Es wird Frühling. Die Sonne strahlt vom Himmel, die Krokusse blühen, die Osterglocken besprenkeln das Grün mit fröhlichen gelben Farbtupfen. In den Parks sind die Wiesen voll mit Sonnenanbetern, Schönwetterjogger kommen aus ihren Löchern um sich um die Alster zu coolen, und die Hormone aktivieren das im Winter nahezu in Vergessenheit geratene Balzverhalten.
Junge Frauen zwängen ihre Hintern in die weißen Jeans und die jungen Männer rotzen auf die Straße.
Das habe ich noch nie verstanden. Beides. Heute meine ich aber das Letztere. Eine Zunahme von ekligen Körpersekretansammlungen auf dem Bürgersteig ist, seit die Sonne wieder scheint, deutlich bemerkbar. Was mag wohl der Grund dafür sein? Was treibt die kleinen Racker dazu, Schleimprodukte geräuschvoll im Mund zu sammeln, um sie dann schwungvoll in die Umgebung zu schleudern?
Vielleicht ist es ein überholtes Paarungsritual. Ich hoffe zumindest, daß es sich bei dieser Verhaltensweise um eine Art genetischen Reflex handelt. Vollautomatisiert gesteuert durch das vegetative Nervensystem. Genau wie nervöses Schwitzen, Herzklopfen, Zittern und Zucken. Die Vorstellung, daß sich unsere putzigen Männchen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, im Angesicht ihrer eigenen Wahrhaftigkeit, also „bewusst“ dazu entschließen, diese bei Frauen – oder zumindest bei mir – schwer übelkeitauslösende Rotznummer abzuziehen, widerspricht allem was ich über Anstand, Sitte, und gute Manieren lernte.
Aber vergessen wir mal gutes Benehmen. Versuchen wir eine positive Sichtweise. Möglicherweise handelt es sich ursprünglich um eine durchaus gutgemeinte Präsentation des Speichels, welcher dem Männchen wegen der vielen leckeren Weibchen, in Kombination mit seinen durch den erwachenden Frühling sprießenden Testosteronpflänzchen, im Munde zusammenläuft. "Guck hier Frau, so feucht bin ich. Und Du?", gefolgt von beeindrucktem Speichelbegutachten mit anschließender Paarung.
Und dann schlug die Evolution zu. Vielleicht dauerte ein Winter einst länger. Oder mehrere. Eine Eiszeit. Jawohl, bestimmt. Eine Eiszeit. Keine Sonne, kein Testosteron, kein weißer Flieder, nur dicke miese kalte Nebenhöhlenentzündungen. Kein Männchen in Sicht mit schicker Spucke. Nichts. Die Menschen wären ausgestorben, wenn die Herren nicht die Damen davon überzeugt hätten, daß Rotzen mindestens ein genauso guter Grund zum pimpern ist wie rumsabbern. "Hier, chhhrotz, sei zufrieden mit dem was da kommt. Paaren?"
Eine gute Theorie.
Man kann sie noch weiterspinnen, diese Theorie und gelangt dann zu einem etwas anderen, aber thematisch naheliegenden Grund für die Sekretschleudern. Wir befinden uns in den Tiefen der etwas esoterisch angehauchten Psychosomatik. Hier muß ich nun fröhlich Halbwissen in die Gegend posaunen, da ich das Buch, in dem ich einst über die Polarität zwischen der Nase und den Geschlechtsorganen las, dankenswerterweise irgendwann verlieh und vergessen habe, an wen. So schlimm ist das nicht. Wer es auch hat, behalte es bitte.
So las ich seinerzeit, daß es durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, daß jemand, der untenrum Probleme hat, dieses gerne mit Problemen in jochnahen Bereichen somatisiert. Aber es muß ja nicht immer nur um Problemchen gehen. Wir denken heute ja positiv.
In weiblichen Kicherrunden verbreitete Erfahrungsberichte besagen ja, daß es mit Sicherheit nicht die Größe der Nase ist, von der gesprochen wird, wenn man sie mit dem Johannes von Hannes vergleicht. Der Ursprung muß also woanders herkommen. Eigentlich ist das ganz logisch. Wenn wir jetzt an den Rotz oben (Sperma unten) denken, den die Jungs aus ihren Nasennebenhöhlen (Hoden) hochziehen (runterholen), wird doch einiges glasklar. Polarität. Wie oben, so unten. Je mehr Rotz, umso mehr fruchtbare kleine schleimige Soldaten. Die Nachzucht ist gesichert. Es geht bei der Nase nicht um den Größten. Es geht um den Vollsten. Voilá.
"Seht her, ich kann drei Mal hintereinander auf die Straße rotzen" signalisiert er. Guckt dabei männlich cool und ordnet sich gleichzeitig mit kühnem Griff seine unteren Nebenhöhlen. "Wow" denkt das Weibchen, "was für ein potentes Kerlchen" und macht sich direkt daran, ihre Libido auf Empfang zu stellen.
Und was mache ich kleines Dummerchen morgens, wenn ich zwischen den ganzen menschlichen Lamas über den Pausenbürgersteig zur U-Bahn wander? Ich rümpfe die Nase anstatt mir die Kleider vom Leib zu reissen.
3 Kommentare :
ole said...
der fall ist ganz einfach, die knirpse suchen und finden ihre vorbilder , genau, im fussball. wer mal drauf achtet, was da gerotzt und gespruckt wird, den wundert gar nichts mehr.
fussballstars sind cool, fussballstars rotzen, also ist rotzen cool.
und wenn man schon nicht kicken kann wie poldi, schweini und co., dann kann man wenigstens so rumrotzen wie die grossen...
Komisch, ich hab zwei Kinder, aber rotze nie auf die Straße. Wo hab ich das Zeug zum zeugen denn nur hergeholt???
Ole, beim Fussball ist das aber auch normal, denn durch die scheiß rumrennerei sammelt sich da schon einiges an.
Aber ekelig ist das definitiv. ich warte immer auf den Moment, wo mir einer auf die Schuhe rotzt und ich ihm dann sein Gemächt ordnen werde, allerdings vorzugsweise mit meinem Knie.
Ich finde, Du hast das völlig korrekt hergeleitet. Ich hab mir da noch nie Gedanken drüber gemacht, aber Du hast recht. Rotzen ist männliches Imponiergehabe. Rotzen ist cool, Papiertaschentücher sind uncool und was für Mädchen. Die haben ja auch immer welche dabei.
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