Eben wachte ich aus meinem Winterschlaf kurz auf, weil mein Unterbewußtsein mit großem Enthusiasmus und erstaunlicher Textsicherheit, gepaart mit der obersten Lautstärke, die man mit seinen eigenen Gedanken im Kopf zu erreichen vermag, ein Liedchen gröhlte.
Von Reinhard Mey, bei dem ich den Text jetzt eben schamlos mopste in der Hoffnung, dass er mir den Diebstahl gutmütig abnickt:
Ist das schon so lange her?
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Noch weht mir der Wind von der See her entgegen,
Noch finde ich Sand in meinen Hosenumschlägen
Und Dünengras in meinem Haar,
Spür‘ auf den Lippen das Meer;
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Ist es schon wieder so spät?
Mir taut noch der Vorjahrsschnee von meiner Mütze,
Um meine Schuhe entsteht eine Pfütze
Auf dem gewachsten Parkett,
Werd‘ ich den Winter gewahr.
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Ist also morgen schon heut?
Noch schwirren vom vorigen Sommer die Mücken
Um meinen Kopf, meine Finger zerpflücken
Akazienblätter zerstreut:
Ein wenig, von Herzen ... ist‘s wahr?
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Die Tage hab‘ ich nicht gezählt.
Noch raschelt verwelktes Laub unter den Schritten,
Im vorigen Herbst von der Hecke geschnitten.
Noch glimmt Erntefeuer im Feld,
Flammenlos, kaum wahrnehmbar.
Bin immer noch der ich war,
Erwachsener werd‘ ich wohl nicht.
Ich hab‘ einen Jahresring mehr wie die Bäume,
Eine dickere Rinde, ein paar neue Träume.
Und Lachfalten mehr im Gesicht.
Wirklich schon wieder ein Jahr?
Wirklich schon wieder ein Jahr!
Ich habe nämlich einmal gelesen, daß das Unterbewußtsein einen erst mit einem Ohrwurm in Ruhe läßt, wenn man das Lied einmal ganz durchgesungen hat. Das sei hiermit getan.
Und weil es gerade passt und natürlich nicht ganz unabsichtlich, wünsche ich jedem von Euch für 2008 so viel Gutes, wie grad noch zu ertragen ist und so wenig Schlechtes, dass ihr am Ende des neuen Jahres zurückschaut und denkt: "Huch? Schon wieder vorbei? Schade. Das war ein gutes Jahr."
In diesem Sinne. Rutscht gut rein.