Freitag, Januar 26, 2007

Mein-ung?

Das Leben könnte so einfach sein, wenn man einfach ein wenig blöder wäre. Das ist ein Gedanke, der mich schon recht lange verfolgt. Nicht, daß ich mich für einen intellektuellen Überflieger halte, aber die Weisheit mit Löffeln gefressen, das hab ich wohl. Mit allen Nebenwirkungen die dranhängen. Klugscheißen zum Beispiel.

Nachdem ich jahrelang als eifriges Informationssammelchen unterwegs war, komme ich langsam zur Erkenntnis, daß es Dinge gibt, die ich eigentlich nicht wissen will. Angefangen hat diese Gedankenschleife damals, als zum ersten Mal in einer Daily Soap junge Frauen beim Gebären gefilmt wurden. Ich hockte fasziniert und angewidert zugleich vor der Kiste und beobachtete, wie sich eine Neunzehnjährige am Ende ihrer Kräfte neunzehn Stunden lang durch die Wehen schrie.

Danke, dachte ich. Damit hat sich das Thema Geburt für mich wohl erledigt. Ich bin doch nicht bescheuert. Wenn ich tatsächlich irgendwann meiner evolutionären Pflicht nachkomme, wird das rausgeschnitten. Basta. Hätte ich den Film nicht gesehen, würde ich wahrscheinlich irgendwann meinen feuchten Blick in die Ferne schweifen lassen und verkünden, eine Geburt wäre die schönste Erfahrung für eine Frau. So intensiv. So weiblich, so göttlich.

Ich habs gesehen. Wenn göttlich wirklich bedeutet, sich die Seele aus dem Hals zu brüllen, kann ich da locker drauf verzichten.

Aber das, nämlich Dinge, die man so genau gar nicht wissen will, ist nur eine Seite des Gedankens. Früher sagte man, jemand erlaube sich den Luxus einer eigenen Meinung. Betonung liegt in diesem Moment für mich auf "eine". Ich habe zu einem Thema durchaus auch schon einmal achtzehn Meinungen. Je nachdem. Zunächst die, die ich auf mich anwende. Aktuell. Morgen kann die schon anders aussehen. Dann fange ich an mit der berühmten Münze zu jonglieren und mir sämtliche Seiten anzugucken, bringe die Tatsache, daß Menschen unterschiedlich sind und Ziele sehr anders aussehen können als meine mit in den Gedanken hinein und komme schlußendlich zu dem Ergebnis, daß ich mir lieber nicht anmaße, eine abschließende Meinung zu bilden. Da halte ich lieber die Klappe. Sonst bin ich morgen mit meinen Ausführungen noch nicht fertig.

Eine meiner neuen Lieblingssendungen findet ihr abends auf dem Sender DMAX. Guckt euch das mal an. "Die Ludolfs". Hier werden vier Herren begleitet, die einen Schrottplatz beackern. Alle zusammen kommen höchstens gemeinsam auf einen IQ, der einem Meter Feldweg entspricht. Wobei einige Pluspunkte an einen Mitstreiter fließen, der, irgendwie die Dustin Hoffman in Rainman, genau weiß, welche Ersatzteile wo liegen. Sein Ordnungssystem sind riesige Haufen Schrott und er weiß genau, was sich in diesen Haufen befindet. Ansonsten kann er sich wahrscheinlich noch nicht einmal selbst die Schuhe binden. Aber das weiß er.

Am faszinierensten für mich sind jedoch die Ansichten und Lebenseinstellungen der Jungs, die mir das Herz wärmen. "Wenn man stirbt, kommt man im Himmel. Und da trifft man sich wieder mit alle und sieht Mama und Oma wieder und das wird schön. Niemand soll Angst haben vorn Sterben. Da glaub ich ganz fest dran." Ganz einfach, ganz schlicht. Aus der Kindheit bewahrte Geschichten ins Erwachsenenleben gerettet.

Frei von Egoismus machen sich die Jungs Gedanken über die Wünsche ihrer Brüder und sich das Leben gegenseitig schön. "Wenn einer Geburtstag hat, dann muß man das schön machen. Dann backen wir Kuchen und der Tisch muß schön gedeckt sein. Dann freun sich alle und das ist dann wie früher, als unsere Mutter noch lebte. So ist das und so muß das sein."

"Lauter" ist das Wort, was mir dazu einfällt. Neid und Mißgunst gibt das nicht. Alle sind froh, wenn alle froh sind. Ist das nicht schön? Niemand muß sich den Kopf darüber zerbrechen, wie wohl irgendetwas gesagtes gemeint war, weil es genau so gesagt wird wie es gemeint war. Einfach, schlicht, verständlich. Die soziale Kompetenz dieses Schrottplatzhaushaltes ist, was gerade in diesem Umfeld merkwürdig erscheint, zu mehr als 100 % präsent.

Da werd ich neidisch. Wieso ist mein Horizont so weit? Etwas enger gesteckt wäre die Welt vielleicht behaglicher. Kosmopolit im eigenen Heim. Der Zug ist für mich weg. Dafür müsste ich mich einer Lobotomie unterziehen. Wie gestern auf einem Geburtstag mein Großonkel sagte: "Bine, guck dir die Familie an, das liegt uns nicht im Blut." Wenn das Gras auf der anderen Seite des Zaunes grüner ist, dann steigen wir drüber. Und wenn man schon mal über einen Zaun gestiegen ist, ist der nächste kaum noch ein Hindernis. Da macht es auch nichts, wenn man mal auf ner Modderwiese landet. Da geht man eben weiter. Muß ja. Hinterm Horizont gehts weiter.
Eigentlich auch ganz einfach.

4 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ach ja, die Ludolfs... Da kann man schon neidisch werden. Vier Brüder, die auf ihrem eigenem Spielplatz arbeiten und wohnen dürfen.
Als meine Frau zum ersten Mal mitguckte fragte sie aber gleich:"Sind die eigentlich irgendwie geistig behindert..?" Wahrscheinlich nicht, es ist wohl wirklich nur der eingeschränkte Horizont... :-)

oldmarty hat gesagt…

wie recht du hast, denke auch ab und zu, sei was dümmer und dir geht es besser. Klappt aber nicht.

Anonym hat gesagt…

Hm. Schade. Ich kann diesen Sender nicht sehen. Ob aber Glück gegenproportional zum geistigen Horizont verteilt ist, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, daß das eher Einstellungssache ist. Fatalismus ist wohl ziemlich wichtig dafür.

Im übrigen kann ich Dich beruhigen: wenn man kreißenden Soapfrauen die PDA verweigert, weil dann die Geburt "authentischer" rüberkommt, heißt das noch nicht, daß man das im wirklichen Leben genau so machen muß.

Anonym hat gesagt…

Oft liegt das Geniale in der Einfachheit. ;-)