dass du so einen super urlaub hast und hoffe für dich, dass du dir dieses feeling ein bisschen bewahren kannst.
Hey, ich will auch... :-)
Klingt einfach toll!
Und ich finde es schön, dass ich jetzt portugiesischen Kaffee und alkoholische Getränke habe ;) und das du wieder daaaaaaaaaa bist!
schön das du wieder da bist :) ... glaub du bist so jung wieder gekommen, das du ganz beruhigt deinen Geburtstag entgegen gehen kannst :D
marty, die tochter meiner freundin unterstellte mir nach erholter und braungebrannter rückkehr das geburtsjahr 1960. jetzt fange ich mir an, gedanken zu machen.
aua.... welche Drogen nimmt das KInd? da wärst dann ja mindestens 7 Tage älter als ich. .... Will jetzt garnicht wissen wie alt das Kind mich dann geschätzt hätte. Aber vielleicht hat die 1960 mit 1980 verwechselt.
muss ins bett .... vergesse das mit den 7 Tagen.. einfach streichen ..
..was wollen wir trinken, sieben tage lang, was wollen wir trinken, so ein durst... :)
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